Abschied vom gedruckten Brockhaus:"Eine starke emotionale Marke"

Lesezeit: 2 min

Nach über 200 Jahren zieht der Brockhaus ins Internet um. Verleger Andreas Langenscheidt über die neue Strategie und welche Nachschlagewerke folgen werden.

Caspar Busse

Andreas Langenscheidt, 55, ist geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Verlagsgruppe aus München. Zum Unternehmen, das sich in Familienbesitz befindet, gehört neben vielen anderen Marken (Duden, Polyglott, Berlitz) mehrheitlich der Brockhaus-Verlag in Mannheim. In der vergangenen Woche hatte die Ankündigung, dass der Brockhaus nach über 200 Jahren ins Internet umzieht, für Wirbel gesorgt. Der Verkauf der 30-bändigen Enzyklopädie, die 2005 als 21. Ausgabe erschien, läuft nicht wie erhofft. Brockhaus macht Verluste.

Andreas Langenscheidt, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Verlagsgruppe (Foto: Foto: Langenscheidt)

SZ: Herr Langenscheidt, die Brockhaus-Enzyklopädie des 21. Jahrhunderts soll die letzte gedruckte sein. Ist Ihnen die Entscheidung schwergefallen?

Andreas Langenscheidt: Eine Entscheidung ist überhaupt nicht gefallen: Es ist nur die letzte Brockhaus-Groß-Enzyklopädie mit 30 Bänden aus der heutigen Sicht. Nehmen Sie die Encyclopædia Britannica, die vor einigen Jahren als Buchausgabe aufgegeben wurde, erst als CD-Rom erschien und sich später aufgrund sinkender Nachfrage in den USA schließlich zum Online-Angebot weiterentwickelte. Seit über einem Jahr gibt es erstaunlicherweise wieder eine erfolgreiche Printausgabe. Da wir technologisch in der Datenerstellung und -speicherung gut aufgestellt sind, könnten wir später auch wieder in kleinen Auflagen bei entsprechender Nachfrage weiterhin Enzyklopädien in Printform anbieten.

SZ: Ist das denn wahrscheinlich?

Langenscheidt: Wie sich hierzulande die Nachfrage entwickeln wird, wissen wir heute noch nicht. Entscheiden werden wir es auf Basis der jeweiligen Marktgegebenheit.

SZ: Werden dem Brockhaus andere Nachschlagewerke ins Internet folgen?

Langenscheidt: Da sich im Bereich der Nachschlagewerke "A-Z", der etwa 20 Prozent des Brockhaus-AG-Umsatzes ausmacht, das Mediennutzungsverhalten am stärksten und schnellsten verändert und das entsprechende Auswirkungen auf das Geschäft hat, gehen wir hier bewusst als Erstes den Schritt in Richtung Online. Sach- und Themenlexika oder andere Programmbereiche bleiben von den Entwicklungen unberührt. Diese Segmente verzeichnen auf allen Medienformen respektable Zuwächse.

SZ: Manche Menschen, insbesondere ältere, wollen sich gar nicht von Buchausgaben trennen.

Langenscheidt: Haptische und emotionale Komponenten spielen in unserem Produktportfolio seit jeher eine wichtige Rolle. Es gibt Inhalte, Umgebungen und Situationen, in denen das Buch höchstwahrscheinlich auch künftig nicht ersetzt werden kann.

SZ: Haben Sie mit einem solchen öffentlichen Aufschrei auf die Brockhaus-Entscheidung gerechnet?

Langenscheidt: Wir waren uns natürlich bewusst, dass ein solcher Schritt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wir sehen an der Resonanz, dass die Marke Brockhaus stark und offensichtlich außerordentlich emotional besetzt ist. Das ist ein positives Signal und stimmt mich außerordentlich zuversichtlich für unsere Online-Vorhaben.

SZ: Das ist eine neue Strategie für den Brockhaus. Kann dies angesichts der starken Konkurrenz im Netz zu einem Erfolg werden?

Langenscheidt: Brockhaus steht für sichere, relevante, recherchierte und geprüfte Informationen, so wollen und werden wir auch das neue Angebot positionieren. Wir laden zum Beispiel gezielt Autoren oder auf Fachgebiete spezialisierte Institute und Verbände ein, uns Beiträge zu liefern. Unserem Markenversprechen folgend sorgen wir so und mit einer Vielzahl an Redakteuren für die Verlässlichkeit der Inhalte. Damit unterscheidet sich das Angebot konzeptionell deutlich von anderen Anbietern.

SZ: Sie spielen auf den Konkurrenten Wikipedia an. Wie soll sich das Internetangebot denn finanzieren?

Langenscheidt: Wir sind überzeugt, dass unser Portal so hochwertig und attraktiv ist, dass wir damit einen hohen Traffic auf unserer Plattform erzeugen und entsprechende Werbeerlöse erzielen. Kooperationen mit großen Medienpartnern und Eigenvermarktung, auch in der Gruppe, sind weitere Standbeine.

SZ: Angeblich planen Sie bei Brockhaus eine Zusammenarbeit mit der Zeit.

Langenscheidt: Die Zeit ist seit vielen Jahren ein wichtiger Kooperationspartner für unsere Verlagsgruppe. In der Tat führen wir derzeit intensive Gespräche über eine Zusammenarbeit. Dies tun wir aber auch mit verschiedenen weiteren Medienpartnern, die uns für Brockhaus-Online interessant erscheinen.

© SZ vom 20.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: