Blogger: Guido Fawkes:Rächer der Rechten

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Wenn Verschwörungstheorie auf rechte Gesinnung trifft: Der Blogger Guido Fawkes streut nicht mehr nur Gerüchte - er lehrt die britische Regierung das Fürchten.

Wolfgang Koydl

Man muss entweder besonders mutig oder außergewöhnlich töricht sein, wenn man sich in Großbritannien das Pseudonym Guy Fawkes zulegt. Denn der katholische Verschwörer, der 1605 versuchte, das gesamte im Palast von Westminster versammelte englische Establishment in die Luft zu sprengen, gehört bis heute zu den schwärzesten, am meisten geschmähten Figuren der britischen Geschichte.

Gordon Brown: Immer wieder im Visier von Blogger Guido Fawkes (Foto: Foto: Youtube/Guido Fawkes)

Auch Paul Staines wird vom Zorn auf die seiner Meinung nach durch und durch korrupte politische Klasse Britanniens getrieben. Aber es war wohl in erster Linie der Spaß an der Provokation, die ihn bewog, seinen politischen Blog - leicht abgewandelt - Guido Fawkes zu nennen. Schließlich schreiben ihm Freunde und Gegner eine überschäumende Lust an Unfug und Schabernack zu.

Beispiellose Schmutzkampagne

Bitter ernst war freilich, was " Guido Fawkes" unlängst aufdeckte und die Regierung von Premierminister Gordon Brown in ihre wohl am schwersten wiegende Glaubwürdigkeitskrise stürzte. Denn Staines enthüllte, dass einer der engsten Vertrauten des Regierungschefs von seinem Büro in der Downing Street aus eine beispiellose Schmutzkampagne gegen führende Oppositionspolitiker und - schlimmer noch - deren Partner und Angehörige geplant hatte.

In E-Mails mit offizieller Regierungsadresse ließ Damian McBride keinen Zweifel daran, dass die von ihm geplanten Gerüchte glatt erlogen sein konnten.

Guido Fawkes' sensationeller Scoop führte nicht nur dazu, dass aus dem Vorhaben nichts wurde und dass Brown seinen getreuen McBride in Rekordgeschwindigkeit fallen ließ. Darüber hinaus verschaffte er Staines und seinem Blog den Durchbruch zu einem breiten Publikum. Im politischen Dorf Westminster galt "Guido Fawkes' Blog der Komplotte, Gerüchte und Verschwörungen" schon immer als Pflichtlektüre.

Mittlerweile klicken auch immer mehr potentielle britische Wähler die erfrischend respektlos und autoritätsfeindlich aufgemachte Webseite an. Im Schnitt registriert Staines an die 200.000 Leser im Monat - und lässt damit seriöse gedruckte Magazine wie den Spectator oder den New Statesman um Längen zurück.

Irgendwie scheint Guido Fawkes in eine Zeit zu passen, in der sich eine verbrauchte Labour-Regierung von Skandal zu Skandal schleppt. Schließlich ist Staines nach eigenen Worten angetreten, um "Heuchelei, Korruption und Ungehörigkeit" eines Parlamentes aufzudecken, das er für "verrottet bis ins Mark" hält. "Ich bin einfach nur sauer", erklärte er einmal seine Triebfeder. "Sauer auf Politiker, die uns enttäuschen, auf Journalisten, die den Politikern alles durchgehen lassen, und sauer auf eine marode Opposition."

Letztere Bemerkung erlaubt freilich nicht den Rückschluss, dass Staines seinen Zorn gerecht im politischen Spektrum verbreiten würde. Seine Präferenzen liegen eindeutig bei den oppositionellen Konservativen. Damit freilich liegen sie voll im Trend der britischen Blogosphäre, die - ähnlich der Blogger-Landschaft in den Vereinigten Staaten - maßgeblich von der politischen Rechten geprägt ist.

Auch die beiden anderen populärsten Blogs im Königreich werden von Konservativen geschrieben: den Tory-Parteimitgliedern Iain Dale und Tim Montgomerie. Als Grund wird oft angeführt, dass in den traditionellen Medien linksliberales Gedankengut dominiert.

