Digitale Gitarre:Jimi Hendrix im Raumklang

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Surround-Sound wie im Heimkino verspricht die erste digitale Gitarre der Welt. Durch die getrennte Wiedergabe aller sechs Saiten ergeben sich für Gitarristen völlig neue Möglichkeiten.

Jörg Donner

Henry Juszkiewicz ist Firmenchef des Gitarenherstellers "Gibson" aus Nashville in den USA - einer der ältesten amerikanischen Hersteller von akustischen und elektrischen Gitarren. Auf der Musikmesse in Frankfurt präsentiert der Hersteller ab 28. März die erste digitale Gitarre der Welt, die "HD 6X Pro".

Henry Juszkiewicz ist Firmenchef des Instrumentenbauers Gibson. (Foto: Foto: Gibson)

sueddeutsche.de: Mr. Juskiewicz, bitte erklären Sie einem Laien, was das Besondere an einer digitalen Gitarre ist.

Juszkiewicz: Stellen Sie sich einen Maler vor, der 16 Ölfarben zur Verfügung hat. Damit kann man tolle Bilder malen und der Künstler hat sein ganzes Leben damit verbracht, seine Technik zu perfektionieren und das Beste aus den begrenzten Möglichkeiten herauszuholen. Und dann kommt plötzlich eine Technik auf den Markt, die es ermöglicht, mit 65.000 Farben zu malen. Das eröffnet völlig neue Perspektiven. Bei der digitalen Gitarre ist das ähnlich: Damit kann man kreativer sein, als jemals zuvor.

sueddeutsche.de: Hört sich digitale Musik denn anders an als analoge?

Juszkiewicz: Viele sagen, digital erzeugte Musik hört sich schlecht an, unecht. Tatsache ist aber, dass digital nicht gleichbedeutend ist mit anders. Bei digitaler Musik denken viele an MIDI, also digitalisierte Musik auf dem Computer. Bei der digitalen Gitarre ist die Musik völlig identisch mit der aus einem analogen Instrument. Der Unterschied besteht in den Möglichkeiten, mit der Musik zu arbeiten. Die Technik erweitert das Instrument lediglich.

sueddeutsche.de: Inwiefern?

Juszkiewicz: Erstens: Jede Saite wird einzeln digital übertragen. Das heißt, statt nur eines Signals, wie bisher, kommen sechs Signale beim Empfänger an, also dem Verstärker oder einem Computer. Wenn man die Gitarre an einen normalen Verstärker anschließt, hört man keinen Unterschied zu einer analogen Gitarre. Wenn man aber die Kanäle trennt, kann man ein zwei- oder sogar dreidimensionales Klangfeld erzeugen. Es ist sozusagen die erste Surround-Gitarre.

sueddeutsche.de: Wie bei einem Heimkino, mit unterschiedlichen Tönen von allen Seiten?

Juszkiewicz: Genau. Musik war ganz früher monophon, dann kam Stereo und jetzt ist die nächste Generation da. Der zweite Vorteil der digitalen Gitarre ist die Signalverbesserung. Die Schwingungen der einzelnen Saiten voneinander zu trennen ist schwierig. Mit den digitalen Abnehmern können wir wirklich jeden Saitenanschlag authentisch einfangen, so wie er tatsächlich gespielt wird. Die dynamische Spannweite erhöht sich dadurch. Ich beschreibe das immer so: Die Abnehmer sind so empfindlich, man kann den Staub von den Saiten fallen hören.

sueddeutsche.de: Ist es schwierig, auf die neue Technik umzusteigen?

Juszkiewicz: Vielleicht für jemanden, der schon lange mit der analogen Technik arbeitet. Aber wer neu anfängt, kann die Möglichkeiten der Technik voll ausschöpfen. Er kann die Gitarre nutzen wie bisher, sie hat auch einen analogen Anschluss. Er kann aber auch damit experimentieren, verschiedene Sachen ausprobieren, das Signal beeinflussen, mit Effekten arbeiten. Ein weiterer Vorteil der Gitarre, vor allem für den Live-Auftritt: Durch das digitale Signal gibt es keine Qualitätsverluste mehr im Kabel. Die Verbindung erfolgt per Ethernet, wie in einem Computernetzwerk, und kann fast beliebig lang sein.

sueddeutsche.de: Wie reagieren Ihre Kunden auf die Gitarre?

Juszkiewicz: Es gibt naturgemäß zwei Lager: Die einen wollen sie sofort kaufen, die anderen hassen sie und wollen nicht mal etwas davon hören. Dazwischen gibt es kaum etwas. Fairerweise muss man sagen, dass die Gitarre sehr teuer ist, sie wird rund 5000 Dollar kosten. Bei diesem Preis erwarten wir nicht, dass man sie uns aus den Händen reißt. Schließlich bekommt man normalerweise eine sehr gute Gitarre für ein Drittel des Preises. Aber ich bin sicher, dass die digitale Gitarre die Zukunft ist.

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