Rechtsextremismus:Der braune Kader

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Der Rechtsextremismus wuchert in Bayern: Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die rechtsextreme Partei in Bayern eine starke Basis aufgebaut. Denn in keinem anderen Bundesland ist das Potential so groß wie im Freistaat.

Uwe Ritzer

Der Weg zum "Nationalen Stammtisch" führt über geheime Pfade und Mundpropaganda. Wer Platz nehmen will, ruft vorher eine Handynummer an und bekundet sein Interesse. Nur wem ein solider rechtsextremer Ruf vorauseilt, wird per Rückruf über Ort und Zeit informiert.

Glatzenträger - wie hier in Wunsiedel beim Rudolf Heß-Gedenkmarsch - bestimmen immer noch das Erscheinungsbild der NPD. Die rechtsextreme Partei versucht aber zunehmend, sich einen bürgerlichen und globalisierungskritischen Anstrich zu geben (Foto: Foto: dpa)

Manchmal allerdings mussten die Treffen schon kurzfristig verlegt oder abgesagt werden. Wenn nämlich Termin und Schauplatz vorher durchgesickert waren. Dann erhielt der Wirt wütende Protestanrufe oder aber Demonstranten sagten sich an. Ungeachtet all dessen wird erzählt, an den ominösen Stammtischen im ländlichen Süden und Westen Mittelfrankens säßen bisweilen mehr Menschen, als bei manchem politischen Frühschoppen der CSU.

Der Rechtsextremismus wuchert in Bayern allerdings nicht nur versteckt in abgelegenen Dorfwirtshäusern, sondern auch in aller Öffentlichkeit. Mit Aufmärschen versuchen Aktivisten obskurer "Kameradschaften" und einschlägiger Parteien wie NPD oder DVU, dem demokratischen Gefüge kleine, aber schmerzhafte Nadelstiche zu versetzen. Wo immer sie auftauchen, warten in der Regel Gegendemonstranten und Medienvertreter. Damit ist den Provokationen öffentliche Aufmerksamkeit garantiert.

Die Liste der in den vergangenen Monaten zum Teil mehrmals von braunem Spuk heimgesuchten Städte ist lang: München und Augsburg gehören dazu, aber auch kleine Ortschaften wie Fürstenzell bei Passau, Dorfen bei München, Cham in der Oberpfalz oder Schliersee in Oberbayern. Die Stadt Bamberg versuchte vergeblich, einen NPD-Bundesparteitag in ihrer Kongresshalle zu verhindern: Am Freitag verfügte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof: die Veranstaltung darf stattfinden.

"Die Aktivitäten werden wie Streusel bei einem Kuchen über das ganze Land verteilt", beschreibt Susanne Richter, Leiterin der Projektstelle gegen Rechtsextremismus des "Bayerischen Bündnis für Toleranz" in Bad Alexandersbad. Manche Kommunen trifft es besonders hart. Das oberfränkische Wunsiedel wehrt sich seit Jahren dagegen, Schauplatz fragwürdiger Gedenkveranstaltungen zum Todestag des dort begrabenen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß zu sein.

Kein Ort wird aber von rechtsextremen Umtrieben schlimmer geplagt als Gräfenberg in Oberfranken. Seit 1999 marschiert die Szene dort auf. Zunächst einmal pro Jahr, seit November 2006 sogar einmal monatlich.

Am 1. Mai wird es wieder einmal Nürnberg treffen. Rechtsextremisten aus dem ganzen Bundesgebiet sollen mit dem Tag der Arbeit auch den Auftakt für den Landtagswahlkampf zelebrieren. Angemeldet hat den Aufmarsch übrigens der einschlägig vorbestrafte Jens Pühse, den die Dresdener Staatsanwaltschaft aktuell wegen Volksverhetzung im Visier hat.

Den Landtagswahlen im September misst die stärkste rechtsextreme Partei NPD besondere Bedeutung bei. Bis dato ist sie allerdings meilenweit davon entfernt, den Sprung in den Landtag zu schaffen. Ihr Landesvorsitzender Ralf Ollert hofft "natürlich auf fünf Prozent", wäre aber nach eigenem Bekunden schon mit einem "Achtungsergebnis von drei oder dreieinhalb Prozent" zufrieden. Experten schätzen die Zahl der NPD-Mitglieder im Freistaat auf um die 1000. Das wäre etwa ein Siebtel aller deutschen NPD-Mitglieder.

Die Zahl der Sympathisanten dürfte allerdings um ein Mehrfaches höher sein. "Das Potential ist für uns so groß wie in keinem westlichen Bundesland", tönt Ollert.

Dies bestätigt - von Staatsregierung und CSU heftig bestritten, bis heute jedoch unwiderlegt - eine Studie der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung von Ende 2006. Demnach ist rechtsextremes Gedankengut im Freistaat so verbreitet wie in keinem anderen Bundesland. Jeder zweite Bayer ist demnach der Ansicht, die Bundesrepublik sei "durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet". Jeder dritte hält "den Einfluss der Juden für zu groß". Kein Wunder, dass die NPD ihren Wahlkampf thematisch darauf aufbaut, gemischt mit pauschaler Globalisierungskritik.

Lesen Sie, wie sich die Partei organsiert und warum die Kommunalwahlen für die NDP keinesfalls ein Fiasko war.

