Cebit 2007:Qualität statt Quantität

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Die Weltgrößte IT-Messe ist im Bedeutungswandel. Statt "Revolution" demonstrieren die Aussteller "Evolution".

Peter Zschunke

Die Cebit ist nicht mehr das, was sie mal war. In der nächsten Woche pilgern zwar wieder einige hunderttausend Menschen aus beruflichen Gründen oder aus Interesse zur immer noch weltgrößten IT-Messe nach Hannover. Es kommen aber nur noch etwa halb so viel wie 2001, als sich 850.000 Cebit-Besucher in den Messehallen drängten, um sich fit zu machen für die Technik der Zukunft. Damals waren noch mehr als 8.100 Aussteller vertreten, in diesem Jahr sind es weniger als 6.000.

Individualität statt Masse

"Nicht die Anzahl der belegten Hallen ist für uns relevant, sondern die Anzahl der angebotenen Lösungen", sagt Ernst Raue vom Vorstand der Deutschen Messe AG. Schließlich seien ja auch die Erzeugnisse der IT-Branche immer kleiner geworden. Aber das ist nicht der Hauptgrund für den Schrumpfungsprozess der Cebit. Vielmehr ist der Messe die eigene Größe über den Kopf gewachsen.

Vor zehn Jahren konnte es noch sinnvoll sein, sich einen Überblick über die Trends der gesamten IT-Landschaft zu verschaffen - vom Halbleiter bis zur Telekommunikation. Dafür nahm man auch teure Hotels und verstopfte Straßen in Kauf. Inzwischen aber verlagern sich Fachinformation und Geschäfts-anbahnung auf kleinere Spezialmessen wie die gerade in Barcelona beendete 3GSM World für die Mobilfunker oder die Computer Electronics Show (CES) für Unterhaltungselektronik in Las Vegas.

In Deutschland gibt es die Konkurrenz der nunmehr jährlich stattfindenden Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin und der vom Start weg erstaunlich erfolgreichen Games Convention in Leipzig.

Die Messeveranstalter reagieren auf den Bedeutungswandel mit der Entscheidung für eine "konsequente Neupositionierung der Cebit". Die Messe wird ab 2008 auf sechs Tage verkürzt. Auch soll das Gewicht nach den Worten Raues wieder mehr auf Fachbesucher und nicht auf "Plastiktütenträger" gelegt werden.

Weniger die Angebote der Aussteller, als vielmehr die Bedürfnisse der Besucher sollen das neue Messekonzept prägen. Statt Quantität soll Qualität den Cebit-Besuch bestimmen.

In diesem Jahr fehlen nicht nur wie bisher schon Apple, Hewlett-Packard und Cisco, sondern auch wichtige Hersteller wie Motorola, Nokia, Lenovo, Epson und Symantec. Andere aber schätzen die Cebit weiter als "gutes Barometer für die wirtschaftliche Situation und die Stimmung im Markt" - so formuliert es der Europa-Chef des Software-Unternehmens Novell, Volker Smid.

Die Stimmung ist 2007 durchaus rosig, wie der Branchenverband Bitkom registriert. Mit einem globalen Umsatz von zwei Billionen Euro stellen Informationstechnik und Telekommunikation eine Schlüsselbranche der Weltwirtschaft dar. In Deutschland rechnet der Verband für dieses Jahr mit einem Umsatzplus von 1,6 Prozent auf nahezu 149 Milliarden Euro.

Von SOA bis zur PlayStation 3

"Große Trends oder bahnbrechende Neuentwicklungen erwarten wir auf der Cebit nicht", sagt Novell-Manager Smid. "Die Industrie entwickelt sich seit Jahren evolutionär und nicht revolutionär." So gibt es in der Software-Branche schon länger die Tendenz, Anwendungen und Dienste als "Web-Services" ins Internet zu verlagern, zu einer "Service-orientierten Architektur" (SOA) miteinander zu verbinden oder nur bei Bedarf als "Software as a Service" (SaaS) zu nutzen.

Das sind Trends, die auch für Privatanwender interessant werden. So gibt es bei Google die online verfügbare Software für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, und picnik.Com hat eine Web-Anwendung für die Bildbearbeitung entwickelt.

Gefördert wird diese Entwicklung von der zunehmenden Verbreitung schneller Internet-Verbindungen. Mittlerweile hat in Deutschland jeder dritte Haushalt einen DSL- oder einen anderen Breitbandzugang zum Netz.

Musik, Film und "Second Life"

Das kommt den vielfältigsten Datendiensten zugute, vom Telefonieren übers Internet (VoIP), über Musik- und Film-Portale bis hin zu globalen Communities wie der virtuellen Parallelwelt "Second Life". Auch die mobilen Datendienste fürs Handy werden sich auf der Cebit zu Gehör bringen.

Aus den Forschungslabors der Chip-Hersteller kommen neue Mehrfachkern-Prozessoren, die höchste Rechenleistung mit geringer Wärmeentwicklung und sparsamem Stromverbrauch verbinden. Die mit den Tickets bei der Fußball-WM auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt gewordenen RFID-Funkchips können inzwischen so klein gehalten werden, dass man sie mit dem bloßen Auge kaum erkennen kann. Chip-Karten erhalten neue Impulse durch die Gesundheitskarte und die bevorstehende Umstellung der Reisepässe in der EU.

Bei den Datenträgern gilt das besondere Augenmerk einem möglichen Nachfolger der crash-gefährdeten Festplatte in Gestalt der "Solid State Disk" - hier ersetzen Flash-Speicherchips die diffizile Mechanik der Magnetplatten.

Im Streit um den DVD-Nachfolger profitiert Blu-ray von der Sony PlayStation 3, die zwei Tage nach Cebit-Schluss auch in Europa eingeführt wird. In Hannover ist die Spielkonsole ein Star der Sonderschau "digital living".

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