Pädophile Neigung:Eine Chance, nicht kriminell zu werden

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"Tätertherapie als Opferschutz": Das Bezirksklinikum in Regensburg will jetzt eine Therapie für Männer mit pädophilen Neigungen anbieten.

Meldungen von Menschen, die ihre pädophile Neigung nicht im Griff haben und Kinder missbrauchen, häufen sich. Ein neues Projekt soll jetzt Männern im Freistaat, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, helfen. In Regensburg soll es vom Frühjahr 2010 an nach dem Vorbild der Charité in Berlin das erste ambulante Beratungs- und Therapieprojekt für Pädophile im Freistaat geben. Die Finanzierung des Projekts am Oberpfälzer Bezirksklinikum ist bisher noch nicht geklärt.

"Tätertherapie als Opferschutz", das ist das Ziel eines Projektes am Bezirksklinikum in Regensburg. (Foto: Foto: dpa)

Das Berliner Universitätsklinikum bietet bereits seit 2005 Pädophilen eine Therapie an, durch die verhindert werden soll, dass sich die betroffenen Männer später tatsächlich an Kindern vergehen. Seit Beginn des Projekts suchten mehr als 800 Männer aus ganz Deutschland Hilfe, etwa ein Drittel davon soll aus Bayern stammen. Die Idee hat bereits in mehreren Bundesländern Nachahmer gefunden; inzwischen gibt es in Hamburg, Frankfurt und in Kiel ähnliche Einrichtungen.

"Bayern ist spät dran und extrem unterversorgt", sagt der Chef der Regensburger Forensik, Professor Michael Osterheider. Er spricht von einer "Tätertherapie als Opferschutz". Osterheider will Männer behandeln, die am Anfang einer sogenannten pädophilen Entwicklung stehen und "sich darüber Sorgen machen". Für diese Männer sei die Spezialtherapie eine echte Chance, letztlich nicht kriminell zu werden. "Das schließt straffällig gewordene Kinderschänder von vornherein aus", betont Osterheider. Er erwartet daher keine großen Proteste von Bürgern gegen das Projekt.

"Pädophile Sexualstörungen sind eine anerkannte Krankheit"

Die Therapie soll Männern helfen, Verantwortung für ihre Neigung zu übernehmen. "Wir machen den Männern klar: Du trägst keine Schuld für deine sexuelle Orientierung, aber du trägst dafür die Verantwortung", erklärt Osterheider. Laut einer Studie der Charité nehmen durch die Behandlung Wahrnehmungsstörungen ab, wonach Kinder nach Sex verlangten. Osterheider betont jedoch, dass sich die Patienten keine Hoffnung auf eine Heilung machen sollen: "Sexuelle Präferenzstörungen sind keine Wahl, sondern Schicksal."

Die Betroffenen sollen Mechanismen entwickeln, wie sie mit ihrer Sexualität umgehen können. Osterheider rechnet in Bayern mit beinahe 50.000 potentiellen Sexualstraftätern. "Die Größenordnung ist vielen nicht bewusst", sagt er. Dennoch fühlen sich bislang weder Staatsregierung noch Krankenkassen für das geplante Hilfsprojekt verantwortlich. Der Forensik-Chef schätzt die Kosten auf knapp 200000 Euro pro Jahr für zwei Therapeutenstellen.

Die verschiedenen Ministerien verweisen jeweils auf andere Behörden. So sagte ein Sprecher des Justizministeriums, dass "eine Anlaufstelle für Pädophile nicht in unseren Aufgabenbereich" falle. Eine ähnliche Stellungnahme gibt es aus dem Sozialministerium. Das Innenministerium verspricht zumindest, dass die Staatsregierung eine finanzielle Unterstützung des Vorhabens prüfen werde. Osterheider sieht darüber hinaus natürlich auch die Krankenkassen in der Pflicht: "Pädophile Sexualstörungen sind eine anerkannte Krankheit", betont er.

© Flora Jädicke, dpa, SZ vom 11.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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