Seehofers Regierungsstil:Den Finger stark im Wind

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Wie schlägt sich Horst Seehofer im Amt des Ministerpräsident und Parteichefs? Von Wackelpudding bis Wetterfähnchen - die fünf Prinzipien.

Katja Auer und Kassian Stroh

Am Mittwoch ist es 100 Tage her, dass Horst Seehofer "Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten" geschworen hat. Schon jetzt halten ihn fast zwei Drittel der Bayern für einen guten Ministerpräsidenten. Seehofer hat einen ganz eigenen Regierungsstil - und der ist alles andere als prinzipienlos.

Horst Seehofer: Seit nunmehr fast 100 Tagen bayerischer Ministerpräsident. (Foto: Foto: AP)

Das Prinzip Neustart: So geht's nicht weiter.

Ganz neu anfangen wollte Horst Seehofer und nichts gemein haben mit der "alten Regierung", wie er seine Vorgänger und Parteifreunde tituliert. Vor allem wegen des Milliardendebakels der bayerischen Landesbank. Immer wieder betonte er, seine Regierung habe das nicht zu verantworten. Das ließ er sich sogar schriftlich geben, vom früheren Finanzminister Kurt Faltlhauser.

Trotzdem entschuldigte sich Seehofer öffentlich. Das gehört zum "neuen Stil", den er in der Regierung und in der CSU einführen will. Doch nicht jeder nimmt ihm das ab: Spätestens mit der von ihm durchgesetzten Personalie Monika Hohlmeier als Europakandidatin für Oberfranken hat Seehofer seinen Anspruch konterkariert. Seitdem ist in der CSU von "Demokratur" statt von Teamwork die Rede.

Das Prinzip Ein-Mann-Show: Halte alle anderen klein.

Schon seine Leibesgröße ermöglicht es Seehofer, immer ein wenig über andere hinwegzuschauen. Er weiß um seine Wirkung und dass er kaum politisch Wegweisendes vorlegen muss - schon Statur, Charme und Charisma verleihen ihm Autorität. Seehofer genießt es offensichtlich, wenn Menschen zu ihm aufschauen, zumal es seinem Selbstverständnis als Alpha-Typ entspricht. Seinen Parteifreunden bleibt gar nichts anderes übrig: Nach der Schlappe bei der Landtagswahl war Seehofer die letzte Rettung, der letzte starke Mann in der CSU.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern gab er den Bayern den Stolz zurück, im Bund wieder wer zu sein. Dafür lässt Seehofer durchblicken, dass ihm keiner ebenbürtig ist - auch nicht aus der CSU-Führungsriege. "Die anderen klein machen", nennt das ein CSU-Spitzenmann. "Dann schaut er von seinen 1,93 Metern runter und ist noch größer." Peter Ramsauer, der die CSU in die Bundestagswahl führen soll, hat das artig akzeptiert und Seehofer als "gefühlten Spitzenkandidaten" ausgerufen.

Das Prinzip Wackelpudding: Lass Dich bloß nicht festnageln.

Ein Mann der klaren Worte ist Horst Seehofer nicht. Lieber ergeht er sich in Andeutungen, deren Ausdeutung er dann nach Belieben dementieren kann. Im Oktober zum Beispiel forderte er den Rücktritt von Landesbank-Chef Michael Kemmer. Als sich die Sparkassen-Vertreter dem verweigerten, wollte Seehofer nie gemeint haben, was er zuvor in die Kameras gesagt hatte.

Oder: Nie habe er 60 Jahre als Altersgrenze für sein Kabinett ausgegeben, sagte Seehofer nach dem Proteststurm der Senioren. Die Betroffenen erinnern sich ganz anders. Und Seehofer selbst hatte die 60-plus-Kündigung nach der Kabinettsbildung als eine "Grundsatzentscheidung unabhängig von Personen" bezeichnet. Am liebsten aber nutzt Seehofer Ironie als Hintertürchen. Da kann er später immer noch behaupten, einen Witz gemacht zu haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über das Prinzip "Wetterfähnchen" und "Aufopferung".

Das Prinzip Wetterfähnchen:

Wirf Grundsätze gelegentlich über Bord. Heute so, morgen so, damit hat Seehofer schon als Bundesminister irritiert, als er zum Beispiel den Genmais in Bayern verbieten, im Rest der Republik aber anbauen lassen wollte. Auch Kabinettsmitglieder berichten, dass sie heute nicht wissen, was morgen seine Meinung sei. Oder die Bauern, denen er beim Kampf um höhere Milchpreise seine Unterstützung zusicherte. Das scheiterte. Jüngst luden ihn die Milchbauern zum Symposium nach Berlin ein - da antwortete er nicht einmal. Selbst eherne CSU-Grundsätze opfert Seehofer problemlos. Dass er einer CSU-FDP-Regierung vorsteht, hat ihm manchen Kurswechsel erleichtert.

Jüngst schlug er im Koalitionsausschuss der FDP vor, im Bundesrat gemeinsam gegen das BKA-Gesetz zu stimmen - ein ureigenes Projekt der Union, mit dem sie die Terrorgefahr bekämpfen will. Dafür sollte die FDP die Erbschaftssteuerreform unterstützen, was Seehofer dann als seinen Erfolg hätte verkaufen können. Vor Schreck soll Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der Runde nach Luft gerungen haben. Hier aber ging Seehofers Rechnung nicht auf: Am Ende enthielt sich Bayern im Bundesrat bei beiden Gesetzen.

Bei Entscheidungen vertraut Seehofer mehr auf sein Gespür als auf Ratschläge und dicke Akten aus der Staatskanzlei. Ausschlaggebend ist für ihn: Was denken die Menschen? Wie kaum ein anderer Politiker analysiert er Umfragen und argumentiert mit ihnen. Außerdem weiß er nach eigenem Bekunden genau, wie die Stimmung im Volk ist. Dafür reichen ihm angeblich schon zehn Minuten Bürgerkontakt.

Das Prinzip Aufopferung:

Lass Dir Deinen Ruhm nicht schmälern. Horst Seehofer rettet Bayern und die CSU ganz uneigennützig. Er sei noch am Leben, sagt er zu seinen ersten 100 Tagen. "Obwohl ich in dieser Zeit wenig gelebt habe." Seine Heldenrolle will er auch als solche verstanden wissen, Kritik verträgt Seehofer schlecht.

Richtig empfindlich reagiert er, wenn ihn jemand als Chamäleon bezeichnet oder unberechenbar nennt - wegen dieser Eigenschaften wollten sie Seehofer in der CSU lange nicht als Chef haben. Schreibt es jemand auf, ist er verschnupft. Mit Vorliebe beklagt er sich dann in CSU-Gremiensitzungen über die Medien. Jemand, der ihn gut kennt, sagt über seine Dünnhäutigkeit: "Nur was zutrifft, trifft."

© SZ vom 31.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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