Apple-Chef Steve Jobs:Opfer des Bürger-Journalismus

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Eine Website von CNN verbreitete die Nachricht, dass Steve Jobs einen Herzinfarkt erlitten hatte - eine Falschmeldung mit Folgen.

N. Piper

Es gibt Firmen, bei denen kommt es wirklich auf den Chef an. Das gilt ganz sicher für den Computer-Konzern Apple und dessen ebenso charismatischen wie dickköpfigen Chief Executive Officer Steve Jobs. Der heute 53-Jährige hatte Apple 1976 in einer Garage gegründet.

Er erfand das Prinzip des Schreibtisch-Computers, verließ sein Unternehmen 1985 im Streit, kehrte 1996 zurück und veränderte die Welt mit Produkten wie dem iMac, der Software iTunes und zuletzt dem iPhone. Einen Skandal um rückdatierte Aktienoptionen überstand er unbeschädigt. Niemand kann sich Apple ohne ihn vorstellen.

Umso größer war der Schock, als am Freitag ein gewisser "johntw" im Internet folgende Nachricht platzierte: "Steve Jobs wurde vor ein paar Stunden in die Notaufnahme gebracht, nachdem er zuvor einen schweren Herzinfarkt hatte. Ein Insider berichtete mir, dass die Sanitäter gerufen wurden, nachdem Steve über heftige Schmerzen in der Brust und Atemnot geklagt hatte.

Meine Quelle möchte anonym bleiben, ist aber sehr verlässlich." Der Aktienkurs von Apple brach um 5,7 Prozent ein und erholte sich erst wieder, als Apple hart dementierte: Die Geschichte war frei erfunden. Und irgendjemand dürfte mit den Kursausschlägen viel Geld verdient haben

Nun ist das Internet seit jeher eine ergiebige Quelle von Falschmeldungen. Finanzjournalisten und Börsenhändler werden jeden Tag mit anonymen E-Mails überschüttet, in denen die einen Aktien empfohlen werden und vor den anderen gewarnt wird. Ganz zu schweigen von den Bloggern, die genau wissen, dass die Juden und die CIA das World Trade Center in die Luft gesprengt haben und dass morgen die Welt untergeht.

Warum also hat diese Falschmeldung mit dem Herzinfarkt die Weltbörsen bewegt? Schließlich war sie so formuliert, dass auch der Leichtgläubigste hätte stutzig werden müssen. Zwei Gründe gibt es dafür: Erstens ist Steve Jobs ein dankbares Objekt für Gerüchte, weil er so wichtig für Apple ist und weil er 2004 schon einmal wegen eines Tumors an der Bauchspeicheldrüse operiert wurde.

Noch wichtiger allerdings war, dass die Falschmeldung nicht irgendwo lief, sondern auf einer Internetseite von CNN. Der Fernsehsender ist Betreiber der Plattform iReport.com, auf der Zuschauer Nachrichten und Videos platzieren können. CNN beschreibt sie als "Seite, die vollkommen von den Nutzern gestaltet und deren Inhalt von deren Gemeinschaft bestimmt wird". Man helfe der Börsenaufsicht SEC bei der Aufklärung des Falles.

Damit redet CNN das Problem allerdings klein, denn iReport.com bezieht seine Glaubwürdigkeit vom Markennamen CNN. Umgekehrt versucht CNN, mit seiner Hilfe neue Zuschauer an sich zu binden.

Das Konzept des "Bürgerjournalismus" - die meist kostenlose Beschäftigung von Amateur-Reportern - wird auch anderswo erprobt. In Deutschland zum Beispiel will die Bild-Zeitung Leser-Videos auf ihre Internet-Seite stellen. Und hier gibt es ein Grundsatzproblem: Zwar sinkt die Zutrittsschwelle zur Massenkommunikation für Normalbürger, es sinkt aber eben auch die Qualitätsschwelle. Steve Jobs weiß davon ein Lied zu singen.

© SZ vom 06.10.2008/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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