Nordbayern: Kampf gegen rechts:"Wir haben ein Problem"

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134 nordbayerische Gemeinden schließen sich zusammen, um sich gegen Rechtsextremisten zu wehren. Bürger können sich über Aktivitäten der Braunen informieren - und Gegenaktionen planen.

Olaf Przybilla, Nürnberg

In Wunsiedel wussten sie sich kaum zu helfen, als Neonazis die Stadt in Oberfranken als Ort für ihre Aufmärsche auserwählten. Das war im Jahr 2002. Fassungslos sei man gewesen, sagt Bürgermeister Karl-Willi Beck, und anfangs völlig hilflos. Mittlerweile bleibt die Kleinstadt von rechten Aufrührern weithin verschont.

Bürger protestieren in Wunsiedel gegen die regelmäßigen Nazi-Aufmärsche. (Foto: Foto: dpa)

In Nordbayern aber wächst die Zahl der Kommunen, deren Name vor allem mit braunen Umtrieben in Verbindung gebracht wird: Gräfenberg, Weißenohe, Warmensteinach. Damit diese Orte nicht mehr alleine kämpfen müssen, gründete sich gestern die "Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg".

Wunsiedels Bürgermeister Beck sagt, er sei regelrecht glücklich über das neue Bündnis. Dass sich 134 nordbayerische Kommunen zusammentun, um sich gemeinsam gegen die Gefahr von rechts zu wappnen, sei vor sieben Jahren noch undenkbar gewesen.

Damals waren Kommunalpolitiker froh, wenn es nur die anderen traf, bestätigt Simone Richter, Leiterin der bayerischen Projektstelle gegen Rechtsextremismus. In der eigenen Kommune dagegen habe man von braunen Umtrieben wenig wissen wollen.

Dass sich nun mehr als 250 Rathauschefs, Landräte und Vertreter von Initiativen aus ganz Nordbayern treffen und eingestehen, "Wir haben ein Problem", hält Richter für einen "ganz großen Schritt".

Das Bündnis will Daten austauschen über die rechten Akteure in den einzelnen Kommunen. Mit Hilfe einer Adressliste werden Bürger und Politiker permanent über Aktivitäten der Braunen informiert - und für gemeinsame Gegenaktionen mobilisiert.

Bei drohenden Grundstückskäufen durch Rechtsextremisten - wie momentan in der oberfränkischen Gemeinde Warmensteinach - wollen sich die beteiligten Kommunen über kommunalrechtliche Strategien austauschen, um dies gemeinsam abzuwenden.

In Wunsiedel wollten Rechtsradikale schon zweimal leerstehende Immobilien zu Schulungszentren umwandeln - beide Male konnte die Stadt dies verhindern.

"Kameradschaft Altmühltal"

Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg, Arno Hamburger, sagte, er hätte es im Jahr 1946 nicht für möglich gehalten, noch einmal eine Allianz gegen den Rechtsextremismus schmieden zu müssen. Inzwischen sei er leider vom Gegenteil überzeugt worden.

Die stellvertretende Landrätin von Neumarkt, Carolin Braun, berichtete vom anfänglichen Widerstand einzelner Kommunalpolitiker, die eine solche Allianz für übertrieben gehalten hätten.

Im Schutz eines Gasthofes durften rechte Rädelsführer auf diese Weise mehr oder weniger ungestört ihre Schulungen für den braunen Nachwuchs abhalten.

Inzwischen gilt die rechte "Kameradschaft Altmühltal" als sehr gut vernetzt. "Gegen solche Netzwerke sind wir nur dann stark, wenn wir ebenfalls Netzwerke bilden", sagte Braun.

© SZ vom 20.3.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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