Apple kooperiert mit Intel:Hertz der Finsternis

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Wenn der Jedi zu den Bösen geht: Apple setzt plötzlich auf Intel-Chips. Ist Steve Jobs verrückt geworden? Oder will er nur noch besser mitverdienen im kommenden Multimediageschäft? Von Bernd Graff

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Welch eine Bombe. Was für ein Rätsel. Ist das bärtige Genie endgültig verrückt geworden? Hat Apple-Chef Steve Jobs seine Gemeinde verraten? Oder war das wieder einer seiner Coups, die man erst im Nachhinein versteht?

Die Silhouette von Steve Jobs vor dem Logo seiner Firma (Foto: Foto: dpa)

Moment. Man muss ganz woanders anfangen: Microsoft gab kürzlich bekannt, die Spiele-Konsole "Xbox 360", die im Advent auf den Markt kommt, werde mit einem 3,2 Gigahertz-PowerPC-Chip ausgestattet. Also mit einem Prozessor, den IBM fertigt. Groß war daraufhin der Jubel - im Lager der Apple-Benutzer. Denn für deren Designer-Rechner liefert IBM seit über 10 Jahren PPC-Chips. Ein 3,2 GHZ-Rechner aber ist in den Apple-Labors bislang nicht gesichtet worden. So wuchs unter Jobs' Jüngern die Hoffnung, IBM werde bald auch Apple mit solcher Rechenleistung beglücken. Insgeheim erwartete deshalb die Gemeinde, dass Guru Steve Anfang der Woche auf der "Worldwide Developers Conference" (WWDC) in San Francisco die technische Weiterentwicklung des immer noch atemberaubend schönen Apple-Powerbooks und all seiner anderen Augenschmeichler verkünden würde. Denn was für Microsoft gut ist, sollte doch für Apple billig sein. Es kam anders. Ganz anders.

Steve Jobs ist immer noch der Klabautermann der Branche. Seine Outfits sind so legendär lässig wie sein gepflegter Dreitagebart. Und seine sogenannten "Keynotes" sind Ein-Mann-Shows, bei denen er die Trümpfe seiner Entwicklungsabteilung wie beiläufig aus dem Ärmel zieht. Unvergleichlich die damalige Ankündigung des iPods, den er mit den Worten "Ach, fast hätte ich es vergessen!" vorstellte. Am Montag war wieder Keynote-Tag. Doch diesmal hinterließ er neben frenetischem Jubel auch Entsetzen: Jobs verkündete den Abschied von den IBM-Chips und zugleich die künftige Kooperation mit dem größten IBM-Rivalen und dem "Klassenfeind" der Macwelt schlechthin: mit Intel.

Doppelleben auf dem Campus

Ab dem 06.06.'06 werden erste Macs den hässlichen "Intel inside"-Aufkleber tragen, bis 2008 sollen alle Neu-Macs mit neuen Hertz-Implantaten versehen sein. IBM wird wegen dieses Wechsels wohl einen Image-Verlust zu verkraften haben, aber keinen wirtschaftlichen Schaden. Der Apfelgarten ist im Computerbereich nämlich immer kleiner geworden. Nach Erhebungen des Marktforschungsinstituts IDC hält Apple weltweit nur noch einen Marktanteil von 2,3 Prozent. 1993, in den Anfängen der PPC-Ära, waren es noch neun Prozent. Den Verlust des kapriziösen Kunden Apple wird IBM also überleben, zumal lukrative Aufträge nicht nur von Microsoft, sondern auch von anderen Konsolen-Herstellern wie Sony und Nintendo winken. Alle wollen den PPC - nur eben Apple nicht mehr.

