Stoibers Rücktritt und seine Folgen:Einfacher Wechsel, komplizierter Fahrplan

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Wie Günther Beckstein in sein neues Amt kommen wird und warum er eine Woche alleine regieren könnte.

Von Christine Burtscheidt und Kassian Stroh

Auf welche Weise Edmund Stoiber den vermutlich schwersten Schritt seiner Karriere bewältigen wird, ist nicht bekannt. Er kann ins Maximilianeum einen Boten mit einem Brief schicken, er kann Landtagspräsident Alois Glück anrufen, er kann auch am 25. September vor dem Landtag eine Erklärung abgeben - der Inhalt wird stets der gleiche sein: Hiermit trete ich zum 30. September zurück.

Edmund Stoiber beäugt seinen mutmaßlichen Nachfolger Günther Beckstein. (Foto: Foto: dpa)

Für alle Formen gibt es historische Vorbilder. Hanns Seidel (CSU) teilte seinen Rücktritt 1960 dem Parlamentspräsidenten schriftlich mit, Wilhelm Hoegner (SPD) 1957 am Telefon. 1946 war Hoegner schon einmal zurückgetreten - damals erklärte er das in einer Rede vor dem Landtag.

Auf dieselbe Weise verabschiedete sich Max Streibl (CSU) vor 14 Jahren aus dem Amt. Was Edmund Stoiber plant, ist aus der Staatskanzlei nicht zu erfahren. Klar ist aber, was er in Gang setzen wird. Denn so wenige Rücktritte es in der bayerischen Nachkriegsgeschichte gab - eben die erwähnten vier -, so genau ist die Zeit des Übergangs geregelt.

Bis zur Wahl von Günther Beckstein zum neuen Regierungschef am 9. Oktober führt der alte die Geschäfte weiter - so er nicht ausdrücklich widerspricht, was Stoiber laut Staatskanzlei nicht tun wird.

Mit ihm bleiben auch die Minister und Staatssekretäre im Amt - aber nur kommissarisch, da laut Verfassung der Rücktritt des Chefs automatisch den Rücktritt seiner gesamten Regierung nach sich zieht. "Wir hängen wie eine Perlenkette aneinander", sagt ein Kabinettsmitglied. Die Kompetenzen dieser Interimsregierung sind nicht eingeschränkt. Sie könnte auch Gesetzentwürfe verabschieden.

Nur eine Ausnahme ist klar geregelt: Die Vertretung Bayerns nach außen geht mit Stoibers Rücktritt auf Landtagspräsident Glück über. Für die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Schwerin ist das jedoch nicht relevant: Laut Innenministerium ist dort für den 3.Oktober bereits Beckstein angemeldet, um Bayern offiziell zu vertreten. Aus der Schweriner Staatskanzlei heißt es: "unter Vorbehalt".

Das neue Regierungsteam soll eine Woche nach der Wahl, am 16.Oktober, vom Landtag bestätigt und vereidigt werden. Das Parlament müsste auch zustimmen, sollte Beckstein die Ressorts neu zuschneiden - für größere derartige Operationen gibt es bislang keine Anzeichen. Wohl aber dafür, dass es zu einer größeren Kabinettsumbildung kommt. Jedenfalls sitzen die Minister auf heißen Kohlen. "Die Ungewissheit ist für alle groß", berichtet einer von ihnen.

Eine Woche lang könnte er alleine mit sich Kabinettssitzungen abhalten

Erleichtert wird Beckstein die Aufgabe dadurch, dass die alten Minister automatisch mit Stoiber zurücktreten. Formell muss er also niemanden entlassen. Wenn er wollte, könnte Beckstein auch eine Woche lang ganz allein regieren. Laut Gesetz kann ein neugewählter Regierungschef die bisherigen Minister und Staatssekretäre beauftragen, im Amt zu bleiben, bis das neue Kabinett steht - er muss aber nicht. Eine Woche lang könnte er also alleine mit sich Kabinettssitzungen abhalten.

Aber selbst wenn die alte Riege noch im Amt bleibe, sei es de facto doch eine Alleinherrschaft des neuen Ministerpräsidenten, sagt Wissenschaftsminister Thomas Goppel. Sein Vater Alfons hat diese Situation viermal erlebt, seitdem gibt es im Hause Goppel das geflügelte Wort: "Meine schönsten und schwersten Stunden sind die zwischen meiner Wahl und der Vereidigung der Minister."

Auf den Bundesrat hat das Interregnum keine Auswirkungen: So lange das neue Kabinett nicht in Amt und Würden ist, bleiben die bisherigen Vertreter in der Länderkammer sitzen. An deren Sitzung am 12. Oktober dürften also in jedem Fall die alten Kabinettsmitglieder teilnehmen. Mithin könnte sogar Stoiber selbst nach Berlin fliegen und sich noch einmal einen Auftritt auf bundespolitischer Bühne gönnen - auch wenn sein Nachfolger schon drei Tage zuvor gewählt wurde.

Da aber das Bundesland Bayern seine sechs Stimmen nur geschlossen abgeben kann, würde es ausreichen, wenn ein Regierungsmitglied anwesend ist. Beckstein könnte also alleine im Bundesrat Platz nehmen.

© SZ vom 24.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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