Billguard:Diese App entdeckt fehlerhafte Abrechnungen

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Verdächtige Auszahlungen gefunden? Dann schnell die Kredit- oder EC-Karte sperren. (Foto: Jens Büttner/dpa)
  • Menschen schauen nicht genau auf ihre Kontoein- und -ausgänge, sagt der Unternehmer Yaron Samid.
  • Mit seiner neuen App will er es für Nutzer erleichtern, fehlerhafte Forderungen zu bemerken. Bislang wurde eigenen Angaben zufolge so ein Wert von ungefähr 70 Millionen Dollar entdeckt.
  • Mehrere Silicon-Valley-Berühmtheiten haben gleich zu Beginn investiert.

Von Jürgen Schmieder

Jetzt mal ehrlich: Wer überprüft schon regelmäßig all seine Kontoauszüge und Kreditkartenabrechnungen? Wirft also nicht nur einen flüchtigen Blick darauf, ob Eingänge und Ausgänge einigermaßen in Ordnung sind, sondern eine intensive und lückenlose Untersuchung jedes einzelnen Vorgangs, ob da auch wirklich alles ohne ungünstige Wechselkurse, unnötige Gebühren und illegale Forderungen abläuft? Wird schon nichts passieren, denken viele, und wofür gibt es schließlich den netten Berater bei der Bank, der einem beim letzten Gespräch versichert hat, dass das Geld bei seiner Institution sicher sei und ganz nebenbei noch diesen wunderbaren Bausparer empfohlen hat?

Genau das dachte Yaron Samid auch, ehe er vor einigen Jahren mal bis ins Detail überprüfte, was da wirklich jeden Monat von seinen Konten abgebucht wird. Er fand eine Forderung, die ein wenig zu hoch wirkte; er recherchierte intensiver und stellte fest, dass da jemand jeden Monat eine nicht gerechtfertigte Zusatzgebühr erhob und mit der Rechnung einforderte. Und er fand noch so eine illegale Gebühr. Und noch eine.

Samid, 42, ist Unternehmer mit technischer Ausbildung, hat bereits die Firmen Panda Networks und Desksite gegründet. Sein neues Projekt ist die Fintech-App Billguard, die mittlerweile von mehr als einer Million Menschen genutzt wird, in die gleich zu Beginn die Silicon-Valley-Berühmtheiten Eric Schmidt (Google), Peter Thiel (Founders Fund) und Ron Conway (SV Angel) investiert haben und die 2014 auf kaum einer Liste mit den besten Finanz-Applikationen gefehlt hat.

Wer nicht selbst aufpasst, ist selbst schuld

"Die Anwendung hilft den Menschen, dass sie wirklich nur das bezahlen, was sie auch bezahlen sollten", sagt Samid, dessen Firma inzwischen über Büros in New York und Tel Aviv verfügt: "Wir glauben oft, dass Banken betrügerische Aktivitäten schon aufdecken werden, das stimmt jedoch nicht. Wenn wir es nicht selbst finden, dann findet es niemand. Wir müssen dafür bezahlen." In einer Studie der Aite Group von Mai 2014 heißt es, dass Finanzinstitute nur etwa die Hälfte aller Missbrauchsfälle entdecken. Eine der wichtigsten Botschaften ist: Wer nicht selbst aufpasst, ist selbst schuld.

Billguard hat eigenen Angaben zufolge seit dem Start im Juli 2013 fehlerhafte Forderungen im Wert von ungefähr 70 Millionen Dollar gefunden. Das Team von Samin vermutet, dass der Schaden durch Missbrauch, falsche Gebühren und unabsichtliche Fehler allein in den Vereinigten Staaten bei etwa 20 Milliarden Dollar pro Jahr liegt. "Wir helfen den Menschen, Geld zu sparen", verspricht Samid: "Allein im ersten Jahr der Nutzung etwa 300 Dollar."

Billguard ist die Applikation gewordene Furcht vieler Menschen, dass der Bankberater den Bausparer womöglich doch nicht aus Altruismus empfohlen hat, bei der Bezahlung mit Kreditkarten stets etwas schiefgeht und dass auch Banken keineswegs sicher sind vor Hacker-Angriffen. Es gibt in diesem Bereich auch andere Anwendungen wie etwa Mint, Lifelock oder Credit Karma. Die jedoch schicken keine Sparangebote an die Nutzer, und das ist laut Samid das Alleinstellungsmerkmal seines Unternehmens. "Wenn jemand sehr oft bei einem bestimmten Geschäft einkauft und unsere App einen Coupon dafür findet, dann wird er über das Telefon an den Nutzer geschickt", sagt er.

Informationen über Kunden werden nicht verkauft

Die Applikation ist kostenlos, der Nutzer verknüpft nach der Anmeldung seine Bankdaten und Kreditkarteninformationen mit Billguard und bekommt danach verdächtige Aktivitäten mitgeteilt. Über das Ortungssystem etwa erfährt er sogleich, wenn eine Karte an einem Ort verwendet wird, wo er gerade gar nicht ist. Er kann jederzeit die Bewegungen auf seinen Konten kontrollieren oder überprüfen, in welchem Bereich er in letzter Zeit sehr viel Geld ausgegeben hat.

Spätestens jetzt freilich schrillen in den Gehirnen vorsichtiger Menschen die Alarmglocken: Eine App, die nichts kostet und bei der private Daten hinterlegt werden müssen - womit sollte sie sonst Geld verdienen als mit dem Verkauf dieser Informationen? "Das werden wir nicht tun", versichert Samid. Zusätzliche Angebote wie etwa die Suche nach persönlichen Informationen auf Internetseiten, die gestohlene Daten verkauft, können nach dem Erreichen einer kritischen Nutzerzahl (Samis spricht von zehn Millionen) kostenpflichtig werden. Für solche und andere Angebote ist Billguard kürzlich eine Kooperation mit ProtectMyID eingegangen, die App ist aber noch nicht in Deutschland verfügbar.

Natürlich ist Billguard ein Geschäft mit der Angst vieler Menschen. Es ist noch gar nicht mal so lange her, da galt es als überaus sicher, sein Geld zur Bank zu tragen. Heutzutage gehen die Menschen angeblich lieber zum Zahnarzt als zu ihrem Bankberater. Der Erfolg von Billguard und anderen Applikationen zeigt nun: Nicht gerade wenige Menschen denken, dass ihr Geld bei der Bank gar nicht mehr so sicher ist.

Die Digitalisierung hat die Finanzbranche voll erfasst, immer mehr Start-up-Unternehmen fordern die Banken heraus. In dieser Serie stellt die SZ die Angreifer vor.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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