"Warum hat er das getan", fragen sich die Nutzer des Forums "Macuser.de" verwundert und verbittert. Und die Foren-Server brechen unter der Last der Anfragen zusammen. Kein Wunder: "Viele von Apples unverbesserlichen Loyalisten verstanden sich selbst und den Mac bislang als Jedi-Ritter gegen das Reich des Bösen - Microsoft und Intel", erklärt der Analyst Shaw Wu. Jobs' Hiebe gegen die "Wintel"-Fraktion (so das spöttische Insider-Kürzel für Microsofts "Windows" und "Intel") sind allen noch im Gedächtnis. Und ausgerechnet die, genau die!, liefern nun das Giga-Hertz aller Apples. Noch schlimmer - Jobs gab zu, dass bereits seit fünf Jahren, in all der Zeit also, in der er vor seinen Jüngern so süffisant über Intel herzog, im Hintergrund an der Umsetzung dieser Kooperation gearbeitet werde. "Wir haben ein geheimes Doppelleben auf dem Apple-Campus geführt", so Schelm Jobs.

Nun fürchten die einen, damit schwinde die Differenz zur verhassten Windows-Welt und also auch der feine Unterschied. Und sie haben Angst, mit einem Mal auf altem Plunder zu sitzen. Oh Gott, so stöhnen sie, bald gibt es unser wunderbares Betriebssystem "Mac OS Tiger" auf jedem Billig-PC. Weshalb sich umgekehrt viele Windows-Nutzer schon die Hände reiben. Denn die splendid isolation, also die Festlegung auf die IBM-Chips, verhinderte bislang auch, dass das Apple-Betriebssystem auf normalen PCs laufen konnte. Das wird sich wohl ändern, auch wenn Jobs das Gegenteil beteuert. Aber was glaubt man dem denn noch! Für die angekündigte Auslaufphase der PPCs soll aus dem "Tiger" denn auch schon eine "Rosetta" werden.

Dieser verzagten Zähneknirscher-Abteilung stehen andere, pragmatischere Mac-Nutzer entgegen. Ihnen ist - so ein Forennutzer - "völlig wurst, ob ein IBM G5 oder Intel XY in der Mühle läuft. Hauptsache, das System läuft. Ist doch egal, was für ein Rechenknecht unter der Haube werkelt!" Diese Realos vermuten, dass Apple nach dem phänomenalen iTunes-iPod-Erfolg seine Marktmacht nun auch wieder im Computerbereich festigen werde und dass die künftigen Powermacs dank des günstigeren Chip-Einkaufs sogar billiger werden könnten.

Eines aber lässt auch sie argwöhnen: Schon am Montag verkündete Microsoft, dass es seine Office-Pakete auch für die künftigen Intel-Macs anbieten werde. Diese eigentlich beruhigende Ankündigung kam verdächtig schnell. Viele befürchten, dass das übermächtige Softwareimperium seinen Einflussbereich nun auch auf Apple ausdehnen könnte.

Mit dem Chip-König Intel arbeitet Microsoft schon seit einiger Zeit an einer Wunderwaffe, die mal "Palladium", mal "Digital Rights Management" (DRM) oder auch "Trusted Computing Platform Alliance" (TCPA) genannt wird. Dahinter verbirgt sich ein Kopierschutz fürs Multimediageschäft, also für Film- und Ton-Aufnahmen, Software und elektronische Bücher. Das Revolutionäre daran: Der Schutz wird in die Chips selber eingebaut. Damit könnten Digital-Kopien mit einer eindeutigen Geräte-Identifikation versehen werden. Man kann dann nur noch sehen und hören, was für genau einen Chip freigeschaltet ist.

Das aber geschieht über die Zentralrechner der Rechteinhaber. Kritiker übersetzen DRM darum auch mit Digital Restriction Management und führen an, dass der Datenschutz bei einer solchen Identifizierbarkeit nicht mehr gewährleistet ist. Nachdem nun Apple mit im Intel-Boot sitzt, steht zu fürchten, dass die Mac-Insel der seligen Individualisten auch wegen dieser befürchteten Überwachung von Daten auf immer verloren ist.

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