Rechtsextreme Kameradschaft in Bayern:Ominöses Ende der Jagdstaffel

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Die rechtsextreme Kameradschaft "Jagdstaffel D.S.T." ist einem drohenden Verbot zuvorgekommen und hat sich angeblich aufgelöst. Für den Verfassungsschutz macht das die Sache nicht unbedingt einfacher. Denn die einstigen Mitglieder bewegen sich weiterhin in der Neonazi-Szene - und sind nun noch schwerer greifbar.

Oliver Hollenstein und Frederik Obermaier

Sie gehörten zum harten Kern der bayerischen Neonazi-Szene. In ihrer Lederkluft mit dem geladenen Flugabwehrgeschütz auf dem Rücken marschierten die Männer der "Jagdstaffel D.S.T." bei zahlreichen rechten Demonstrationen auf. Sie fuhren zu Schießübungen ins Ausland und trafen sich mit Mitgliedern des in Deutschland verbotenen Blood-and-Honour-Netzwerks.

Zwei Mitglieder der Gruppe gaben sich als Waffenhändler aus, um sich Zugang zu Fachmessen zu verschaffen. Im Mai fand die Polizei bei den Rechtsextremen massenweise Waffen. Nun hat sich die Gruppe aufgelöst - so behauptet es zumindest der Verfassungsschutz. Für den Kampf gegen die rechtsextreme Szene im Freistaat bedeutet das wohl wenig.

Zuletzt war es eng geworden für die Neonazi-Kameradschaft, die 2009 unter dem Namen Jagdstaffel Süd in Geretsried gegründet wurde, später aber das Kürzel D.S.T. führte - für: deutsch, stolz, treu. Am 3. Mai hatten 350 Polizisten 31 Büros und Wohnungen von neun Vollmitgliedern und sieben Gesinnungsgenossen durchsucht. Scharfe Munition, einen Vorderladerrevolver, eine Axt, Schlagringe, Kampfmesser, Totschläger und reichlich Devotionalien aus der NS-Zeit fanden sie. Und Steckbriefe, in denen nach "Presseschmierern" - unter anderem einem Autor der Süddeutschen Zeitung - gesucht wurde.

Die Behörden arbeiteten zuletzt an einem großen Verfahren gegen einzelne Mitglieder, aber auch an einem Verbot der Gruppe.

Dem drohenden Verbot sei die Kameradschaft nun wohl zuvorgekommen, heißt es aus dem bayerischen Verfassungsschutz: Schon in den vergangenen Monaten seien mehrere Mitglieder ausgestiegen. Am 8. Juli sollen die verbliebenen Kameraden angeblich per Mehrheitsbeschluss die Jagdstaffel aufgelöst haben. Zumindest legt das die Kopie eines Protokolls einer Mitgliederversammlung nahe, die dem Verfassungsschutz vorliegt.

Mehrere Kenner der Szene zeigten sich am Freitag überrascht über die Informationen. "Ein Mitglied hat sich die Abkürzung des Gruppennamens erst vor kurzem auf den Hals tätowieren lassen. Da wird er doch ein paar Wochen später nicht die ganze Gruppe auflösen", sagte Robert Andreasch von der Antifaschistischen Informations- und Dokumentationsstelle Aida. Auch der SPD-Rechtsextremismusexperte Florian Ritter gab sich skeptisch: "Die werden wohl kaum in Politrente gehen." Und selbst ein Ermittler, der mit dem Fall betraut ist, redet von "einem schon sehr ominösen Zeitpunkt" der Auflösung. "Das müssen wir erstmal prüfen."

Wahrscheinlicher scheint zu sein, dass die Rechtsradikalen lediglich ihre Kutten in den Schrank hängen. Zumal einer der Köpfe der Gruppe dem rechten Gedankengut schon einmal öffentlich abgeschworen hatte: Dominik B. lieferte im Jahr 2003 eine Kalaschnikow mit zwei vollen Magazinen an Martin Wiese - jenen Martin Wiese, der später wegen eines geplanten Anschlags auf das Jüdische Gemeindezentrum in München verurteilt wurde. Dominik B. wurde freigesprochen, weil er sich von der rechten Szene distanzierte. Er wolle sich künftig den Waldameisen widmen, sagte er damals vor Gericht

Statt sich als Hobbybiologe zu betätigen, marschierte Dominik B. dann aber doch wieder regelmäßig auf rechten Demonstrationen. Er und seine etwa zehn Jagdstaffel-Kameraden waren an ihren schwarzen Kutten stets gut zu erkennen. Auf Fotos posierten sie mit Schlagstöcken und vor einem Panzer - so war es lange Zeit auf der Homepage der Gruppe zu sehen, die mittlerweile nicht mehr abrufbar ist. Dort berichteten die Neonazis auch von gemeinsamen Wohnwagentouren durch Deutschland. Ein Fakt, der fatal an die Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos erinnert, die unerkannt zehn Morde begingen und auch im Wohnwagen unterwegs waren.

Seit Bekanntwerden der Mordserie der NSU-Terroristen ist der Rechtsradikalismus in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Verfassungsschützer werden kritisch beäugt, außerdem wird wieder lauter über ein Verbot rechtsextremer Gruppierungen diskutiert.

Doch auch die Neonazis haben sich angepasst. Zum einen treten sie deutlich offensiver auf, zum anderen organisieren sie sich um, heißt es vom Verfassungsschutz: Formale Organisationen wie die NPD werden unwichtiger, informelle Netzwerke wie das Freie Netz Süd gewinnen an Bedeutung.

Dass die NPD Mitglieder verliert und die Jagdstaffel D.S.T. sich aufgelöst hat, sehen die Verfassungsschützer daher auch nur bedingt als Erfolg. "Wir rechnen damit, dass die Mitglieder der Jagdstaffel wieder auffällig werden", sagt der Sprecher des Verfassungsschutzes, Sönke Meußer. Die Mitglieder seien eng miteinander befreundet und hätten ihre Gesinnung und die Kontakte bestimmt nicht abgelegt.

Einen ersten Beleg haben die Verfassungsschützer schon: Am 17. August wurden mehrere Mitglieder der Kameradschaft in Wunsiedel gesehen, beim Neonazi-Aufmarsch zum 25. Todestag von Rudolf Heß. Ihre Kutten hatten sie zu Hause gelassen.

© SZ vom 25.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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