SPD in Bayern:Siegertyp mit Stallgeruch

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Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly wird von den Genossen verehrt. Doch der erfolgreiche Rathauschef will auch in Zukunft nicht für die SPD in der Landespolitik aktiv werden.

Olaf Przybilla

Als das Klatschen einsetzt, ein rhythmisches Klatschen, wird es Ulrich Maly zu dumm. Tina Turners Hymne "Simply the best" hat er ja noch mit Gleichmut ertragen. Aber dieses Krönungsklatschen, mit dem sie auf CSU-Parteitagen zuweilen ganze Vormittage verbringen, will der Sozialdemokrat nicht über sich ergehen lassen. "Hört auf", weist er seine Parteifreunde zurecht, "mir ist das peinlich".

(Foto: Foto: dpa)

Die Nürnberger SPD hat Maly soeben zu ihrem OB-Kandidaten für die Wahl 2008 gewählt, nur einer der Delegierten hat sich der Stimme enthalten. Auf Maly entfallen also mehr als 99 Prozent Zustimmung. Zu einer Gefühlsaufwallung in der engen Nürnberger SPD-Zentrale darf dieses Ergebnis aber nicht führen. Maly mag so etwas nicht.

Seit er vor fünf Jahren den Nürnberger Rathaussessel für die SPD eroberte, weiß Maly, 46, dass er seiner Partei sehr viel zumuten darf. Die Partei hatte 2001 lediglich nach einem Kandidaten gesucht, der gegen den leutseligen CSU-Amtsinhaber Ludwig Scholz in Würde hätte verlieren dürfen.

Nürnberg wieder sozialdemokratische Hochburg

Der bis dahin wenig bekannte Stadtkämmerer Maly trat an und katapultierte OB Scholz in der Stichwahl überraschend aus dem Amt. Nach einem nur sechs Jahre währenden christsozialen Intermezzo stellte Maly in Nürnberg wieder die alte Ordnung her: Das Rathaus in Bayerns zweitgrößter Stadt ist wieder eine sozialdemokratische Hochburg.

Fünf Jahre danach, sagt Harry Riedel, liege die Partei ihrem Oberbürgermeister regelrecht zu Füßen. Riedel ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion im Nürnberger Rathaus, er gilt als Finanzfachmann, von dem die Parteifreunde große Stücke halten. "Aber mich", weiß Riedel, "respektieren die Genossen nur". Ihren Oberbürgermeister dagegen verehren sie auch noch.

Parteimann Riedel verkörpert den Wirtschaftsflügel der Nürnberger SPD. Auch dem promovierten Ökonomen Maly ist dieser Flügel alles andere als fremd. An der Parteibasis freilich punktet er mit ganz anderen Themen: Fünfzig Minuten lang referiert Maly vor allem über das Projekt "solidarische Stadtgesellschaft" - das überwölbende Thema seiner ersten fünf Regierungsjahre.

Für die Halbmillionenstadt, in der 150.000 Einwohner nicht in Deutschland geboren sind und 19 Prozent als arm gelten, verspricht er mehr Integration, mehr Bildungsgerechtigkeit, den Ausbau der sozialen Infrastruktur - traditionelle sozialdemokratische Themen eben.

Den kommunalpolitischen Gegner, die Rathaus-CSU, erwähnt Maly überhaupt nicht. Nur einmal wird er heftig: Weil CSU-Generalsekretär Markus Söder den noch nicht wirklich eröffneten Kommunalwahlkampf mit einer Polemik gegen den "Nürnberger Multi-Kulti-Traum" anzuheizen versuchte, wirft ihm Maly vor, "groben Unfug" zu verbreiten. Danach wirbt der Rathauschef wieder für Fokushauptschulen, Ausbildungsplätze und die Initiative "Mama lernt deutsch". "Dem Maly", sagt ein einfaches Parteimitglied, "nimmt man so etwas ab. Der hat einfach diesen SPD-Stallgeruch."

Vergleich mit Kirche

Maly war gerade sieben Jahre alt, als er sich den Falken, der sozialistischen Jugend Deutschlands, anschloss. Maly lernte dort seine spätere Frau kennen - seine Eltern und Großeltern hatten ihre Ehe ebenfalls schon über die Falken angebahnt. Nach dem Studium wechselte er ins Nürnberger Rathaus, als SPD-Geschäftsführer, 1996 nominierten ihn die Sozialdemokraten dann für das Amt des Stadtkämmerers.