Organisatorisch ist die Partei besser aufgestellt als zur Landtagswahl 2003. Nach eigenen Angaben wird sie erstmals flächendeckend in allen Stimmbezirken mit eigenen Kandidaten antreten. Vor allem aus ländlichen Regionen wie Cham, Schwandorf oder dem Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim werden verstärkte Aktivitäten gemeldet.

Strategisch scheint sich die NPD vor allem auf die Großstädte und Oberbayern konzentrieren zu wollen. "Die NPD wird versuchen, in die Schichten mit großem Traditionsbewusstsein vorzustoßen, die bislang die CSU abgedeckt hat", sagt die Journalistin und Politikwissenschaftlerin Andrea Röpke. Dabei könne sie im Freistaat auf einen "soliden, professionellen und langjährigen Kader" bauen, zum Teil mit militantem Hintergrund.

Vordergründig endete die zurückliegende Kommunalwahl für die NPD allerdings mit einem Fiasko, ehe sie richtig begonnen hatte. In Fürth und Pappenheim scheiterte sie kläglich beim Versuch, genug Unterschriften zu sammeln, um überhaupt zur Wahl zugelassen zu werden.

Braune Tarnlisten

Was Demokraten und Kirchen erleichtert als Erfolg feierten, relativiert sich allerdings beim genauen Hinsehen. Viele Sympathisanten trauten sich schlichtweg nicht, in die Rathäuser zu gehen und sich per Unterschrift als NPD-Unterstützer zu outen. In München und Nürnberg trat die NPD offiziell nicht an. Stattdessen kandidierte jeweils eine Tarnliste namens "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BIA). Über sie schaffte NPD-Landeschef Ralf Ollert zum zweiten Mal den Sprung in den Nürnberger Stadtrat und zog erstmals sogar einen zweiten Gesinnungsfreund mit.

Im Stadtteil Werderau brachte es die BIA auf satte 12,2 Prozent. In München wird Anfang Mai für die BIA Karl Richter in das Stadtparlament einziehen. Hauptberuflich ist er bislang Berater der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. In deren Diensten steht dem Vernehmen nach auch der Landes- und Bundesvize der NPD, Sascha Roßmüller aus Niederbayern. Überhaupt spielen bayerische Neonazis bundesweit führende Rollen in ihrer Partei.

Bundesvorsitzender Udo Voigt lebt in Moosburg, der frühere RAF-Anwalt und Holocaust-Leugner Horst Mahler in Ebersberg. Großer Einfluss wird auch dem Unterfranken Uwe Meenen nachgesagt, sowie dem wegen Körperverletzung vorbestraften Münchner Norman Bordin.

Bayerische NPD-Aktivisten machten auch in anderen Zusammenhängen auf sich aufmerksam. Der Spiegel berichtete kürzlich, bei zwei nieder- und einem oberbayerischen NPD-Kreisverband seien die Parteikassen auf höchst fragwürdige Weise geführt worden. In Passau soll Bundeschef Voigt eingegriffen haben, um zu vermeiden, dass ein versuchter Spendenbetrug bei der Staatsanwaltschaft landete.

"NPD-Kameraden zeigen NPD-Kameraden an - das sind wohl die schlimmsten Schlagzeilen, die wir produzieren können", zitierte das Magazin aus einer internen Email Voigts. Im Verfassungsschutzbericht ist von etwa 1100 gewaltbereiten Rechtsextremisten in Bayern die Rede. Innenminister Joachim Herrmann beklagte jüngst, die Zahl rechtsextremer Gewalttaten habe 2007 "deutlich zugenommen".

Arbeit am Image

Eifrig hat die NPD mancherorts ihre Schulhof-CD mit einschlägigen Songs verteilt. Ansonsten arbeiten die NPD-Funktionäre am Image, sagt Politologin Röpke. "Die Partei eint der Wille, bürgernah und jugendgemäß zu erscheinen, um wählbarer zu werden", schreiben sie und Mitherausgeber Andreas Speit im Vorwort ihres neuen Buches "Neonazis in Nadelstreifen".

Es widmet sich an vielen Stellen der Situation in Bayern und beschreibt, wie Ollert und Richter als geschniegelte Saubermänner durch die Lande ziehen. Der eine mit dem Habitus eines Versicherungsvertreters. Richter ähnelt mit Nickelbrille dem gutmütigen Studienrat von nebenan. Hinter dem biederen Äußeren steckt Strategie. Man gibt neuerdings die netten Kümmerer von nebenan, die sich um den Kinderspielplatz in der Nachbarschaft kümmern, im Frühling an der Waldsäuberungsaktion teilnehmen und spezielle Freizeitangebote für Familien und Jugendliche machen.

Es muss ja nicht so weit gehen wie an Silvester 2006. Auf Burg Hoheneck bei Wunsiedel war ein "Pfadfinder-Familientreffen" angemeldet, das sich als Treffen der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) entpuppte. Als der Geschäftsführer der Grenzlandbildungsstelle die Burg betreten wollte, hielten ihn Wachen am Tor auf. "Halt, wer da, stehen bleiben!", hätten die Jugendlichen gebrüllt. Als der Hausherr wissen wollte, was das solle, herrschten sie ihn an: "Sie sind nicht berechtigt, uns eine Frage zu stellen." Die Wachen waren uniformiert.

© SZ vom 19.04.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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