Gerade das Blog-Defizit der Sozialdemokraten war es ironischerweise gewesen, das den Brown-Intimus McBride auf die Idee gebracht, per Internet-Auftritt die von ihm erdachten Vorwürfe zu streuen - in der wohl nicht unbegründeten Hoffnung, dass die eine oder andere Zeitung diese Gerüchte aufgreifen und ihnen so ein Gewicht verleihen würde, das ihnen ansonsten nicht zustünde.

Sogar einen Namen hatte McBride für die Website ausgeheckt, und nicht nur Parteifreunde fragten sich, was er sich - wenn überhaupt - dabei gedacht hatte. Denn "Red Rag", das "rote Tuch", lässt sich eher mit "roter Lumpen" übersetzen.

Guido Fawkes vergoss denn auch kübelweise Häme über die Möchtegern-Konkurrenz. Er hielt noch nicht einmal inne, als der einst von Londons Journalistenschar gefürchtete und nun schwer gedemütigte McBride aus seinem Büro im Amtssitz des Premierministers vertrieben worden war. Tagelang verfolgte Staines ihn mit bösartigen SMS.

Ein fraglos befremdeter McBride durfte Texte lesen, wie jenes Zitat aus dem Film Conan der Barbar: "Was ist das beste im Leben? Deine Feinde zu zermalmen, zu sehen, wie sie vor dir hergetrieben werden, und die Wehklagen ihrer Frauen zu hören."

Ein Gentleman würde sich nicht so benehmen, aber niemand hat je behauptet, dass Paul Staines einer ist. Beruflich hat sich der 42-Jährige bereits an allem möglichen versucht; eine Gentleman-Tätigkeit war selten dabei. Mehrere Jahre lang organisierte er Acid-House-Partys in London, einmal brachte er es zum englischen Blackjack-Champion, und vier Jahre lang verdiente er in Tokio viel Geld als Manager eines Hedgefonds, der auf den Bahamas registriert war. Zwischendurch holte er sich beim Stierrennen in Pamplona Adrenalinstöße, viermal wurde Staines wegen Alkohols am Steuer verurteilt.

Gentlemen tun so etwas nicht

Vor sechs Jahren meldete er Bankrott an, stritt sich vor Gericht mit einem ehemaligen Geschäftspartner, und fand anschließend die Zeit und Muße für seinen Blog. Heute zählt er zu den einflussreichsten Personen der britischen Politik-Szene. Der liberale Guardian kürte Guido Fawkes schon 2005 zum besten Blog. Doch erst vor zwei Jahren wurde seine Identität gelüftet. Zuvor hatte Staines nie Interviews gegeben und sich hartnäckig hinter seinem Pseudonym versteckt.

Seine sensationelle Exklusivgeschichte aus dem Zentrum der Macht hat Blogs gleichsam über Nacht wenn schon nicht gesellschaftsfähig so doch Respekt gebietend gemacht. Vor allem Journalisten herkömmlicher Medien müsste es kalt über den Rücken laufen: Weil Blogger nicht Teil der kumpelhaften Symbiose sind, die Journalisten und Politiker nicht nur in London miteinander verbindet, gelten für sie auch die herkömmlichen Regeln nicht.

"Wir stehen vollständig außerhalb des Clubs und dieser Status bedeutet, dass es nicht einfach ist, die neuen Medien einzubinden", meinte denn auch Tim Montgomerie von conservativehome.org. "Wir sind ein Pioniermedium." Dass der Blog Guido Fawkes weitaus unbekümmerter als die Konkurrenz in Zeitung, Radio oder Fernsehen auch unzureichend belegte Informationen veröffentlichen kann, verdankt er freilich in erster Linie eher einem banalen juristischen Trick.

Seine Website ist in der ehemaligen britischen Karibik-Kolonie St. Kitts und Nevis registriert, und dies schützt ihn - zumindest teilweise - vor dem strengen englischen Verleumdungsrecht. Wer Staines wegen übler Nachrede verklagen will, muss nach den Bestimmungen der Tropeninsel zunächst 25.000 Pfund bei Gericht hinterlegen. Da überlegt man sich eine Klage schon genau.

© SZ vom 04.05.2009/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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