Die SPD, sagt Maly, "ist für mich viel mehr als eine Partei". Als eine ins Privatleben hineinreichende Organisation vergleiche er sie "eher mit der katholischen Kirche". Einen gravierenden Unterschied macht Maly allerdings: Er will sich nicht von der Partei für irgendwelche Ämter in die Pflicht nehmen lassen, auch wenn ihn die bayerische SPD noch so sehr bedrängt. Maly ist auch Mitglied im SPD-Landesvorstand. Dort erzählen sie freilich, dass der Oberbürgermeister oftmals andere Termine für wichtiger halte als eine SPD-Vorstandssitzung.

Nicht ins Schattenkabinett

Maly will das grundsätzlich nicht bestreiten. Wenn er wählen müsse, zwischen dem Wohl der Stadt Nürnberg oder dem Wohl der Landespartei, dann sei ihm Nürnberg allemal wichtiger. Und einen Wechsel in die bayerische Landespolitik schließe er ohnehin aus. Kategorisch? "Für höhere Parteiämter in der Bayern-SPD stehe ich nicht zur Verfügung - definitiv nicht", sagt er.

Die Partei zu unterstützen im Landtagswahlkampf sei eine Selbstverständlichkeit. Sich als Nürnberger Oberbürgermeister aber für "ein bayerisches Schattenkabinett der SPD ablichten zu lassen" - so etwas lehnt Maly als "völlig grotesk" ab.

Seine demonstrative Abstinenz in der Landespolitik glaubt er plausibel begründen zu können: Entschieden werde immer häufiger auf kommunaler oder europäischer Ebene - als Oberbürgermeister und als Vertreter des Deutschen Städtetages im Brüsseler EU-Ausschuss der Regionen könne er sich intensiv diesen beiden Ebenen widmen. "Da kann man heute wirklich etwas bewegen", sagt Maly, der auch von einem "fortlaufenden Bedeutungsverlust der Landespolitik" spricht.

Natürlich weiß der Rathauschef, dass sie in der SPD alles andere als glücklich sind über seine offenbar an seinem Münchner Kollegen Christian Ude orientierten Zurückhaltung. Gehört es denn nicht zur Aufgabe der erfolgreichen Oberbürgermeister von München und Nürnberg, sich mehr um das Wohl der Partei zu kümmern? Maly verneint kühl: Es mache überhaupt keinen Sinn, sich als OB "auch noch sporadisch in die Landespolitik einzumischen". Maly gab sich in der Vergangenheit auffällig oft als Bewunderer des stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Florian Pronold zu erkennen.

Vielen in der SPD scheint es inzwischen, als verschanze er sich regelrecht hinter Pronold, um die Forderung auszubremsen, Maly selbst müsse sich landespolitisch mehr engagieren. "Der Florian", betont der Rathauschef immer wieder, "ist ein riesiges politisches Talent". Auf ihn warte die Kärrnerarbeit der kommenden Jahrzehnte im Wettstreit mit der CSU. Um dabei erfolgreich zu sein, müsse Pronold mehrmals für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren - "wenn es sein muss, auch dreimal hintereinander". Er, Maly, werde aber auch künftig für eine Kandidatur keinesfalls zur Verfügung stehen.

Gilt diese Abstinenz auch für die Bundespolitik? Spätestens seit der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee ins Bundeskabinett wechselte, glauben sie nicht nur in der Nürnberger SPD einen Sinneswandel bei Maly erkannt zu haben. Sollte die SPD nach der nächsten Bundestagswahl in der Regierungsverantwortung stehen, hätte die bayerische SPD wohl Anspruch auf einen Ministerposten.

Auf den Rathauschef, heißt es aus dem SPD-Vorstand, könnte dann eine neue Aufgabe zukommen. Würde er diese auch kategorisch ablehnen? Maly, der dem Bundesvorstand der SPD angehört, überlegt kurz und sagt dann: "Ich würde nachdenken. Grundsätzlich ausschließen kann ich das nicht."

© SZ vom 2.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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