Prozess um versuchten Kunstdiebstahl:Nolde? Schon mal gehört

Lesezeit: 4 min

Über das Dach des Germanischen Nationalmuseums sind zwei Studenten in das Innere des Gebäudes eingebrochen. (Foto: dpa)
  • Zwei Studenten sind wegen eines versuchten Kunstdiebstahls im Germanischen Nationalmuseum vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
  • Die 23 und 24 Jahre alten Männer sollen in der Nacht des deutschen WM-Sieges betrunken über ein Baugerüst in das Nürnberger Museum eingestiegen sein.
  • Dort sollen sie versucht haben, das Bild "Herr und Dame" von Emil Nolde zu stehlen. Es hat einen Wert von etwa 900 000 Euro.
  • Zu Beginn des Prozesses haben sie sich reumütig gezeigt. Sie hätten zwar den Namen des Künstlers schon mal gehört, aber keine Ahnung von Epoche, Wert oder Bedeutung des Werks gehabt.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Wie die Studenten zu Einbrechern wurden

Die Geschichte eines fast gestohlenen Emil-Nolde-Bildes in Nürnberg klingt mindestens kurios. Und erst mal auch ziemlich komisch: Zwei Erlanger Theaterwissenschaftsstudenten, der eine 23, der andere 24 Jahre alt, feiern mit reichlich Alkohol den WM-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft. Um vier Uhr früh sind sie fertig mit dem Feiern, eigentlich.

Sie kommen am Germanischen Nationalmuseum vorbei, dort steht ein Baugerüst. Das wäre doch was, in so einer Nacht von dort oben den Sonnenaufgang beobachten zu können, denken sich die beiden. Sie klettern nach oben, sie finden auf dem Dach eine Luke, die sich öffnen lässt. Sie finden auch eine versteckte Feuerleiter. Also steigen sie ins Museum ein, angeblich aus einer Laune heraus. Sie sehen das Nolde-Ölgemälde "Herr und Dame" und nehmen es von der Wand.

Die Polizei ist auch schon da, die beiden landen in Untersuchungshaft. Wegen versuchten Diebstahls beziehungsweise Beihilfe zum versuchten Diebstahl sind sie am Dienstag am Landgericht Nürnberg zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Der jüngere zu 21 Monaten, der andere zu 15 Monaten. Zuvor hatten sie ihre Tat eingeräumt, sie hatten auch kaum eine andere Chance.

WM-Nacht in Nürnberg
:Warum Fußball, Bier und Kunst nicht zusammenpassen

Sie sind betrunken und haben einen angeblich spontanen Einfall: Zwei Studenten sind in der Nacht des WM-Finales in das Germanische Nationalmuseum eingestiegen - und mit einem der wertvollsten Bilder wieder rausspaziert. Draußen wurden sie schon erwartet.

Von Olaf Przybilla

Wie sich die Studenten verteidigen

Aber so richtig lustig ist diese Geschichte nicht, im Gerichtssaal am Landgericht Nürnberg ist die Stimmung zum Prozessauftakt sehr gedrückt. Seit Juli sitzen die beiden in Untersuchungshaft, der eine in der JVA Nürnberg, der andere in Ansbach. Ihnen droht eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren.

"Das war der größte Fehler meines Lebens", sagt der jüngere der beiden Theaterwissenschaftsstudenten. Und er erzählt eine traurige Geschichte. Wie er in den Wochen vor dem Einstieg ins Museum unter Depressionen gelitten hat. Wie er des Lernstoffs an der Uni einfach nicht mehr Herr geworden ist. Wie er sich, wenn er mal von der Couch runtergekommen und mit anderen Studenten zusammengekommen ist, völlig aufgekratzt und euphorisch gefühlt hat. Und wie er dann, drei Tage vor dem WM-Finale, weinend zusammengebrochen ist. "Ein Nervenzusammenbruch", sagt er.

Am Sonntag darauf hat er mit seinem besten Freund das WM-Finale beim Public-Viewing auf dem Nürnberger Flughafengelände angeschaut. Wenn die deutsche Mannschaft gewinne, werde man feiern "als gäbe es kein Morgen", wollen sich die beiden geschworen haben. Zunächst war man zu neunt, dann zogen die beiden alleine durch die Nürnberger Bars in der Innenstadt. Beide kennen sich da nicht besonders aus, es ist eben Nürnberg, nicht Erlangen. In den Morgenstunden sei man in einer Bar in der Nähe des Germanischen Nationalmuseums gelandet. Wobei beide gar nicht gewusst haben wollen, dass dieses monumentale Haus ein Museum ist, jedenfalls nicht dieser relativ unspektakuläre Ostbau.

