Deutscher im Silicon Valley:Andy will es wissen

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Der Deutsche Andreas von Bechtolsheim gilt in den USA als einer der besten Computerkonstrukteure der Gegenwart. Nun hat er mit dem Bau eines Superrechners eine neue Herausforderung gefunden.

Johannes Kuhn

"Manche denken, ich würde mit meinen ambitionierten Zielen Risiken eingehen", hat Andreas von Bechtolsheim einmal in einem Interview erzählt, "doch für mich liegt das Risiko darin, jene Chancen, die sich mir bieten, nicht zu ergreifen."

Andreas von Bechtolsheim: amerikanischer Traum mit deutschen Wurzeln (Foto: Foto: Sun Microsystems)

Seine aktuelle Chance wird gerade in einem Rechenzentrum in Texas zusammengeschraubt: Das "Sun Constellation System", ein von Bechtolsheim konzipierter Supercomputer, der dem Marktführer IBM das Fürchten lehren soll und heute auf der Supercomputing-Konferenz ISC in Dresden vorgestellt wird. Gegen Ende des Jahres wird sich zeigen, ob sich das Risiko gelohnt hat.

Andreas von Bechtolsheims Leben klingt nach einem amerikanischen Traum - der allerdings in Deutschland begann. Der Sohn eines Volksschullehrers verbrachte seine früheste Kindheit am Ammersee, wo er bereits mit sechs Jahren Radios und Lautsprecher zusammenbaute.

Mit 17, als Gymnasiast im beschaulichen Nonnenhorn am Bodensee, konstruierte er für einen befreundeten Unternehmer einen Steuerungscomputer für Blechstanzmaschinen.

Schon damals wusste er seine Liebe zur Technik mit dem nötigen Geschäftssinn zu verbinden: Durch eine Lizenzvereinbarung wurde er mit 100 Mark pro verkaufter Maschine am Erlös beteiligt. Als er sein Abitur machte, so erklärte er einmal nicht ohne übertriebenen Stolz, habe er bereits mehr Geld als sein Vater verdient.

Der Lochstreifencomputer vertrieb ihn

Die deutsche Wissenschaftslandschaft in den Siebzigern jedoch bot ihm keine Chance, seine Ideen in bare Münze umzusetzen. Sein Informatikstudium in München brach er 1975 ab, weil er an den Studienbedingungen verzweifelte: Auf einem Lochstreifencomputer sollten die zukünftigen Computerexperten ausgebildet werden. Mit Hilfe eines Stipendiums ging der 26-Jährige 1975 in die USA nach Pittsburgh, dann ins Silicon Valley nach Stanford.

Seitdem hat es ihn nie mehr in die alte Heimat zurückgezogen. Sein Studienkollege Scott McNealy wurde auf den hageren Deutschen aufmerksam, als auf dem Campus die Geschichte die Runde machte, dieser bastle an seinem eigenen Computer, weil er die langen Warteschlangen im Rechenzentrum satt habe.

Hätte es das Wort Anfang der Achtziger schon gegeben, hätten ihn seine Kommilitonen wahrscheinlich als " Geek" bezeichnet - und auch heute noch wirkt er in Business-Anzügen eher deplaziert. Seiner Liebe zu Birkenstock-Schuhen ist er bis heute treu geblieben.

Gemeinsam mit McNealy und anderen gründete Bechtolsheim 1982 seine erste Firma. Ein Zeugnis der beginnenden Blütezeit im Silicon Valley ist der Brief an seine Eltern: "Liebe Familie! Meine Firma wurde am 16. Mai eingetragen.", schrieb er voller Stolz, um optimistisch zu ergänzen: "Die Idee einer kleinen Firma gefällt mir immer besser, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen."

Neue Maßstäbe bei der alten Firma

Die "kleine Firma" war Sun Microsystems, und sie machte von Bechtolsheim zum Milliardär. Dabei lieferte der Verkauf des maßgeblich von ihm entwickelten Computers "Sun-1" 1982 das nötige Grundkapital für das spätere Milliardenunternehmen und läutete gleichzeitig eine neue Ära ein: Durch die aufkommenden 32-Bit-Prozessoren starben die Großcomputer aus - ihre Nachfolger waren schneller und verbrauchten weniger Platz.

Ein Vierteljahrhundert später arbeitet Bechtolsheim, der in der IT-Branche schlicht als "Andy" bekannt ist, immer noch daran, die Architektur der Computer zu verändern. Nach der Gründung einiger neuer Firmen und dem Posten eines Chefentwicklers bei Cisco Systems ist er nun wieder bei Sun Microsystems gelandet. Ähnlich wie 1982 will er auch im Jahr 2007 neue Maßstäbe setzen, dieses Mal im Bereich der Großrechner.

Indem er die Konstruktion der Schalter zwischen den 13.000 Mikroprozessoren im "Sun Constellation System" selbst konzipierte, sollen diese die Daten nun zehnmal schneller als herkömmliche Modelle transportieren können. Wenn von Bechtolsheims Plan aufgeht, wäre sein Modell der schnellste Computer der Welt.

Die Fähigkeit, Trends vor allen anderen zu erkennen

Nötig hätte Bechtolsheim die Anstrengung freilich nicht, doch er liebt die Herausforderung. Kollegen aus Europa berichten, er sei schon von fünf Uhr morgens kalifornischer Zeit an erreichbar - und auch noch online, wenn auf dem alten Kontinent der nächste Arbeitstag beginnt.

In der Woche bis zu 80 Stunden zu arbeiten, ist für den inzwischen 51-Jährigen eher Regel als Ausnahme. Seinen Geschäftssinn hat er inzwischen an den angelsächsischen Kapitalismus, den er bedingungslos verehrt, angepasst. Bechtolsheims Fähigkeit, Trends vor allen anderen zu erkennen, ist im Silicon Valley ebenso bewundert wie gefürchtet.

So war er 1998 einer der ersten, die das Potential der damaligen Stanford-Studenten Sergey Brin und Larry Page erkannten: Die 100.000 Dollar, die er in die Geschäftsidee namens Google investierte, sind heute geschätzte anderthalb Milliarden wert.

Nun also will "Andy" die Großrechner-Industrie aufmischen. Die Konkurrenz ist skeptisch, doch ehemalige Weggefährten trauen es ihm zu. "Er ist ein Perfektionist", erklärte Google-Chef Eric Schmidt, der bereits 1983 mit Bechtolsheim zusammenarbeitete, der New York Times: "Jeder Computer, den er gebaut hat, war der schnellste seiner Generation."

Das Risiko könnte sich lohnen - der Markt für Supercomputer wird auf ein Volumen von rund zehn Milliarden Dollar taxiert.

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