Standort-Streit in Friedberg:Fleisch ja, Gestank nein

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Ein Bürgerentscheid soll klären, ob am Stadtrand von Friedberg ein Saustall gebaut werden darf. Die Gegner haben keine Mühen gescheut, um dagegen mobil zu machen - und haben nun die Hoheit über die öffentliche Meinung.

Von Mike Szymanski

Am Abend wird es sehr ruhig in der Herrgottsruhstraße 4 im schwäbischen Friedberg. Stephan Körner schließt die Tür zum Hofladen ab und geht in die Küche.

Niemand will den Schweinestall in Friedberg bei Augsburg. Die Bürger liefen aus Protest auch schon mit Wäscheklammer auf der Nase herum. (Foto: Foto: AP)

Dort sitzen jetzt drei Männer mit Händen wie Pranken, die sich nicht anmerken lassen, wie sehr ihnen die vergangenen Wochen zugesetzt haben. Dabei dachten die drei Landwirte immer, es wäre eine gute Idee sich zusammenzutun und einen neuen Hof samt großem Schweinestall zu bauen.

Friedrich Hintermayr, 49, hat schließlich die Felder, Martin Augustin, 31, die Kühe und Stephan Körner, 28, die Schweine. Jeder für sich hat aber zu wenig von dem, was ihm die Existenz sichern könnte.

Vor einem Jahr traten sie mit ihren Saustall-Plänen an die Stadt heran. Dass sie seitdem immer noch hier sitzen, statt zu bauen, liegt an dem Standort, wo ihr Hof hin soll. Bauer Hintermayr hat einen Acker mitten in der "Friedberger Au", einem Grüngürtel am Rande der Stadt, wo Ausflugslokale stehen, ein Baggersee liegt und sich manche Bürger ihren Traum vom Wohnen in der Natur verwirklicht haben. Vor allem diese Leute meinen, hier könne der Saustall der Bauern nicht stehen.

Die 30.000 Einwohner der Stadt Friedberg, die im Osten an Augsburg grenzt, sind aufgerufen, bei einem Bürgerentscheid über sehr Grundsätzliches abzustimmen. Herbert Scheel von der Industrie- und Handelskammer formulierte es so: Friedberg stehe vor der Frage, ob man aufstrebendes Mittelzentrum sein oder zur dörflichen Struktur zurückkehren wolle. Aber es geht auch darum, wie man heute mit Bauern umgeht, die ihren Beitrag zum Fortkommen der Stadt leisten wollen.

"Die wollen doch wissen, wo das Fleisch herkommt"

Der heutige Hof von Friedrich Hintermayr liegt eingezwängt im Stadtgebiet. Nebenan hat die Sparkasse gebaut. Einen Teil seines Stallgebäudes hat Hintermayr zum Hofladen gemacht, an dem seine beiden Partner beteiligt sind. Hier verkaufen die Bauern Wurst, Käse und Gemüse. Manches müssen sie zukaufen, weil sie selbst zu wenig Platz für mehr Vieh haben. Augustin und Körner sind neu in der Landwirtschaft. Augustin ist Sohn eines Bankers, Körner der Sohn des früheren CSU-Landrats. Sie wollten Bauern werden, obwohl Jahr für Jahr Hunderte Landwirte ihre Höfe aufgeben.

Auf der Landwirtschaftsschule haben sie gelernt, wie man als Bauer noch Geld verdienen kann. Sie brauchen einen Hof, den man effizient bewirtschaften kann. Dass die Kunden lieber bei ihnen statt im Supermarkt einkaufen, bestärkt sie in ihren Plänen: "Die wollen doch wissen, wo das Fleisch herkommt." Sie planen auf dem Acker in der Friedberger Au Stallgebäude für 480 Mastschweine, 90 Mutterschweine, Ferkel und 25 Mutterkühe mit 50 Jungrindern. Ein mittelgroßer Hof soll entstehen, auf dem sie die Tiere artgerecht halten wollen.

