Portrait:Polizeidienst auf Türkisch

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In Bayern leben rund 1,1 Millionen Ausländer, 20 Prozent von ihnen sind Türken. Verständigungsprobleme sind da keine Seltenheit. Umso besser, wenn es Polizeibeamte gibt, die türkisch sprechen - wie Nihat Demir.

Zwei Männer geraten am Münchner Hauptbahnhof in eine Polizeikontrolle. "Schmeiß schnell den Stoff weg", sagt einer der beiden zu seinem Freund - auf Türkisch.

Damit ist jeder noch so unschuldige Blick umsonst. Denn Polizist Nihat Demir hat jedes Wort verstanden. Mutter und Vater des 31 Jahre alten Beamten kommen aus der Türkei.

Er selbst wurde im Berliner Stadtteil Kreuzberg geboren, doch mit seinen Eltern hat er stets türkisch und kurdisch gesprochen. "In Berlin ist ja eher Deutsch eine Fremdsprache", lacht der kräftige Mann.

Heute ist seine Herkunft bei seiner Arbeit ein Bonus. Denn in Bayern leben nach Angaben des Sozialministeriums 1,1 Millionen Ausländer. Das heißt, fast jeder zehnte Einwohner hat keine deutsche Staatsangehörigkeit.

Rund 20 Prozent stammen aus der Türkei. Wenn Demir sie in ihrer Landessprache anspricht, ist ihm ein Überraschungseffekt sicher. "Den meisten verschlägt es erst einmal die Sprache", sagt der Beamte mit dem dunklen Teint und den kurzgeschorenen braunen Haaren. Und damit hat er nicht selten die Sympathien auf seiner Seite.

"Insbesondere die Älteren reagieren oft mit Stolz", berichtet Demir. So habe er kürzlich einen etwa 60 Jahre alten türkischen Mann wegen illegalen Aufenthalts festgenommen.

Auf dem Weg zur Haftanstalt habe ihn dieser zu seinem Beruf beglückwünscht. "Einer aus unseren Reihen, der es geschafft hat", habe sich der Mann gefreut. Ein Türke als Polizist - "das kann sich mancher hier in Bayern gar nicht vorstellen", sagt Demir.

Bei der Polizei im Freistaat ist man sich des Vorteils durchaus bewusst. "Das spart Zeit, Kosten und weckt Verständnis", erläutert der Sprecher der Nürnberger Polizei, Ralph Koch. Die Kommunikation sei eine ganz andere als mit einem Dolmetscher.

"Es könnten durchaus mehr Beamte sein"

"Das nimmt viele Emotionen weg", berichtet Koch. Auch sein Kollege aus Augsburg hat positive Erfahrungen gemacht. "Es könnten durchaus noch mehr Beamte sein", sagt Polizeisprecher Manfred Gottschalk.

Lediglich knapp 100 der 32.000 Beamten in Bayern haben eine ausländische Staatsangehörigkeit, heißt es aus dem Innenministerium. Hinzu kämen jedoch die Polizisten, die in der zweiten Generation hier leben und als deutsche Staatsbürger zählen - so wie Nihat Demir.

In Berlin hat der dortige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) für den Polizeidienst ein hohes Ziel gesteckt: "Wir werden sukzessive den Normalstand gemessen am Anteil der Migranten an der Bevölkerung erreichen", sagte Körting Anfang Mai. In der Hauptstadt bemüht sich die Polizei ganz offensiv um Jugendliche mit Migrationshintergrund.

Mit Erfolg, die Nachfrage ist groß. Doch in Bayern will man von gezielten Werbeaktionen nichts wissen.

"Bei uns erfolgt die Einstellung über das Leistungsprinzip", betont Rainer Riedl vom Innenministerium. "Wir machen keine Unterschiede zwischen deutschen Bewerbern und Bewerbern mit Migrationshintergrund.'"

Von einer Quote hält er nichts: "Damit würde man den Leuten nichts Gutes tun." Einen höheren Anteil von Migranten bei der Polizei bezeichnet er dennoch als "wünschenswert".

Auch Demir hätte sich als Jugendlicher schwer vorstellen können, mal zur Polizei zu gehen. Von Polizisten hielt er damals wenig. Es war eher Zufall.

Als der junge Familienvater auf der Suche nach einem "sicheren Job" war, brachte ihn ein Schulfreund auf die Idee. Demir versuchte sein Glück - und ist nun seit sieben Jahren bei der bayerischen Polizei. Sein Vater sei "stolz wie Bolle", erzählt der 31-Jährige mit einem Lächeln.

Es kommt aber auch vor, dass er negative Erfahrungen macht. Einmal hat er einer jungen Frau in München wegen Falschparkens einen Strafzettel ausgestellt. Als sie seinen Namen sah, sagte sie bissig: "Lernen Sie lieber erst einmal Deutsch." Doch in erster Linie sei er Polizist, betont Demir. Mehr als wegen seiner Herkunft werde er wegen seiner "Dienstmarke" beleidigt.

(ddp/Kathrin Hedtke)

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