Streit um Straßennamen:Heikles Erbe

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Auch in Bad Tölz ist eine Diskussion über die Hindenburgstraße entbrannt. (Foto: Manfred Neubauer)

Hindenburg unerwünscht: In vielen bayerischen Kommunen tobt ein heftiger Streit um die Änderung von Straßenschildern, deren Namen an die NS-Zeit erinnern. In Garmisch-Partenkirchen erzwangen die zornigen Gegner nun sogar einen Bürgerentscheid. Und auch Bad Tölz diskutiert über Hindenburg.

Von Hans Kratzer, Heiner Effern und Katja Auer

Als die Rede auf Paul von Hindenburg kam, gab es kein Halten mehr im Saal des Garmisch-Partenkirchener Rathauses. "Einen solchen Tumult habe ich in noch keiner Sitzung erlebt", sagt Peter Samstag, Fraktionssprecher des Christlich Sozialen Bündnisses (CSB), dem Bürgermeister Thomas Schmid vorsteht. Von der Besucher-Empore seien noch heftigere Zwischenrufe gekommen als im Streit um die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele.

Die Gemeinderäte ließen sich aber nicht beeindrucken und beschlossen mit einer Mehrheit von 21:7 Stimmen, die Hindenburgstraße umzubenennen. "Hindenburg ist umstritten, er war ein Kriegsherr. Da gibt es verdienstvollere Bürger, die wir ehren können", sagt Samstag. Doch mit solchen Argumenten drangen die Gemeinderäte nicht durch: Die zornigen Gegner einer neuen Straße erzwangen einen Bürgerentscheid, der an diesem Sonntag abgehalten wird.

Auf der Tribüne saßen damals auch Corinna Strebert und Joachim Sproll, Anwohner der Hindenburgstraße. Sie sind bis heute extrem sauer über die Umbenennungspläne und organisieren nun den Widerstand. Man dürfe "Geschichte nicht tilgen" durch eine Umbenennung der Straße, sagt Corinna Strebert. "Hindenburg war gut und schlecht, aber er ist Teil unserer Geschichte."

Sie fühlt sich wegen ihrer Haltung von den Befürwortern verunglimpft. "Die wollen uns in die rechte Ecke stellen. Wir sind aber keine Rechtspopulisten", sagt Strebert. Besonders ungehalten ist sie darüber, dass die Gemeinderäte die Entscheidung über die Köpfe der Bürger hinweg getroffen hätten. "Es gab nie eine offen Diskussion."

Auch Bad Tölz diskutiert über Hindenburg

Dass die Auseinandersetzung um die Hindenburgstraße dermaßen eskaliert, hätte in Garmisch-Partenkirchen niemand für möglich gehalten. Auch in Bad Tölz ist eine Diskussion über Hindenburg entbrannt. Bürgermeister Josef Janker (CSU) hat sich für die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde ausgesprochen. Die SPD will aber auch die Hindenburgstraße umbenennen, doch in diesem Punkt zeigt sich der Bürgermeister reserviert. Er will sich mit der Person Hindenburg auf eine andere Weise auseinandersetzen, eventuell mit einer Gedenktafel.

In Coburg lehnte der Stadtrat im März eine Umbenennung der Hindenburgstraße ab. Die regierende SPD und die Grünen hatten das beantragt, im Laufe der Diskussion hatten die Sozialdemokraten ihren Antrag aber zurückgezogen. Zu viele praktische Schwierigkeiten hätte die Änderung des Straßennamens mit sich gebracht, schon deswegen, weil in der Hindenburgstraße viele Unternehmen ansässig sind.

Die örtliche CSU beurteilte die Diskussion als lächerlich. Die deutsche Geschichte lasse sich nicht mit der Änderung von Straßennamen revidieren, argumentierte der CSU-Fraktionschef Hans-Herbert Hartan.

Nicht nur in Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz und Coburg wird über Straßen gestritten, die Anhängern oder Wegbereitern des Nationalsozialismus gewidmet sind. Die Stadt Augsburg lässt gerade überprüfen, welche Straßen Namen belasteter Personen tragen. Die Bischof-Meiser-Straße in Ansbach wird auch künftig so heißen, beschloss kürzlich der Stadtrat - obwohl auch dem Kirchenmann eine zu große Nähe zum Nazi-Regime nachgesagt wird.

Für Eckart Dietzfelbinger, Mitarbeiter im Dokuzentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, kommen die Diskussionen über das Namenerbe aus der NS-Zeit und aus den Jahren danach nicht überraschend, sondern gerade pünktlich. Etwa 80 Jahre nach einem Ereignis wandle sich nämlich das Erinnerungsverhalten der Menschen, sagt er. Wenn die letzten Zeitzeugen sterben und das Gedenken nur noch über Kommunikation möglich sei, bedeute das immer einen Umbruch. Vieles werde infrage gestellt, besonders weil sich in der Zwischenzeit der Kenntnisstand über Handlungen oder Personen stark verändert habe.

Ein typisches Zeichen der Konflikte, die dann losbrechen, sei eine hohe Emotionalität. "Der Streit wird dann meist unerbittlich und unversöhnlich geführt. Einsicht gibt es da nicht", sagt Dietzfelbinger.

"Die sollen lieber die Löcher in den Straßen schließen"

Paul von Hindenburg ist ein gutes Beispiel für die veränderte Wahrnehmung einer historischen Person. Das Bild des Kriegshelden und Reichspräsidenten, der geschickt an seinem Charisma gefeilt hat, ist lange Zeit verklärt worden. Die moderne Geschichtsforschung, etwa die Hindenburg-Biografie von Wolfram Pyta (2007), hat das Bild von Hindenburg verändert.

Nun wird deutlich, dass dieser Präsident die Weimarer Republik nicht etwa unter den Einflüsterungen preußischer Junker, sondern aus freiem Willen den Nationalsozialisten auslieferte. Ausschließlich die Nazis betrachtete er als die wahren Erben seiner nationalen Vorstellungen und Überzeugungen. Hindenburgs fatale politische Rolle und seine persönliche Verantwortung für die Katastrophe Deutschlands tritt nun unübersehbar hervor.

Die Biografie von Pyta wird auch in Garmisch-Partenkirchen als Beleg herangezogen, warum die Straße umbenannt werden soll. Doch die Gegner sehen dennoch nicht ein, dass Hindenburg als Namensgeber für eine Straße untragbar geworden sei. Zum emotionalen Streit über die Historie kommen in Garmisch-Partenkirchen, aber auch in Coburg die praktischen Folgen einer Straßenumbenennung. Die Anwohner müssten ihre Adressen ändern, vom Reisepass bis zum Internet-Konto bei Dienstleistern.

"Früher war das kein Problem, da gab es nur Telefon und Postadresse", sagt Corinna Strebert. Und es entstehen Kosten auch bei der Gemeinde. "Die sollen lieber die Löcher in den Straßen schließen als eine umbenennen", sagt Anwohner Joachim Sproll.

© SZ vom 20.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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