Warum der Einbruch so leicht gelang

Dort wurde im Juli gebaut, ein 18 Meter hohes Gerüst stand an der Außenwand. Eigentlich, sagt der jüngere der beiden Studenten, leide er ja unter Höhenangst. Aber diese Nacht, respektive dieser Morgen, da sei man einfach enthemmt gewesen und wahnsinnig aufgekratzt. Also das Baugerüst hoch aufs Dach. Und dort habe man diese Leiter entdeckt, die unter anderem für Schornsteinfegerarbeiten dort aufbewahrt wird. Eine unversperrte Dachluke habe man ebenfalls gefunden. Durch die seien sie auf eine Galerie aus Bodengittern gestiegen, die waren mit Haken miteinander verbundenen. Und von dieser Galerie aus kletterte man dann mit Hilfe der Leiter fünf Meter in die Tiefe.

Ja, und nun, fragt der Richter. Habe man sich da eben erst mal umgeschaut, sagt der jüngere Student. Einfach mal 20 Minuten im Kreis gelaufen. Bis man das Schild "Nolde" gesehen habe. Diesen Namen habe er schon mal gehört, sagt der jüngere der beiden. Und da habe er spontan den Entschluss gefasst, das Bild einfach mal mitzunehmen. Wie sie das Ölgemälde mit Bus und Bahn nach Erlangen hätten bringen wollen? Keine Ahnung, es war eben spontan. Was man schon daraus erkennen könne, dass der Akku eines der Handys längst leer war, für die Beleuchtung also nur die Handylampe des älteren Studenten sorgte.

Sie studieren Theaterwissenschaften, wollen aber nicht gewusst haben, was für wertvolle Bilder im Germanischen Nationalmuseum hängen, fragt der Richter. Nein, antwortet einer der beiden. Nur "Nolde" habe er eben schon mal gehört. Aber Epoche, Wert, Bedeutung? Keine Ahnung.

Ulrich Großmann, der Generaldirektor des Nationalmuseums, schätzt den Wert des Bildes "Herr und Dame", eine Leihgabe, auf etwa 850 000 Euro. Wie denn das sein könne, dass zwei angetrunkene Studenten, der eine mit 0,7 Promille, der andere mit 1,4 Promille im Blut, relativ einfach ins größte kulturhistorische Museum im deutschsprachigen Raum eindringen können, will der Richter wissen. Die "Koinzidenz von zwei Baustellen" habe da eine entscheidende Rolle gespielt, antwortet der Generaldirektor. Auf jeden Fall würden normalerweise schon Bewegungsmelder Alarm schlagen, wenn einer nachts den Hof des Museums betritt. In dieser Baustellensituation aber eben nicht.

Außerdem sehe man die Feuerleiter weder von unten noch mit Google Earth. Und man musste erst aufs Dach, um diese Leiter zu holen, und dann wieder runter in eine Zwischenebene. Er habe lange über diese Nacht nachgedacht, sagt der Direktor. Erst habe er es ausgeschlossen, dass das alles spontan gewesen sein kann. Vor allem, weil sich die beiden Studenten ausgerechnet eines der wertvollsten Bilder der Sammlung ausgesucht hätten.

20 Minuten ziellos durch die Ausstellung gestreift

In der Zwischenzeit sei er sich aber nicht mehr so sicher, ob das alles nicht vielleicht doch ohne Vorbereitung passiert sein könnte. Immerhin sind die beiden 20 Minuten relativ ziellos in der Sammlung herumgezogen. Ob denn der Haftpflichtversicherer des Museums wisse, dass dort oben auf dem Dach eine Leiter herumliege, will einer der Anwälte wisse. "Ja", sagt Großmann.

Hätte man das Bild nicht hinter Glas hängen können, will die Staatsanwältin wissen. Hätte man, sagt Großmann, aber in solchen Fällen beschwerten sich dann häufig Besucher. Und das Bild besser an die Wand schrauben? Kann man auch machen, sagt der Direktor, aber dann würden Gemälde von Dieben oft aus dem Rahmen geschnitten. Und seien dann richtig beschädigt. Hier, im Nürnberger Fall, konnten es die beiden einfach abhängen. Und konnten dann im Hof des Museums festgenommen werden, die Bewegungsmelder aus dem Inneren des Museums hatten Alarm geschlagen.

Sichergestellt wurde dabei auch das Ölbild, glücklicherweise unbeschädigt. Und ja: Man habe reagiert auf diese Sicherheitslücke, selbstverständlich. Es habe da offenbar an Absprache gefehlt, wegen der beiden Baustellen. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

© SZ.de/ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: