"Datenschutzrechtlich problematisch":Eine Nummer für jeden

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Vom Baby bis zum Greis - die Bundesregierung teilt jedem Bürger eine eindeutige Steuernummer zu. Datenschützer befürchten, dass damit die Daten der Bürger besser und nicht immer in ihrem Sinne ausgewertet werden können.

Christiane Schulzki-Haddouti und Nicola D. Schmidt

Im Juli nächsten Jahres ist es so weit: Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält eine exklusive, lebenslang gültige Nummer. Diese Identifikationsnummer soll die bislang nur landes- aber nicht bundesweit zugeteilten Steuernummern ablösen.

Sie besteht aus elf Ziffern, der dazu gehörende Datenbankeintrag wird persönliche Daten wie Name, Künstlername, Geschlecht, Geburtstagsdatum, Adresse und akademischen Grad enthalten.

Eigentlich führt die Bundesregierung die ID-Nummer ein, um die Rentenbesteuerung zu erleichtern. Das Bundeszentralamt für Steuern wird dafür die Datenbestände von 90 Millionen in Deutschland gemeldeten Personen aus den 5500 Meldestellen zusammenführen.

Mit der Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes wurden in Deutschland 2004 zentrale "Identifikationsnummern" für Unternehmen und wirtschaftlich aktive Personen zugelassen. Diese Nummern können von allen privaten oder öffentlichen Stellen genutzt werden. Nun regelt eine Verordnung der Bundesregierung das weitere Vorgehen. Der Bundesrat gab Anfang November sein Ok dazu.

Die meisten EU- Mitgliedstaaten haben bereits eine einheitliche ID-Nummer für ihre Bürger eingeführt. Zu den Ausnahmen gehören Griechenland, Portugal, Irland und Großbritannien. In den skandinavischen Ländern sowie Spanien wird eine nationale Personennummer bereits seit langem in allen Behördendokumenten genutzt.

In Dänemark und Finnland ähnelt die Computerdatei eines Bürgers im nationalen Bevölkerungsregister der einer Polizeidatei. Polizei und Rettungsdienste können in Finnland mithilfe der ID-Nummer diverse persönliche Daten über einen Datenverbund vor Ort abrufen.

Zu den Daten in einer Zentraldatenbank gehören neben dem Namen, Geschlecht, Geburtsort auch die Nationalität sowie die frühere Nationalität.

Auch die Zusammensetzung des Haushalts, der Ehestand, die Namen von Eltern, Gatten und Kindern sowie Beruf, Religionszugehörigkeit sowie andere Informationen wie Verurteilungen, Bewährungsstrafen und so weiter können die Behörden mittels der ID-Nummer abrufen.

Ein Probelauf für die Zusammenführung aller Meldedateien soll bald starten. Weil die Dateien zum ersten Mal abgeglichen werden, rechnen die Behörden mit Schwierigkeiten.

Falsche Angaben, Dubletten oder Karteileichen sollen die Meldebehörden gemeinsam mit dem Bundeszentralamt aufklären.

Einen Schutz davor, dass die Nummer nicht nur von Steuerbehörden zur Identifizierung von Bürgern benutzt wird, hat die Bundesregierung bislang nicht vorgesehen.

Der schleswig-holsteinische Landesdatenschützer Thilo Weichert warnt: "Viele gehen davon aus, dass die Steuer-ID nur zweckgebunden eingesetzt werden kann. Das aber ist ein absoluter Trugschluss und wird durch die Rechtsverordnung nicht garantiert."

Weil die Identifikationsnummer bei allen steuerrelevanten Vorgängen angeführt werden muss, ist sich Weichert sicher: "Damit wird sie zwangsläufig zum Personenkennzeichen."

Bislang haben Datenschützer eine Personenkennziffer abgelehnt, weil sie eine Totalerfassung der Bevölkerung ermöglicht. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1969 eine Bürgernummerierung für verfassungswidrig erklärt.

Tatsächlich können Unternehmen mit direkten Kundenbeziehungen mit der Steuer-ID Daten kontrollieren. So ließe sich feststellen, ob die Daten korrekt sind und sie könnten gegebenenfalls mit weiteren Informationen ergänzt werden.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erhielt erst kürzlich den Big-Brother-Award dafür, dass er rund 10 Millionen Einträge in einer Datei namens "Uniwagnis" hegt und pflegt. In der gemeinsamen Warn- und Hinweisdatei der Versicherungswirtschaft landen nicht nur Versicherungsnehmer, sondern alle Bürger, die den Versicherungen verdächtig erscheinen.

Die Kriterien für die Warn- und Wagnisdatei halten die Versicherungen geheim. Für einen Eintrag kann es schon genügen, den Hergang eines Unfalls zu bezeugen.

Datenschützer Weichert sieht durch die Steuer-ID das persönliche Identitätsmanagement in Frage gestellt: "Ich kann nicht mehr darüber bestimmen, welche Daten mein Geschäftspartner über mich bekommt, wenn ich eindeutig mit der Steuer-ID identifiziert werden kann."

Überraschenderweise stimmte jedoch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar der neuen ID-Nummer zu. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei der Steuer-ID nicht um eine Personenkennziffer. Allerdings hält auch er sie für "datenschutzrechtlich problematisch", weil neben der Steuer-ID weitere personenbezogene Daten beim Bundeszentralamt für Steuern gespeichert werden.

Schaar: "Damit entsteht erstmalig ein bundesweites Anschriftenregister und die Gefahr, dass diese Daten künftig auch für andere Zwecke außerhalb der Steuerverwaltung genutzt werden sollen."

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