Viagra und die Jäger:Segen und Fluch

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Als die Potenzpille Viagra auf den Markt, waren Bayerns Jäger in Sorge. Die Preise für Rotwild würden fallen, weil Asiaten nicht mehr natürliche Aphrodisiaka kaufen würden. Nun gibt es Entwarnung.

Rudolf Neumaier

Viagra hat eine ähnliche Wirkung wie Kunstdünger. Wo die Chemie hier Mais auf ausgezehrten Äckern in die Höhe schießen lässt, dass es eine Freude ist, spendet sie dort lahmen Lenden neue Kraft. Die wenigsten Männer würden zugeben, dass sie das Zeug jemals nötig hätten.

Ein röhrender Rothirsch (Foto: Archivfoto: dpa)

Doch die meisten werden eingedenk zahlreicher leidender Geschlechtsgenossen mitfrohlocken bei den Hymnen, die aus Anlass des zehnten Jahrestages der Entdeckung von Viagra angestimmt werden. Nicht einmal die Jäger im bayerischen Oberland klagen noch über die Potenzpille und die globalen Folgen ihrer Verbreitung. Gar bitter haderten sie einst, wir erinnern uns.

Ihre These lautete: Viagra macht die Rotwild-Preise kaputt. Und die Geschichte dahinter klang durchaus schlüssig. Es war nämlich so, dass die Männer in Südostasien bis zur Erfindung von Viagra auf ein Wunderpulver setzten, welches aus dem Bast von Hirschgeweihen gewonnen wurde. Und die Asiaten, erzählten die Jäger im Oberland, waren ziemlich scharf auf das Präparat. So scharf, dass die Hirschzüchter in Neuseeland auf ihren riesigen Farmen kaum mit der Produktion nachkamen. Was, nebenbei bemerkt, für Naturprodukte auch im Bereich des Sexuellen spricht.

Weil aber die Männer in Südostasien glauben, dass sie die moderne Chemie höher, schneller und weiter bringt, war das Schicksal des Hirschgeweih-Pülverchens mit dem Tag besiegelt, an dem ihre Apotheken Viagra feilboten. Und die Neuseeländer standen mit ihren Hirschen da.

Sie wären schlechte Geschäftsleute, wenn sie nicht auf den Trichter gekommen wären, dass sich mit den Tieren auch anderweitig Geld verdienen lässt. Also warfen sie das Hirschfleisch auf den Weltmarkt - viel günstiger natürlich als die Jäger im bayerischen Oberland, bei denen der Preis für das Kilo Rotwild von zehn auf vier Mark fünfzig hinabsauste. "Scheiß Viagra", hörte man es im Wirtshaus zischen.

Anton Krinner, der Leiter der Hochwild-Hegegemeinschaft Isarwinkel, machte das Problem damals publik. Gott sei Dank, sagt er heute, hat es sich erledigt. Der Preis habe sich erholt, der Bedarf an Rotwild sei so hoch, dass die Jäger kaum mehr mit dem Schießen nachkommen. Die Ursache ist weniger komplex als bei Viagra: die Gammelfleisch-Skandale.

© SZ vom 27.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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