SPD: Wahlschlappe in Cham:"Möglicherweise Ausländerfeindlichkeit"

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Das EU-Wahlergebnis für die SPD in Cham ist verheerend. Als Grund vermuten einige Ausländerfeindlichkeit. Der SPD-Kandiat Ismail Ertug hat türkische Eltern.

M. Hägler

"Da gibt es nichts mehr zu analysieren", hatte Franz Schindler, Oberpfalz-Chef der SPD am Tag nach der Niederlage gesagt. "Den Absturz in Cham kann man nur als Schande bezeichnen." Auf 6,7 Prozent waren die Sozialdemokraten im Kreis Cham bei der Europawahl geafllen. Eines der schlechtesten Ergebnisse in Bayern.

Dunkle Wolken über der Bayern-SPD. (Foto: Foto: ddp)

Über die Ursachenforschung ist nun ein Streit entbrannt. Mit Blick auf zahlreiche beschädigte Wahlplakate hatte die Chamer SPD-Ortsvorsitzende Anneliese Heitzer Fremdenfeindlichkeit als eine mögliche Ursache für den Chamer SPD-Absturz ins Spiel gebracht.

Tatsächlich entspricht der dortige SPD-Europakandidat in Name und Aussehen nicht dem typischen Oberpfälzer. Ismail Ertug heißt der SPD-Mann, er hat türkische Eltern und einen dunkleren Teint als der durchschnittliche Bayerwaldbewohner. "Möglicherweise war da auch so etwas wie Ausländerfeindlichkeit dabei", hatte die örtliche SPD-Funktionärin als eine Erklärung für die Niederlage vorgebracht.

Für Ismail Ertug - der es dank des bundesweit besseren SPD-Ergebnisses ins Europaparlament geschafft hat - ist diese Erklärung nicht nachvollziehbar. Natürlich habe auch er davon gehört, dass manche seiner Plakate eingesammelt und verbrannt worden seien, sagt Ertrug. "Das ist schlimm und erinnert ans Mittelalter, aber es war nicht ergebnisentscheidend." Der junge Industriekaufmann, gebürtig übrigens in Amberg, sieht die Ursache in der schlechten Arbeit seiner Genossen vor Ort.

Das Wahlergebnis in Cham habe vor allem damit zu tun, dass dort die wenigsten Veranstaltungen stattgefunden hätten, schimpft Ertug. Es sei nur ein Viertel oder ein Drittel von dem gelaufen, was möglich gewesen wäre. "Die SPD hat überall dort, wo ich auftreten konnte, ein überdurchschnittliches Ergebnis." In der Stadt Weiden 19 Prozent, in Amberg 16,7 Prozent, im Landkreis Schwandorf 15,4 Prozent. Damit liege er "über dem Schnitt der anderen SPD-Kandidaten", sagt Ertug. Wenn allerdings von einzelnen Ortsvereinen zu wenig komme, "kann ich das nicht ändern".

Natürlich sei sein Name eher ungewöhnlich und stoße bei einem sehr konservativen Publikum womöglich im ersten Moment eher auf Ablehnung, sagt Ertug. "Aber umso wichtiger ist es, dass ich von den Ortsvereinen organisierte Gesprächsmöglichkeiten mit den Menschen bekomme." Es gebe solche "besonders rührigen" Ortsvereine, die gezeigt hätten, dass "es anders gehen kann als in Cham". In Teublitz sei die SPD etwa auf knapp 30 Prozent gekommen, in Kümmersbruck auf 22,6 Prozent. "Wo ich Gelegenheit hatte, mich vorzustellen haben die Leute nachher gesagt: Der Ertug redt ja boarischer wie wir."

Einmal habe man doch eine gemeinsame Infoveranstaltung mit Ertug gemacht, wehrt sich indes die Chamer Ortschefin Heitzer. "Aber da war halt schlechtes Wetter." Der Ortsverein hätte ihn nicht gehindert zusätzlich eigene Veranstaltungen durchzuführen. Und zudem, meint Heitzer, sei es nun mal so, "dass unsere Bürgerinnen und Bürger schnell schimpfen, wenn sie jemanden nicht kennen".

Wobei sie selbst nicht zu denen gehöre: "Ich habe zwei ausländische Schwiegertöchter und komme sehr gut zurecht mit ihnen." Die SPD-Funktionärin aus dem Bayerischen Wald hofft nun auf die Bundestagswahl. "Da tritt unsere bisherige Abgeordnete wieder an, das wird einfacher, die ist bereits bekannt", sagt Heitzer. Und sie ist einfacher zu verkaufen für die örtlichen Genossen: Die Abgeordnete Marianne Schieder ist nicht nur Oberpfälzerin - wie Ismail Ertug - , sondern klingt auch dem Namen nach so.

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