Projekt Zeitungszeugen:Polizei konfisziert Nazi-Nachdrucke

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Der Streit um das Projekt Zeitungszeugen eskaliert: In Bayern hat die Polizei 280 Exemplare beschlagnahmt. Gegenwind bekommt die CSU vom Koalitionspartner.

Die bayerischen Behörden gehen radikal gegen das umstrittene Projekt Zeitungszeugen vor. Am Samstag hat die Polizei 280 Exemplare der Zeitung beschlagnahmt, denen Nachdrucke von Blättern aus der Zeit des Nationalsozialismus beilagen. Dies teilte ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums mit. Die Aktion werde in den kommenden Tagen fortgesetzt. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) hatte das Vorgehen gegen das Zeitungsprojekt, dem auch der Völkische Beobachter und das Propagandaplakat "Der Reichstag in Flammen" beiliegt, am Freitag angekündigt. Die Zeitungen sollten an Kiosken verkauft werden.

Umstrtittenes ProjektZeitungszeugen: Bayern konfisziert Nachdrucke der Nazi-Zeitungen. (Foto: Foto: AP)

Gegen den Herausgeber der Zeitung Zeitungszeugen wurde nach Merks Angaben von der Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz eingeleitet. Die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda werde hier billigend in Kauf genommen, kritisierte die Ministerin. Die Beilagen seien aus dem Mantelteil der Zeitung leicht herausnehmbar. Aus dem Zusammenhang gerissen könnten sie von Neonazis missbraucht werden. Für eine geschichtliche, wissenschaftliche Auseinandersetzung, wie sie die Herausgeber für sich in Anspruch nahmen, sei ein solches Projekt nicht notwendig.

Zeitungszeugen war in der vergangenen Woche zum ersten Mal erschienen. Die erste Ausgabe enthielt Nachdrucke der deutsch-nationalen Zeitung Deutsche Allgemeine Zeitung, des kommunistischen Kämpfers und des Angriffs. Herausgeber der Sammlung, die deutschsprachige Zeitungen von 1933 bis 1945 als Nachdruck veröffentlicht, ist der britische Verleger Peter McGee. Zu den wissenschaftlichen Beratern des Blatts gehören unter anderem der Historiker Hans Mommsen sowie Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. In der ersten Ausgabe hatte der frühere Bundespräsident Walter Scheel das Projekt begrüßt.

"Schade um das Aufklärungsprojekt"

Auch die bayerische FDP-Vorsitzende und frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat an dem Projekt nichts auszusetzen. "Ich sehe keine Gefahr des Missbrauchs der Nachdrucke. Der wissenschaftliche Beirat ist hochrenommiert. Es wäre sehr schade um das Aufklärungsprojekt", sagte Leutheusser-Schnarrenberger dem Spiegel zufolge.

Die Ermittlungen der Justiz wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und möglicher Verstöße gegen das Urhebergesetz könnten dem Blatt zufolge ein schnelles Ende finden. Unstrittig sei nämlich auch seitens des bayerischen Finanzministeriums, bei dem nach eigener Einschätzung die Verwertungsrechte für NS-Zeitungen wie den Völkischen Beobachter oder den Angriff liegen, dass das Magazin Zeitungszeugen einen wissenschaftlichen Ansatz hat.

Verärgert ist man laut Spiegel im Verlag über die Umgangsformen der Behörde: "Unsere ausführlichen Argumentationen und Entgegnungen blieben vom Ministerium völlig unbeantwortet", sagte Ulrich Michel, Anwalt der Firma Albertas Limited, wo Zeitungszeugen erscheint.

© sueddeutsche.de/AFP/AP/dpa/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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