Oberstdorf:Smog-Alarm im Luftkurort

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Zurzeit ist es wieder besonders schlimm. Oberstdorf erstickt in Autoabgasen und bangt um seine Gesundheits-Prädikate.

Mike Szymanski

Sie haben in Oberstdorf einen Namen für Tage wie diesen, an dem der Verkehr wie eine Blechlawine auf den bliebten Ferienort zurollt: Chaostage. Dann stauen sich die Autos schon kilometerlang auf der Bundesstraße B 19, die direkt ins Tal führt und dort die Autos auf die Skilifte zum Nebelhorn und zum Fellhorn verteilt.

Die Luft in Oberstdorf ist derzeit schlecht - und der Ort bangt um seine Gesundheitsprädikate. (Foto: Foto: Reuters)

Zurzeit ist es wieder besonders schlimm. Deutschland macht Ferien. Und auch die Tagesausflügler schnallen ihre Skier auf das Autodach. Dann geht an manchen Stunden auf den Straßen nichts mehr und in Oberstdorf braut sich was zusammen.

Der Deutsche Wetterdienst hat in der Marktgemeinde Oberstdorf drei Messstationen aufgestellt. Ein Jahr lang wird die Luftqualität überprüft. Danach steht fest, ob sich Oberstdorf künftig noch "Heilklimatischer Kurort" und "Kneipport" nennen darf.

Beide Prädikate sind lebenswichtig für einen Urlaubsort mit 2,3 Millionen Übernachtungen im Jahr, der mit seiner schönen Natur und gesunder Luft für sich wirbt. Aber es sieht nicht gut aus für Oberstdorf.

Seit Jahren hat die Marktgemeinde die Verkehrspolitik schleifen lassen. Schon bei der vergangenen Messung vor fünf Jahren hatte Oberstdorf die Grenzwerte überschritten und zur Auflage gemacht bekommen, die Probleme zu lösen. Passiert ist seither kaum etwas.

In der Hauptausschuss-Sitzung Ende Oktober analysierten die Gemeinderäte die Lage und kamen zu einem ernüchternden Ergebnis. Die Situation sei ähnlich wie 1992, heißt es in einem Bericht. Auch Anfang der 90er musste Oberstdorf um die Prädikate bangen. Nur hatte sie damals das ehrgeizige Projekt "Autofreies Oberstdorf" gestartet. Heute kann man es getrost für gescheitert erklären.

Mit wolkigen Ideen in Szene gesetzt

Im Rückblick klang es spektakulär, was sich Oberstdorf beim Umweltschutz alles vorgenommen hatte. Der Ort sollte für den allgemeinen Autoverkehr gesperrt werden, heißt es in einem Grundsatzbeschluss von 1991. Aber dazu kam es nie, wie Siegmund Rohrmoser, Fraktionschef der Grünen, beklagt. Stattdessen bekam der Ort unter Bürgermeister Eduard Geyer nur eine sehr große Fußgängerzone und die Politiker setzten sich mit allerlei wolkigen Ideen in Szene.

Höhepunkt war der Einsatz des Brennstoffzellen-Busses, ein mit dem bayerischen Umweltministerium initiiertes Modellprojekt, das etliche Millionen Mark verschlang. Nach wenigen Tagen war der Bus defekt und musste später wegen vielerlei Probleme aus dem Verkehr gezogen werden. Jetzt fahren wieder normale Busse. Die damals zusätzlich eingerichteten Parkplätze vor dem Ortszentrum werden eigentlich nur dann konsequent benutzt, wenn im Zentrum tatsächlich alles zugeparkt ist.

Die anfangs strengen Regelungen wurden im Laufe der Jahre längst wieder aufgeweicht. "Wir haben die Probleme nicht in den Griff bekommen", resümiert SPD-Gemeinderat Alexander Rößle. Verstärkt werden sie noch durch veraltete Heizanlagen in den Häusern, die die Luft zusätzlich verpesten.

Nun hat sich Bürgermeister Laurent Mies (Freie Wähler), seit März im Amt, der Probleme angenommen. Ein autofreies Oberstdorf hält er für utopisch, der Verkehr müsse aber besser gesteuert werden. Er rief die Fraktionen auf, Vorschläge zu unterbreiten. Tempo-Limits und ein modernes Verkehrs- und Parkleitsystem könnte er sich vorstellen. "Wir werden jetzt die Diskussionen führen", sagt er. An die Bürger im Ort hat die Marktgemeinde unlängst Flugblätter verteilt. Darin erklärt sie, wie man richtig heizt, und legt den Leuten nahe, das Auto stehen zu lassen.

© SZ vom 03.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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