Nicht weit von diesem Acker entfernt führt die Schützenstraße an Feldern, Wald und Anwesen vorbei, die sich hinter hohen Mauern und Hecken verstecken. Am Ende der Straße, auf dem Parkplatz des Ausflugslokals Parkcafé, steht ein Gerüst in Form eines Tors. Darüber steht: "Beim Blick durch dieses Tor sehen Sie in 400 Metern Entfernung den künftigen Standort eines Schweinemastbetriebes. Das bedeutet Gestank - Tag und Nacht."

Bürger liefen schon mit Wäscheklammern auf der Nase herum

Die Bürgeraktion Friedberger Au kam auf die Idee mit dem Tor. Deren Sprecher heißt Werner Brackmann, er ist 60 Jahre alt, Architekt und wohnt in der Schützenstraße. Neulich habe er im Parkcafé gesessen: "Ich wäre am liebsten von Tisch zu Tisch gegangen und hätte die Leute gefragt, ob sie noch kämen, wenn es hier stinken würde", erzählt er. "Es geht ja nicht um einen Streichelzoo."

Der Saustall-Konflikt hat Ausmaße angenommen, mit denen wohl niemand gerechnet hatte. Bürger liefen schon mit Wäscheklammern auf der Nase herum. Die Stadt Friedberg ist zugepflastert mit 150 Straßenplakaten. Die Gegner verteilten etwa 20.000 Flugblätter. Regionale Unternehmer halfen, die Kampagne zu finanzieren.

Auch die Friedberger Familie Segmüller, die mit ihren Möbelhäusern reich geworden ist, soll zum Unterstützerkreis gehören. Man erkennt schnell, wer die Hoheit über die öffentliche Meinung hat - die Gegner. Es dauerte auch nicht lange, bis sie 2900 Unterschriften für den Bürgerentscheid zusammen hatten. Sie mussten nur oft genug wiederholen, dass ein Saustall stinkt.

Sachargumente sind längst in den Hintergrund geraten. Die Stellungnahmen, die die Stadt von Fachbehörden eingeholt hat, fallen positiv aus. "Unproblematisch" nennt das städtische Baureferat die Pläne der Bauern. Sie würden den Mindestabstand von 340 Metern zu den Wohnhäusern einhalten. Mit starker Geruchsbelästigung sei deshalb auch nicht zu rechnen. Dass davon in der Öffentlichkeit aber wenig zu hören ist, daran trägt auch die Politik in Friedberg eine Mitschuld.

"Wo soll Landwirtschaft denn heute noch hin?"

Sie hat sich mittlerweile auf die Seite der Gegner geschlagen, statt zu vermitteln. "Ich halte die Pläne der Landwirte an dieser Stelle für falsch", sagt Bürgermeister Peter Bergmair, der als Parteiloser für die SPD im Rathaus sitzt und sich 2008 wieder zur Wahl stellen muss.

Mit dem Bürgerentscheid soll nun erreicht werden, dass die Friedberger Au ein Erholungs- und Freizeitgebiet bleibt. Die Bauern hätten dann mit ihrem Schweinestall dort nichts mehr zu suchen. Bevor die Bauern mit ihren Plänen kamen, hatten es die Politiker aber lange versäumt, sich Gedanken zur Zukunft der Friedberger Au zu machen und entsprechende Beschlüsse zu fassen.

Jetzt pochen die Bauern auf ihr Recht und drohen der Stadt mit Schadenersatzklagen. Die Chancen der Landwirte, die Politik zum Einlenken zu zwingen, stehen nicht schlecht. Landratsamt und Regierung von Schwaben haben die Kommune jedenfalls schon gerügt, dass sie die Genehmigung der Bauanträge bis zum Bürgerentscheid hinauszögere.

Bauer Hintermayr sagt, sie wären ja auch mit alternativen Standorten für ihren Betrieb einverstanden gewesen - wenn die Stadt geholfen hätte, geeignete Flächen zu finden. Aber je hitziger und unsachlicher die Diskussion wurde, desto schlechter standen die Chancen. "Sobald andere Standorte ins Gespräch kamen, hieß es gleich: Bei uns nicht", erzählt Hintermayr. Auf Info-Veranstaltungen seien sie niedergebrüllt worden. Und Hintermayr fragt: "Wo soll Landwirtschaft denn heute noch hin?"

© SZ vom 11.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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