Computeranimationen:"Geld ist schlecht für die Kreativität"

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Finanzkräftige Sponsoren machen PR für Programmierer und ihre computeranimierten Demo-Filme. Das versetzt die Szene in Aufruhr: Sie fürchtet, dass Kreative gekauft werden.

Simone A. Mayer

Die Handlungen der sogenannten Demos scheinen sinnlos: Entweder schweben Kaffeekannen und Brücken in vermeintlich luftleerem Raum zu psychedelischen Klängen oder es fressen sich maschinelle Würmer durch Städte. Die fünf bis 20 Minuten langen Filmchen erzählen meist keine Geschichte, haben keine Handlung und die Protagonisten sind, wenn vorhanden, Insekten, Aliens oder Bauklötzchen. Alles in allem: sehr skurril. Dennoch: Demos sind Wunderwerke der Programmierfähigkeit, ihre Programmierer werden hochgelobt und mit Preisgeldern belohnt. Sie demonstrieren das möglichst perfekte Zusammenspiel von Musik, Grafik und Programmierung, sagt Thomas Mann, Grafiker für das deutsche Demo-Team "Still".

Mit dem Demo "ISo9241" gewann die Gruppe "Still" aus Deutschland 2007 die Intel Demo Competition. In Internet-Blogs kritisiert die Szene diese gesponserten Events. (Foto: Foto: Screenshot Demo, Still)

Er ist ein Idealist wie die meisten Demoscener. "Der Großteil der aktiven Demo-Programmierer sind Computerfreaks, die so gut sind, dass sie am freien Markt heiß begehrt sind. Doch sie programmieren keine Demos, um damit Geld zu verdienen", sagt Mann. Demoscenern gehe es vielmehr um die kreative Verwirklichung in den Animationen. Geld spiele keine Rolle.

Vorwurf: Demo-Szene lässt sich kaufen

Aber dieser Idealismus der Community krankt: Seit einigen Jahren sponsern namhafte Firmen und Online-Seiten-Betreiber die Community. Ihr Ziel: Die Computerfreaks für sich und die Marke zu gewinnen. Plötzlich gibt es für die Underdogs unter den Computerfreaks bei Wettbewerben Preisgelder oder Sachpreise in Form von leistungsfähiger Hardware zu gewinnen. Im Rahmen von Demo-Veranstaltungen bieten IT-Spezialisten der Unternehmen Programmier-Workshops an. In Internetblogs kritisieren Demo-Zuschauer diese gesponserten Events. Ihr Vorwurf: Die Demo-Szene lässt sich kaufen und verliert ihre Unabhängigkeit.

Mit Effekt-Recycling zum Sieg

"Es besteht die Gefahr, dass das Geld die Kreativität beeinflusst", sagt Mann. Seine Theorie: Wer unbedingt das Preisgeld gewinnen will, schaut sich an, welcher Beitrag schon einmal gewonnen hat und warum. "Dann recycelt man die Effekte, die gut angekommen sind", so Mann.

Ein großer Sponsor der deutschen Demo-Szene ist der Prozessorenhersteller Intel. Das Unternehmen finanziert und bewirbt die gleichnamige Intel Demo Competition. Der Wettbewerb ist neben den Scene.org-Awards eine der wichtigsten Plattformen der Szene. Intel übernimmt im Rahmen des Wettbewerbs die Pressearbeit für die Demoscener und lenkt damit Aufmerksamkeit auf diese gelenkt. Medien berichten plötzlich über die Demo-Bastler. Und: Der Sponsor stellt Sachpreise für die Gewinner der Demo Competition zur Verfügung.

Die richtige Sponsoring-Strategie

"In der Szene engagieren sich Leute, die hauptberuflich im Entwicklungsbereich und Gaming-Umfeld arbeiten. Wenn wir ihnen Technik und unser Know-How zur Verfügung stellen, erhoffen wir uns einen weitreichenden Effekt", erklärt Hans-Jürgen Werner, Pressesprecher von Intel, die Sponsoringstrategie seines Unternehmens. Doch die richtige Sponsoring-Strategie musste die PR-Crew um Werner erst lernen: "Keiner soll denken, Intel will die Demoscener kaufen oder beeinflussen. Wir verlangen daher auch nicht, dass sie Teilnehmer fünf mal Prozessor in ihrem Beitrag schreiben."

