Skandal in bayerischer Polizeihundeschule:"Kollegen wurden gezwungen, Urin zu trinken"

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Die Anschuldigungen gegen die Polizeihundeschule im Bayerischen Wald wiegen schwer. Von sexuellen Demütigungen von Polizistinnen und Alkoholexzessen ist die Rede.

Birgit Kruse

Ermittler sind möglicherweise einem Skandal um sexuelle Demütigungen von Beamtinnen in der Polizeihundeschule in Herzogau im Bayerischen Wald auf der Spur. Der Sprecher des bayerischen Innenministeriums, Karl Michael Scheufele, sprach von "gravierenden" Anschuldigungen, denen "intensiv und mit Nachdruck" nachgegangen werde.

Laut einem acht Seiten langen anonymen Brief, der sueddeutsche.de vorliegt, sollen Polizistinnen bei Abschlussfeiern sexuell erniedrigt worden sein. Der Brief stammt offenbar von Personen mit Insiderwissen. Darin ist die Rede von Übergriffen auf junge Kollegen, die "Urin trinken oder aus Essensresten und Abfällen gemixte Speisen verzehren" mussten. Vor allem Frauen seien Opfer gewesen.

Polizistinnen sollen dem Schreiben zufolge gezwungen worden sein, auf Knien Bier aus Schüsseln vom Schoß eines Ausbilders zu trinken.

Sie seien an Stachelhalsbändern auf allen vieren durch den Raum geführt worden, "mussten unter den Tisch kriechen und bellen wie ein Hund oder wurden mittels Stromstößen durch ein Elektrodressurhalsband traktiert", heißt es in dem Brief weiter.

Demütigen waren an der Tagesordnung

Die Repressalien gegen Frauen schienen laut den Verfassern des Schreibens alltäglich zu sein. Immer wieder sei den Frauen während der Ausbildung gesagt worden, wie "dumm und unbeholfen" sie sich doch anstellen würden und "dass das Arschloch bei diesem Hund am anderen Ende der Leine hängt".

Zudem ist davon die Rede, dass "immer öfters" Prostituierte aus dem grenznahen Tschechien geholt worden seien. Ebenso soll es Alkoholexzesse gegeben haben, in deren Folge "unmögliche Streiche" ausgeheckt worden seien - diese reichten angeblich von Sachbeschädigung bis zum "sadistischen Drangsalieren junger Kollegen".

Auch von Tierquälerei in der Polizeihundeschule wird berichtet. So seien die Hunde insbesondere seit dem Verbot der Verwendung von Elektroreizgeräten massivsten Schlägen, Stachelhalsbändern oder Wurfketten ausgesetzt.

Die Verfasser des Briefes weisen auch darauf hin, dass das Gebäude der Hundeschule aus dem ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts stamme und als Erholungs- und Fortbildungszentrum für Nazi- und SS-Größen gedient haben soll - eine Tatsache, die einige Ausbilder zu freuen scheint. Mit "stolzgeschwellter Brust" seien bereits Nazi-Vergleiche gemacht worden.

Die Verfasser des Briefs rechtfertigen sich für ihre Anonymität mit "Bedrohungen und angekündigten beziehungsweise bereits erfolgten Repressalien".

Der Innenministeriumssprecher betonte: "Der Präsident der Bereitschaftspolizei ist bereits beauftragt, den Sachverhalt rasch überprüfen zu lassen und aufzuklären." Auch die Staatsanwaltschaft soll bereits eingeschaltet worden sein.

Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat Vorermittlungen eingeleitet. Oberstaatsanwalt Günter Ruckdäschel sagte, er habe die Polizei angewiesen, die Anschuldigungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen.

Die SPD-Fraktion hat sich indes an Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gewandt. In einem Schreiben bittet Stefan Schuster, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, um eine rasche Aufklärung der Vorwürfe.

Bereits 2003 beschäftigte die Polizeihundeschule Herzogau den Bayerischen Landtag. Damals hatten sich Hundeführer über die Zusammenlegung der Standorte Bayern Süd (Dachau) und Bayern Nord (Nürnberg) in Herzogau beklagt. Die Kapazitäten in Herzogau könnten die Nachfrage nicht mehr decken, hieß es damals. Auch die Zahl der Trainingsmöglichkeiten reiche nicht aus.

© sueddeutsche.de/ddp-bay/AFP/bica/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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