Landrat Simon Wittmann:Der König von Neustadt

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Er kümmert sich um die Fleischkontrolle, das Waffenrecht, die Jugendhilfe: Landrat Simon Wittmann ist im Landkreis Neustadt an der Waldnaab ein mächtiger Mann.

Kassian Stroh

Die Genehmigungsbehörde rauscht in einem dunklen 7er-BMW heran, schnappt sich einen Schnellhefter, steigt aus und stapft durch den Matsch zur Pferdekoppel. Dort klagt die Bäuerin ihr Leid: "Wir kriegen ja gar nix mehr genehmigt."

"Wieso", entgegnet die Genehmigungsbehörde, "den Reitplatz habts doch genehmigt gekriegt." - "Weil du da warst", sagt der Bürgermeister, der daneben steht. "Ich bin ja Genehmigungsbehörde", entgegnet Simon Wittmann, der Landrat, mit gespielter Entrüstung in der Stimme. Und dann geht es schnell: Die Bauern wollen eine neue Scheune - geht klar, sagt Wittmann. "Bauvoranfrage brauch ma net, da reichts gleich an Antrag ein, direkt über mein Büro." Und schon sitzt der Landrat wieder im Auto.

"Stellvertreter des Staates vor Ort"

Freilich, er hätte auch einen seiner Baujuristen schicken können, sagt er. "Aber ich schau's mir lieber vor Ort an", wie auf diesem Einödhof bei Waidhaus. Bauen im Außenbereich, eine sensible Angelegenheit, das Bauamt hatte Bedenken. Weil für die Scheune ein paar Bäume dran glauben müssen, hat Wittmann den Bauern aufgetragen, neue zu pflanzen. Heimische Obstbäume bitte. "Wenn das nur im Bescheid steht, regen sich die Leute auf", erzählt er. "Wenn es der Landrat sagt, dann wirkt das."

Der Landrat. 71 gibt es in Bayern, direkt gewählt vom Volk, aber Chefs von Behörden mit durchschnittlich fast 500 Mitarbeitern. "Stellvertreter des Staates vor Ort", sagt Theo Zellner (CSU), Präsident des Landkreistags.

Ein Landrat verdient zwischen 7000 und 8000 Euro im Monat, das allein aber kann die Attraktivität dieses Jobs nicht ausmachen. Eberhard Irlinger, SPD-Landrat von Erlangen-Höchstadt, erzählt, wie nach der Wahl gefrotzelt worden sei, nun werde er "die letzte monarchische Funktionsart" in Bayern erleben.

"Eine gewisse Allzuständigkeit"

Ganz falsch sei das gar nicht, sagt er. Waffenrecht und Jugendhilfe, Kreisstraßen und Schulen, Heimatpflege und Wirtschaftsförderung, Fleischkontrollen und Baurecht - die Palette der Befugnisse ist groß. Doch der Bürger erwarte viel mehr von ihm, sagt der Oberpfälzer Wittmann: "Eine gewisse Allzuständigkeit."

Nach zwölf Jahren an der Spitze des Landkreises definiert der CSU-Mann sein Amtsverständnis so: "Man ist ein bisserl der Kümmerer in der Region." Und sei es, dass eine Frau ihm erzählt, der Strommast vor dem Haus sei schuld an ihrer Leukämie. Wittmanns Büro hat sie ihm aufs Handy durchgestellt, während er sich nach Waidhaus fahren lässt.

Zuständig ist er nicht, aber in ein paar Tagen wird er ohnehin den Eon-Chef treffen. Er werde mit ihm darüber reden, verspricht Wittmann der Frau, vielleicht gebe es ja eine Möglichkeit, das Kabel zu verlegen. "Sie weiß nicht, wem sie's erzählen soll", sagt der 60-Jährige, als er aufgelegt hat, "also erzählt sie's dem Landrat."

Seit 30 Jahren sitzt Wittmann im Kreistag, seit 25 Jahren führt er den CSU-Kreisverband. Und er lässt keinen Zweifel daran erkennen, dass er am 2. März als Landrat wiedergewählt wird. 2002 wurde Wittmann mit 72 Prozent im Amt bestätigt. "Ich kenne jedes Dorf, jedes Problem", nimmt er für sich in Anspruch.

