Abzocker-Tricks:Pizza diabolo für 59,90

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Im Skandal um verkaufte Bankdaten geht es um unerlaubte Kontoabbuchungen und perfide Verträge. Verbraucherschützerin Carmen Gahmig kennt die Tricks der Abzocker.

Marco Völklein

SZ: Frau Gahmig, sind bei Ihnen auch schon Fälle aufgetaucht, wo Gauner per Lastschrift Geld von Konten abgebucht haben?

Verbraucherschützerin Carmen Gahmig (Foto: Foto: oH)

Carmen Gahmig: Oh ja, erst im Juni sind bei uns Beschwerden von Verbrauchern eingegangen. Damals hatte ein "Bundesverband Verbraucherservice" bei den Leuten angerufen und angeboten, vor unerwünschten Werbeanrufen zu schützen. Den Jahresmitgliedsbeitrag von 59,90 Euro wollten die Gauner direkt vom Konto des Angerufenen abbuchen. Die Kontodaten lagen dem Anrufer bereits vor.

SZ: Woher kamen diese Daten?

Gahmig: Das ist uns auch nicht ganz klar. Wir haben die Verbraucher gefragt, ob sie zum Beispiel regelmäßig bei einem bestimmten Versandhaus bestellen oder etwas ähnliches. Die meisten sagten, dass sie SKL gespielt hätten.

SZ: Worüber beklagen sich die Verbraucher bei Ihnen derzeit am meisten?

Gahmig: Über Werbeanrufe, mit denen sie massenhaft belästigt werden.

SZ: "Sie haben gewonnen!" - solche Anrufe gehen den Menschen auf die Nerven?

Gahmig: Wenn es bloß das wäre. Viel schlimmer ist, dass die Anbieter den Verbrauchern dabei auf eine perfide Art Verträge unterschieben. Und viele Verbraucher gar nicht erkennen, dass sie handeln und sich zur Wehr setzen müssen.

SZ: Die Leute wollen sich nicht wehren?

Gahmig: Viele wissen nicht, dass sie auch am Telefon einen rechtsgültigen Vertrag abschließen können. Das ist wie bei einer Pizza-Bestellung: Auch da wird am Telefon ein Vertrag geschlossen, ohne dass man ein Stück Papier unterzeichnet. Oft läuft es so: Eine Telefongesellschaft ruft bei einem Kunden zu Hause an und verwickelt ihn in ein Gespräch, nach dem Motto: Wollen Sie nicht auch 50 Euro Telefonkosten im Monat sparen? Klar, wer will das nicht. Die meisten sagen dann: Okay, schicken Sie mir mal Informationsmaterial zu. Und schon sitzen sie in der Falle.

SZ: In welcher Falle genau?

Gahmig: Statt einer Infobroschüre kommt ein Begrüßungsschreiben: Herzlich willkommen, schön, dass Sie sich für unseren Tarif XY entschieden haben. Das Unternehmen behauptet einfach, es wurde während des Telefonats ein Vertrag geschlossen. Über kurz oder lang wird die Firma Ihnen Rechnungen schicken, Mahnungen zusenden oder gar ein Inkassobüro einschalten. Haben Sie am Telefon auch ihre Kontodaten angegeben, wird das Geld auch direkt abgebucht.

SZ: Um das zu verhindern, muss man rasch reagieren?

Gahmig: Richtig. Auch wenn ich nichts unterschrieben habe und mir sicher bin, dass ich am Telefon in nichts eingewilligt habe, muss ich mich damit auseinandersetzen. Man sollte den Anbieter auffordern, einen Nachweis für den Vertragsschluss zu erbringen; gleichzeitig sollte man vorsichtshalber den Vertrag widerrufen, unter Umständen auch wegen arglistiger Täuschung anfechten oder mit Betrugsanzeige drohen. Gar nichts zu unternehmen - das wäre grundfalsch.

SZ: Es liegt dann an der Firma, zu beweisen, dass ein Vertrag zustande kam?

Gahmig: Ja. Es ist auch schon vorgekommen, dass die Firma das Gespräch wegen angeblicher Qualitätskontrollen aufgezeichnet hat. Auf unseren Hinweis hin, dass kein Vertrag geschlossen wurde, hat uns die Firma dann eine Audio-Datei per Mail geschickt, und wir konnten uns am PC anhören, wie der Verbraucher mehrmals gefragt wurde: Möchten Sie den Anbieter wechseln? Wollen Sie künftig über den Anbieter XY telefonieren? Und er mehrmals deutlich Ja gesagt hat. Am Ende hatte er dann zwar eingeschränkt: Das möchte ich jetzt doch lieber erst noch mit meiner Frau besprechen - aber dieser Gesprächsteil war auf der Audio-Datei weggeschnitten worden. Dies lässt sich allerdings kaum beweisen.

SZ: In Berlin arbeitet die Regierung gerade an einem Gesetz gegen die Tricks der Abzocker. Hilft das den Verbrauchern?

Gahmig: Ich denke, die Abzocke wird trotz des Gesetzes weitergehen. Wichtig wäre, das Handschlag-Verfahren abzulösen und verbindlich vorzuschreiben, dass jeder telefonisch geschlossene Vertrag nachher schriftlich bestätigt werden muss. Das sieht aber der Entwurf der Bundesregierung nicht vor.

Carmen Gahmig arbeitet bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

© SZ vom 13.08.2008/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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