"Die erste Intel Demo Competition vor drei Jahren war nicht gut", gesteht der Unternehmenssprecher. Intel hat damals den Demo-Bastlern Vorgaben für ihre Wettbewerbsbeiträge gemacht: Zu verwenden war ein vorgegebenes Musikstück und der Beitrag durfte nicht länger als 30 Sekunden sein. "Wir haben daraufhin ein klares Feedback von der Szene bekommen", sagt Werner. Die Szene wollte sich nicht kreativ einschränken lassen. In der zweiten sowie in der dritten und aktuellen Auflage des Wettbewerbs gab es daher keine Vorgaben mehr.

Unter seinem Künstlernamen "Piuxtur" erstellt Grafiker Thomas Mann in seiner Freizeit computeranimierte Demos. (Foto: Foto: privat)

Ein Hochleistungsrechner als Preis

Thomas Manns Team "Still" hat im vergangenen Jahr den gesponserten Intel- Wettbewerb gewonnen und den Sachpreis für den Sieger bekommen: Mann arbeitet seither an einem Hochleistungsrechner. Aber er zeigt sich idealistisch: "Mir ist es egal, ob wir wieder gewinnen oder nicht." Er möchte im Wettbewerb vielmehr seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden und erstmals einen Wettbewerbsbeitrag mit einem neuen, selbstgeschriebenen Computerprogramm erstellen. "Für mich zählt daher nicht, besser als die anderen zu sein, sondern das wir das beste Demo abgeben, dass wir bisher gemacht haben," sagt er.

Obwohl Mann als freiberuflicher Grafikdesigner arbeitet, trennt er daher seine Aktivitäten in der Demo-Szene auch streng vom beruflichen Tun. Kürzlich veröffentlichte ein französisches Vertriebsunternehmen eine Demoarbeit des 33-jährigen Berliners als Beitrag auf einer DVD. "Die Firma schickte mir einen zwanzigseitigen Vertrag über die Nutzungsrechte und Tantiemenzahlungen. Ich habe denen immer wieder erklärt, dass ich für das Demo kein Geld möchte", erzählt Mann. Den Vertag musste er aus rechtlichen Gründen dennoch unterzeichnen.

Derzeit arbeitet das Team aus vier Programmierern, zwei Grafikern und einem Musiker am Demo für die Finalrunde des Wettbewerbs. "Wir werden eine Unterwasserwelt darstellen, in der Lebewesen und Strukturen an die Wasseroberfläche wachsen. Es ist sehr abstrakt - das heißt, es schwimmen keine Fische herum", verrät Mann.

Ein im Dezember 2007 fertig gestelltes Demo mit dem Titel "Ferner" zeigt die Fähigkeiten der sieben Teammitglieder von "Still":

Bis Ende Juni müssen alle Wettbewerbs-Teilnehmer eine Animation kreieren. Dann entscheidet das Internet-Publikum über den Sieger. Seine Konkurrenten aus ganz Europa schätzt Mann als sehr stark ein: "MFX aus Finnland ist ohne Frage die derzeit stärkste Gruppe in der Demo-Szene. Aber bei ihnen weiß man nie - sie sind immer für Überraschungen gut." Es gibt nur wenige Teams, die aktiv und regelmäßig solche Animationen programmieren. Die Demoscener sind daher untereinander bekannt - man trifft sich, trinkt ein Gläschen Wein und schaut sich gemeinsam Demos an. Manchmal tun sich auch einzelne Mitglieder unterschiedlicher Teams zusammen für ein Projekt.

Die Art des Sponsorings ist entscheidend

Dennoch: Die Community gilt als zurückgezogen. "Die Demo-Szene ist schon so ein Underground-Ding", sagt Mann. Obwohl Demoscener aktiv sind, seit es Computer gibt, bekommt sie erst Aufmerksamkeit, seit Geldgeber die Szene umwerben. "Die Sponsoren machen für uns Pressearbeit und damit ist auch die Aufmerksamkeit der Medien größer geworden", erklärt Mann. Das sei der positive Aspekt des Sponsorings. "Es kommt darauf an, wie der Sponsor auftritt und in welcher Form er sich engagiert", findet der Demo-Bastler. "Aber zu viel Geld ist schlecht für die Kreativität."

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