Politikberater Spreng:"Wer die Tür zu weit aufmacht ..."

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Er hat Ex-Ministerpräsident Stoiber beraten: Michael Spreng über die Grenzen von Privatheit, Rollenspiele in der Öffentlichkeit und die Ausflüge von Guttenberg in gefährliche Zonen.

U. Heidenreich

Welche Rolle spielt der Mensch in der Politik? Ein Gespräch mit Michael Spreng, 63, anlässlich der Filmpremiere von "Der große Kater": der Journalist und Politikberater aus Berlin hatte unter anderem den 2002-Wahlkampf von Edmund Stoiber gemanagt.

Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber mit seinem Politikberater Michael Spreng (Foto: DPA)

SZ: Ist es gerade in der bayerischen Politik für die Protagonisten wichtig, die Fassade zu wahren?

Michael Spreng: Politiker, deren Fassade nicht mit deren Persönlichkeit übereinstimmt, habe ich in Bayern seltener als in anderen Bundesländern erlebt. Als ich Stoiber beraten habe, stand die CSU allerdings noch im vollen Saft. Die konnten vor Kraft kaum gehen und mussten keine großen Fassaden bauen. Jeder war auf seine Art recht echt. Ein Stoiber, ein Huber,...

SZ: ...auch ein Beckstein?

Spreng: Der hatte natürlich das Problem, dass er von Stoiber in eine Position gestellt worden war als Hardliner, als rechter Flügel-Mann, der er in Wirklichkeit gar nicht ist. Insofern ist er eine tragische Figur, weil er ja eher ein Liberaler ist, ein sensibler, sympathischer Mensch, der verdonnert wurde, eine Rolle zu spielen.

SZ: Kann ein Politiker überhaupt ein richtiges Familienleben führen oder müssen da alle irgendwie eine Rolle spielen?

Spreng: Klar, die Spitzenpolitiker stehen ja mit ihrer Familie in der Öffentlichkeit. Es gibt den Begriff der First Lady. Damit ist schon definiert, dass die Frau eine demokratisch nicht legitimierte öffentliche Rolle spielt. Und die Kinder auch.

SZ: Das hat man ja deutlich bei Stoibers Wahlkampf 2002 gesehen.

Spreng: Ja, seine Frau, die Töchter und der Sohn spielten bewusst mit. Sie saßen in der ersten Reihe bei Parteitagen, gingen mit in Talkshows. Da ist ein Kandidat mit seiner Familie angetreten - sehr amerikanisch. Johannes Rau übrigens, der viel Gerühmte, war der erste, der sich mit Frau und Kindern abbilden ließ.

SZ: Zurück zu Beckstein: Kann man seiner Frau Marga ernsthaft vorwerfen, dass sie kein Dirndl tragen wollte?

Spreng: Nein, natürlich nicht. Sie wurde ja in die Rolle der First Lady hineingeschubst und hat versucht, sich ihre Art zu bewahren. Das ist völlig in Ordnung. Sie gehörte ja nicht dem Politikzirkus an.

SZ: Benötigen Politiker eine gewisse Fassade, um sich zu schützen?

Spreng: Politiker arbeiten an ihrem Image, sie wollen in einer gewissen Form in der Öffentlichkeit erscheinen. Für Politiker und ihr Privatleben aber gilt die alte Formulierung: Wer die Tür zu weit aufmacht, bekommt sie auch nicht mehr zu. Deswegen rate ich davon ab, sein Privatleben zu weitgehend für die Politik zu instrumentalisieren.

SZ: Welche Negativbeispiele gibt es da in der bayerischen Politik?

Spreng: Wie das zurückschlagen kann, hat man im Fall Seehofer gesehen. Während er seine Geliebte hatte, hat er ein heiles Familienleben inszeniert. Das kommt hinterher mit doppelter Wucht zurück.

SZ: Wie weit sollte die Öffentlichkeit in das Schloss der Guttenbergs eindringen dürfen? Ist das Paar nur noch Dekoration für die eigene illustre Kulisse?

Spreng: Guttenberg unternimmt Ausflüge in gefährliche Zonen. Ich würde als Politiker nicht zu "Wetten, dass..." gehen, ich würde als Politikerfrau nicht "Tatort Internet" moderieren. Aber sein Charisma ist offenbar so stark, dass ihm das die Wähler verzeihen.

SZ: Wann greifen Sie als Berater ein, wo ist die Grenze zur Authentizität?

Spreng: Wenn ein Politiker umgeschminkt oder umoperiert wird, wenn er nicht mehr er selbst ist. Als Helmut Kohl 1976 von dem Publizisten Gerd Bacher beraten wurde, hatte der ihm eine neue Frisur und eine neue Brille verpasst. Die Leute erkannten den Kohl auf den Wahlplakaten gar nicht mehr. Das ist grenzwertig.

SZ: Aber Stoiber war doch auch beim Optiker und hat seine CSU-Generalsekretärs-Sehhilfe gegen ein schnittiges, randloses Modell umgetauscht...

Spreng: Naja, markanter ist eher der Brillenwechsel von Steinmeier. Der hat sich nach der Wahlniederlage dieses dicke schwarze Gestell zugelegt, das ihn etwas eulenhaft aussehen lässt. Manchmal habe ich bei männlichen Politikern das Gefühl, wenn sie schon nicht die Frisur ändern können, dann kaufen sie sich bei Einschnitten im Leben eine neue Brille.

SZ: Müssen Politiker sich immer im Griff haben - auch wenn sie eine Schmach oder Niederlage erleiden?

Spreng: Politiker, die Fehler zugeben und Gefühl zeigen, wobei das nicht ins Weinerliche abgleiten darf, erhöhen eher ihre Sympathiewerte.

© SZ vom 27.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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