"Er kümmert sich mit Sicherheit um die kleinen Problemchen, setzt sich gerne an den Stammtisch und trinkt ein Bier", sagt sein Gegenspieler von den Grünen, Klaus Bergmann. "Aber bei den wirklichen Problemen scheitert er." Bergmann und die SPD-Kandidatin Annette Karl klagen, der Kreis sei für die Zukunft nicht gerüstet.

Sich zu kümmern, das bedeutet für Wittmann vor allem eins: viel Autofahren. Sein Landkreis mit 100.000 Einwohnern ist einer der größten Bayerns und der am dünnsten besiedelte. Wittmann ist im Wortsinne ein Land-Rat, zwischen 50.000 und 80.000 Kilometer fährt er im Jahr.

Einst war die Gegend ein Problemlandkreis, als die alte Glasindustrie starb. Heute, sagt Wittmann stolz, liege die Arbeitslosenquote mit 5,9 Prozent deutlich unter der des Nachbarkreises Tirschenreuth und der Weidens, der kreisfreien Stadt, die mitten im Landkreis liegt. Er räumt ein, dass ein Landrat dazu nur bedingt beitragen könne. Aber er könne Genehmigungen schnell erteilen und "Firmen helfen, Förderungen ganz gezielt zu nutzen".

Von Termin zu Termin

Deshalb ist er an diesem Morgen in den Nordwesten des Kreises gefahren, nach Vorbach zur Firma Novem. Sie produziert Armaturen für teure Autos und ist mit 1800 Mitarbeitern nach der in Grafenwöhr stationierten US-Armee der zweitgrößte Arbeitgeber im Kreis.

Auf dem Firmengelände ist es zu eng geworden, Novem will erweitern. Baurecht für den angrenzenden Acker gibt es schon, nun geht es um mögliche Zuschüsse. Davon jedoch seien Verwaltungsgebäude ausgenommen, erklärt Wittmann. Aber wie wäre es denn mit einem alternativen Energiekonzept, fragt er die Novem-Leute. "Es muss was Innovatives sein, dann können wir eine Förderung aus dem Wirtschaftsministerium bekommen." Er sagt tatsächlich: wir.

Schnell noch ein Foto für die Zeitung, schon ist er auf dem Weg nach Windischeschenbach, zum Kontinentalen Tiefbohrprojekt. Wittmann besichtigt die Baustelle einer Ausstellungshalle und eines neuen Bildungszentrums. Das kostet 1,5 Millionen Euro, nur ein Zehntel muss der Trägerverein, dessen Kuratorium der Landrat leitet, zahlen. Der Rest kommt von Bund, Land und diversen Stiftungen.

Für so etwas schadet es nicht, dass Wittmann Leute wie Erwin Huber und Günther Beckstein noch aus Zeiten der Jungen Union kennt. Auch nicht, dass er neun Jahre im Bundestag war. Und sicher nicht, dass er dem Verwaltungsrat der örtlichen Sparkasse vorsitzt.

Am Nachmittag sitzt Wittmann im Büro - unter Stuck und einem Deckengemälde von Göttervater Zeus. Die für Wirtschaftsförderung und Regionalmarketing zuständigen Mitarbeiter sind gekommen. Es geht um einen Fördertopf des Wirtschaftsministeriums, aus dem sich der Landkreis 120.000 Euro holen will. Nun will die Bezirksregierung wissen, welche Projekte gefördert werden sollen und wie deren Erfolg zu messen sei. Wittmann schüttelt den Kopf und klagt: "Wir sind zu bürokratisch."

Eine Besprechung über das "Nahwärmekonzept Vohenstrauß", eine Pressekonferenz in Mitterteich, ein Wahlkampfauftritt in Püchersreuth, der Tag endet spät. Auch am Wochenende ist er im Dienst. Warum? "Ich bin hier zu Hause, ich möchte, dass hier was passiert", sagt Wittmann. Als er 1996 zum ersten Mal als Landrat antrat, war er immerhin Bundestagsabgeordneter der CSU. Nun ist er ein mächtiger Mann geworden - im Landkreis Neustadt an der Waldnaab.

© SZ vom 09.02.2008/schä - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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