Seehofer unter Druck:Schwarz-Gelb streitet um Studiengebühren

Das Urteil über die Studiengebühren stürzt Bayerns schwarz-gelbe Koalition in arge Turbulenzen: Die CSU-Fraktion muss wieder mal eine Position räumen, die gerade noch als unverrückbar galt. Auch die FDP wankt - und Seehofer stichelt gegen die eigenen Leute.

Frank Müller und Mike Szymanski

Der Abräumer: Ministerpräsident Seehofer will die Studiengebühren aufgeben.

Der Abräumer: Ministerpräsident Seehofer will die Studiengebühren aufgeben.

(Foto: Getty Images)

Der bissigste Kommentar kommt von den Studenten, vom konservativen Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) in Bayern. Deren Vorsitzende sagte: "Es kann ja wohl nicht sein, dass 25.000 Unterschriften ausreichen, damit eine ganze Partei ihre Meinung ändert."

In der Seehofer-CSU geht das allemal. Es ist Mittwoch, halb zwei. Oben im Fraktionssaal kommen die Abgeordneten zusammen. Es ist ein trauriger Tag für sie, es geht darum, die Studiengebühren zu beerdigen und damit wieder einmal eine Position zu räumen, bis bis vor ein paar Tagen noch als unverrückbar galt. Dann aber fährt die Seehofer-Limousine vor.

Seehofer ist im Krisenmodus. Das heißt, er lächelt heute besonders viel. "Wir haben eine neue Situation", sagt er, und weil dieser Satz in der CSU und bei der Diskussion zur Zukunft der Wehrpflicht und der Atomkraft ebenfalls so oder zumindest in leicht modifizierter Form bereits gefallen ist, kann man sich denken, was nun kommt.

Am Vorabend hatte Fraktionschef Georg Schmid in der Vorstandssitzung die Gebühren zum Abschuss freigegeben. "Ergebnisoffene Diskussion", heißt das. Es gibt sowieso keinen mehr in der Fraktion, der jetzt, nachdem der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Volksentscheid für zulässig erklärt hat, wirklich noch für Studiengebühren kämpfen will. Seehofer hätte sie am liebsten schon vor einem Jahr abgeschafft. Damals wurde bekannt, dass die Universitäten Probleme haben, das von den Studenten eingetriebene Geld überhaupt loszuwerden.

Darauf wird er auch vor der Fraktionssitzung angesprochen. "Schön, dass sich einer daran erinnert", sagt Seehofer. "Meine Position war immer klar." Und dann gibt er seiner Fraktion noch eins mit, weil die ihn damals daran gehindert hatte. "Manchmal ist es eben nicht schlecht, wenn man auf den Ministerpräsidenten hört."

Nichts soll den Wahlerfolg schmälern

Seehofer macht in diesen Tagen den großen Abräumer. Alles, was die Chancen der CSU bei der Landtags- und Bundestagswahl im kommenden Jahr schmälern könnte, wird schonungslos weggeschafft. Zurück bleiben Parteifreunde, die fassungslos vor den Trümmern alter Positionen stehen und immer noch nicht so recht wissen, was da gerade passiert ist. Der geplante Donauausbau mit Staustufen, einst betonierte CSU-Position, wird von Umweltminister Marcel Huber so deutlich abgelehnt, dass er wohl tatsächlich nicht mehr kommen wird. Und nun die Studiengebühren.

CSU-Hochschulpolitiker Oliver Jörg hat vor 48 Stunden noch behauptet: "Für Studienbeiträge gibt es gute Argumente." Wer an diesem Mittwoch die CSU-Abgeordneten nach ihren einstigen Argumenten fragt, erlebt, dass sie ihnen dann auf einmal nicht mehr einfallen. Seehofer nennt das tatsächlich einen "geordneten Prozess" in der CSU. Doch gleichzeitig gehen auch Schwergewichte den Weg mit und distanzieren sich ebenfalls von den Studiengebühren. Der ehemalige Parteichef Erwin Huber macht deutlich, dass er sie für einen Klotz am Bein hält: "Ich will Wahlen gewinnen." Und Finanzminister Markus Söder stellt bereits klar, wie wichtig doch die Zielgruppe der Studenten sei.

In der CSU-Fraktion herrscht am Mittwoch hinter verschlossenen Türen größter Gesprächsbedarf. Alleine 30 Wortmeldungen gibt es zu dem Thema, das ist jeder dritte Abgeordnete. Die Entscheidung solle bis Mitte November fallen. Doch schon machen Spekulationen die Runde, die FDP könnte womöglich einer Abschaffung zustimmen, wenn sie dafür die von ihr geforderten liberaleren Ladenschlusszeiten bekommt.

Aber das schließt FDP-Fraktionschef Thomas Hacker rundheraus aus. Er warnt die CSU davor, "beim leisesten Windhauch umzufallen". Hacker sagt: "Ich verstehe die Panikreaktion der CSU nicht." Bislang hatten die Liberalen die Studiengebühren als eines der Kernprinzipien ihrer Hochschulpolitik verfochten. "An den Argumenten, warum wir sie beibehalten wollen, hat sich nichts geändert." Allerdings bröckelt die Front auch beim kleinen Koalitionspartner. Landesvize Andreas Fischer, der sich am Vortag als erster hochrangiger FDP-Kritiker der Gebühren zu Wort gemeldet hatte, sagt, er habe dafür Zuspruch an der Basis, aber auch Gegenwind in der Fraktion bekommen. Er lasse sich aber das Recht zur eigenen Meinung von niemandem nehmen, "schon gar nicht von der FDP".

Auch FDP-Landtagsvizepräsident Jörg Rohde gilt als Gegner der Uni-Gebühren. Die Fraktion lässt abstimmen, die Abgeordneten sind für die Beibehaltung der Beiträge - es bleibt bei diesen zwei Gegenstimmen. Die FDP-Führung erwischt all das zur Unzeit. Hacker ist mit Vize-Ministerpräsident Martin Zeil bis Ende der Woche auf Nordamerikatour und regelt von dort, was zu tun ist. Immerhin: Die Front der Koalition wird wohl zumindest an diesem Donnerstag noch halten. Beim Landtagsplenum will die Opposition mit einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag das Ende der Gebühren fordern. CSU und FDP verständigen sich darauf, ihn in jedem Fall abzulehnen. Das müssen sie auch, weil ein Verlassen der gemeinsamen Linie gleichbedeutend mit dem Ende der Koalition wäre.

Die Opposition nimmt den Ball dankbar auf. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude belustigt sich über eine ganze Reihe von Kehrtwenden der CSU: vom Atomausstieg über den "G8-Murks" und den Donau-Ausbau bis hin zu den Studiengebühren. "Nun dreht sich der schwarze Riese schon wieder", sagt Ude - "weil der Wankelmut zum Markenkern der CSU geworden ist." Udes Fazit: "In der Realität regiert das Dreierbündnis bereits. Besser gesagt: Es lässt regieren."

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