Nürnberg:Rätselhafte Vogelgrippe

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Für die Experten kommt der Ausbruch der Seuche völlig überraschend. Und über die Gründe kann bisher nur spekuliert werden. Ob sie mit den Fällen in Tschechien in Zusammenhang stehen?

Christian Sebald

Nach dem Ausbruch der Vogelgrippe in Nürnberg haben Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) und Vogelexperten vor Panikmache gewarnt. Zugleich mahnten sie aber zur Vorsicht bei Funden von toten Vögeln.

Ein Mitarbeiter beobachtet die Ente auf Symptome der Vogelgrippe. Sie musste eingeschläfert. (Foto: Foto: dpa)

Der H5N1-Virus wurde inzwischen bei 13 Vogelkadavern nachgewiesen. Alle stammen aus der Umgebung des Wöhrder Sees und des Silbersees. Die Zahl der Kadaver mit der für Menschen gefährlichen Asia-Variante blieb aber mit sechs konstant.

Am gestrigen Montag mehrten sich die Anzeichen, dass das Virus in Nürnberg das gleiche wie bei dem Ausbruch im Winter 2005/2006 ist oder zumindest diesem sehr ähnlich. "Damit ist und bleibt das Risiko für Menschen sehr gering", sagte Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, das auf der Ostsee-Insel Riems das Referenzlabor für Vogelgrippe unterhält.

Mettenleiter rief dennoch zu erhöhter Wachsamkeit auf: "Denn wir müssen dafür sorgen, dass das Virus nicht auf Nutzvogelbestände überspringt."

Auf Bundesebene hob eine Debatte über Vorsorge-Impfungen für Geflügel an. Während Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, ihre Einführung überfällig nannte, lehnte sie der baden-württembergische Verbraucherminister Peter Hauk (CDU) strikt ab:

"Solange es keinen Impfstoff gibt, der das Virus inaktiv werden lässt und es nicht weitergegeben werden kann, sehen wir in der Impfung keine geeignete Maßnahme."

Die Nürnberger Behörden verstärkten ihre Vorsichtsmaßnahmen. Der Sperrbezirk und die Beobachtungszone um den Wöhrder See und den Silbersee umfassen große Naherholungsgebiete er Stadt, aber auch den Zoo, Teile des Zentrums sowie des Kreises Fürth. Kräfte der Feuerwehr, aber auch Parkwächter suchten sie nach Vogelkadavern ab.

Vorsicht auch im Zoo

Außerdem kontrollierten sie die Einhaltung der Anleinpflicht für Hunde sowie die Einstallpflicht für Geflügel. Die Bestände der 57 Geflügelhalter in den Sicherheitszonen sind mit 2600 Hühnern und anderen Nutzvögeln jedoch eher klein.

Auch im Zoo wurden Vorsorgemaßnahmen ergriffen. "Natürlich haben wir Desinfektionswannen aufgestellt", sagte der stellvertretende Zoodirektor Helmut Mägdefrau. "Auch die Volière ist geschlossen." Aber die Wildvögel haben nach wie vor viel Freiheit. "Wir können ja nicht Hunderte Tiere vorsorglich töten", sagte Mägdefrau. Das Szenario, falls sich Zoovögel mit H5N1 anstecken, wollte er nicht erläutern.

Über die Hintergründe des neuerlichen Ausbruchs gehen die Einschätzungen der Experten auseinander. "Spätestens seit die Vogelgrippe vergangene Woche in einer tschechischen Truthahnzucht grassierte, ist er nicht wirklich überraschend", sagt Mettenleiter.

Bisher eine Seuche im Winter

Anders Karl-Heinz Bogner, der Chef des Veterinärlabors am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen: "Bisher war die Vogelgrippe für uns eine Seuche im Winter, wenn die Vögel geschwächt sind", sagte er. "Jetzt im Frühsommer haben wir wirklich nicht mit ihr gerechnet." So sind allerlei Erklärungsversuche im Umlauf.

Die einen spekulieren, die Wildvögel hätten das Virus womöglich nur in sich getragen, seien aber an einer anderen Krankheit verendet. Als Beispiel wird das Botulismus-Bakterium genannt, das ein Nervengift produziert.

Andere vermuten eine Verbindung zu dem Ausbruch in Tschechien. "Wir untersuchen das alles", sagte Bogner. Am Montag trafen dazu auch Spezialisten des Friedrich-Loeffler-Institus in Nürnberg ein.

Für den Vogelkundler Heiner Schöpf, der die Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen leitet, bestätigen die Nürnberger Fälle vor allem, dass das H5N1-Virus unter Wildvögeln weiter verbreitet ist als bisher gedacht, ,"und zwar ohne dass alle an ihm erkranken".

Im Gegenteil, es gebe robuste Arten, denen das Virus offenbar nichts ausmache. Schöpf und andere Experten vermuten auch, dass die Seuche durchaus auf die Region Nürnberg beschränkt bleiben könnte.

© SZ vom 26.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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