Universität Eichstätt:Zwischen Angst und Aufbruch

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Nachdem der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke den Kanzler der Hochschule vor die Tür gesetzt hat, herrscht ein Klima der Verunsicherung.

Christine Burtscheidt

Der 16. Juni 2008 wird an der Katholischen Universität Eichstätt als Tag der Entscheidung haften bleiben. Während Bischof Gregor Maria Hanke mit dem Speyerer Wissenschaftsmanager Rudolf Fisch und dem Dresdner Althistoriker Gert Melville die neue Interimsführung vorstellte, wurde Uni-Kanzler Freiherr Gottfried von der Heydte mit sofortiger Wirkung vom Dienst beurlaubt.

Gregor Maria Hanke hat den Kanzler der Universität Eichstätt abserviert. (Foto: Foto: dpa)

Gleichzeitig beschlagnahmten Wirtschaftsprüfer Computer der Hochschulverwaltung, als sei die Staatsanwaltschaft tätig. Mitarbeiter mussten den Eindruck gewinnen, sie wohnten der Aufdeckung eines großen Betrugs- oder Wirtschaftsskandals bei, an dem sie unwissentlich beteiligt waren. Seitdem herrscht Kontaktverbot zum Kanzler, die Büros der Verwaltung sind abgeschlossen und Vertrauensleute der Kirche im Einsatz, um schockierten Mitarbeitern therapeutische Hilfe angedeihen zu lassen.

Die Stimmung an der Universität schwankt zwischen Angst und Aufbruch. Aufbruchslust herrscht unter den Professoren, weil Bischof Hanke mit Fisch und Melville keine "vatikanischen Hardliner" an die Spitze der Universität holte. Im Gegenteil, Melville war ein Wunschkandidat der Dekane der acht Fakultäten für das Präsidentenamt. Sie konnten sich damit jedoch nicht beim Vorsitzenden des Hochschulrats und ehemaligen Rektor der Regensburger Universität, Helmut Altner, durchsetzen, der für das Wahlverfahren zuständig ist.

Befreit fühlen sich viele Uni-Mitglieder auch von einem Kanzler, der die Hochschule so "selbstherrlich wie ein ostelbischer Landjunker" sein Gut geführt haben soll. Angst löst hingegen weiterhin das "rüde Vorgehen" des Bischofs aus, der einmal wieder keine Gründe dafür nennt und erst auf öffentlichen Druck hin 24 Stunden später in einer Pressemitteilung erklärt: Es lägen konkrete Anhaltspunkte für eine nicht durchgängig sach- und fachgerechte Amts-, Haushalts- und Wirtschaftsprüfung vor.

Einig ist man sich in der Hochschulszene über Eichstätt hinaus, dass etwas "Massives" vorgefallen sein muss. Alles andere rechtfertige das Vorgehen des Bischofs nicht. Aus Kreisen der Kirche hieß es, dass von der Heydte den Bischöfen zu mächtig geworden sein soll, da er in "Haushaltsdingen quasi frei schalten und walten konnte", ohne dass nachvollziehbar gewesen sei, nach welchen Kriterien er überhaupt noch Mittel vergab.

Tatsächlich galt der Kanzler jahrelang als graue Eminenz. Auch dass er als oberster Haushaltswächter an der ein oder anderen Stelle getrickst haben mag, wollen viele Professoren glauben. "Was aber blieb ihm auch übrig, nachdem die Kirche unseren Haushalt 2001 gedeckelt hat und ständig Löcher gestopft werden mussten", verteidigt man nun denjenigen, den man nie mochte.

Selbst der ehemalige Präsident der Universität, Ruprecht Wimmer, der stets im Schatten des dominanten Kanzlers stand und meist mit ihm im Streit lag, ist sich sicher: "Es gab nie den geringsten Verdacht, dass der Kanzler gegen das Gesetz verstößt oder gar kriminell agiert." Doch neben dem Vorwurf einer intransparenten Amtsführung gibt es noch weitere drei Kritikpunkte, die der Bischof in den vergangenen Tagen an der Wissenschaftsadministration und damit von der Heydte übte.

Erstens habe diese ihm die neue Grundordnung der Universität auf den Tisch gelegt, kaum dass er eine Woche im Amt gewesen sei. Damit habe er nur noch die Möglichkeit gehabt, dem Entwurf "zähneknirschend" zuzustimmen. Zweitens sei er von der Wissenschaftsadministration aus dem Wahlverfahren ausgegrenzt worden, das schließlich zu dem aus seiner Sicht untauglichen Präsidentenkandidaten und Regensburger Religionspädagogen Ulrich Hemel führte. Und drittens, das machte das bischöfliche Ordinariat nun publik, sei von der Heydtes unbefristete Bestellung zum Kanzler genau in die "Sedisvakanz" gefallen, also die Übergangszeit in Eichstätt, in der Hanke noch nicht die Amtsgeschäfte übernommen hatte, sein Vorgänger Walter Mixa jedoch bereits nach Augsburg gegangen war.

All die Vorwürfe sind aus Sicht vieler Professoren nicht stichhaltig, weil der Träger der Hochschule eine Teilschuld daran hat. Den unbefristeten Vertrag des Kanzlers beispielsweise unterzeichnete der Stiftungsrat. In der Zeit der "Sedisvakanz" leitete diesen der Papstvertraute und Regensburger Professor, Reinhard Richardi. Der neuen Grundordnung, deren Abfassung im Zuge der bayerischen Hochschulreform erforderlich wurde, hätte Bischof Hanke nicht zustimmen müssen, heißt es weiter.

Ein Hinweis beim Wissenschaftsministerium auf mögliche Fehler hätte wohl genügt, um eine Fristverlängerung zu erwirken. Ebenso wenig hätte Hanke Hemel als einzigen Kandidaten akzeptieren müssen. Zumal auch die Dekane der Hochschule damit höchst unzufrieden gewesen sein sollen und geraten haben, die Wahl platzen zu lassen. Der Vorschlag blieb jedoch unerhört. Entscheidenden Anteil daran soll der Hochschulratsvorsitzende Altner gehabt haben, der wie Richardi weiterhin im Amt tätig sein darf.

Der Kanzler wird wie Hemel von Professoren als "Bauernopfer" des Bischofs gesehen, um von den eigenen Versäumnissen abzulenken. Verständnislos reagierten gestern auch die bayerischen Universitätsrektoren auf Hankes Hochschulpolitik. Man beobachte mit brennender Sorge die streitigen Personalentscheidungen, sagte der Sprecher der Rektoren, Alf Zimmer. Die Einsetzung zweier externer Kommissare verstoße gegen das Grundprinzip der Wissenschaftsfreiheit.

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