Kommunalwahl 2008:Verbale Aufrüstung in Coburg

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Wie das Zerwürfnis zwischen IHK-Chef Stoschek und OB Kastner den Wahlkampf in der fränkischen Stadt Coburg zum Wahlkrieg werden ließ.

Olaf Przybilla

Hendrik Dressel, der Bürgermeister von Seßlach, wird als bedächtiger Mann beschrieben. Vergangene Woche aber platzte dem Oberhaupt der zehn Kilometer südlich von Coburg gelegenen Kommune gehörig der Kragen. Was die Herrschaften da in der benachbarten Stadt Coburg aufführten, das habe mit Wahlkampf nichts zu tun, schimpfte er. In Coburg herrsche der "Wahlkrieg".

Am Fuße der berühmten Veste Coburg herrscht geradezu ein "Wahlkrieg". (Foto: Foto: Fremdenverkehrsamt Coburg)

Man wird Dressel schwer widersprechen können. Denn während der Kommunalwahlkampf in manchen Städten Bayerns über die Dramatik eines Kaffeekränzchens nicht recht hinauskommen will - in Ansbach teilen sich beispielsweise SPD- und CSU-Bewerber ein gemeinsames Wahlplakat - prallen die Parteien in Coburg mit einer Härte aufeinander, die nicht nur den Seßlacher Bürgermeister an den Kalten Krieg erinnert.

Hätte Erwin Huber seine Rede beim politischen Aschermittwoch nur ein wenig mit der Schärfe gewürzt, mit der die CSU in Coburg über den politischen Gegner herfiel - die Halle hätte Huber als begnadeten Rhetor gefeiert.

Während aber Huber in Passau nur zum Kartenspielen animierte, beschimpften seine Parteifreunde den Coburger SPD-Oberbürgermeister Norbert Kastner als "kleinen Schulbub" mit gestrichen vollen Hosen. Die Grünen scholten derweil die CSU-Bewerberin Christine Lochner als "blondes Gift", OB Kastner dagegen als "blind und taub". Mit dessen Namen wiederum trieben die "Jungen Coburger" Schindluder: Der Zustand der Genossen, verkündete die schwarze Nachwuchstruppe, gleiche einem "Kastnerle-Theater".

Gut, könnte man sagen, das war der Aschermittwoch in Coburg. In der 42.000 Einwohner zählenden Stadt in Oberfranken gleicht der Wahlkampf freilich seit Monaten einem zum Dauerzustand erkorenen Faschingsaustrieb. Woran das liegen mag, erklären alle Beteiligten jeweils diametral anders.

Auf einen gemeinsamen Nenner können sich aber nahezu alle einigen: Gleichsam das Ur-Ei des städtischen Dauerzwists soll demnach ausgebrütet worden sein nach einer gemeinsamen ADAC-Rallyefahrt von OB Kastner und einem Mann, den seine Gegner halb spöttisch, halb respektvoll als "Dreieinigkeit von Coburg" titulieren: Es geht um Michael Stoschek, den Hauptgesellschafter des Automobilzulieferers Brose, der in der Stadt zugleich als IHK-Präsident und bekennendes CSU-Mitglied in Erscheinung tritt. Der Bund der Männerfreunde endete mit einem Zerwürfnis, über dessen Grund ähnlich viele Legenden kursieren wie über die Gründungsgeschichte Roms. Wie dem auch sei: Es ist seither kein Frieden mehr in Coburg.

Die Verästelungen des Konfliktes böten hinreichend Stoff für eine Doktorarbeit. Als Höhepunkt darf bislang ein Bürgerentscheid gelten, in dem - zugespitzt formuliert - der Industriemann Stoschek das Stadtoberhaupt Kastner in die Knie zwang: Der OB wollte eine Mehrzweckhalle auf der grünen Wiese, Stoschek eine Halle samt Kongresszentrum in der Innenstadt. Stoschek obsiegte, aber nahezu die gesamte Spitze der örtlichen CSU verbat sich den ausufernden Einfluss eines Unternehmers auf den Stadtrat. Es kam zur Gründung der Christlich Sozialen Bürger (CSB), gegen deren Mitglieder die CSU mittlerweile ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet hat.

Weitere Höhepunkte in der Folgezeit: Stoschek zeigte den Bundesumweltminister Sigmar Gabriel an, weil er sich von diesem auf einer Wahlkampfveranstaltung verunglimpft fühlte. Die IHK-Coburg drohte der SPD mit juristischen Schritten, sollte diese nicht umgehend Wahlplakate entfernen, auf denen Stoschek und der Vorstandssprecher der HUK-Coburg, Rolf-Peter Hoenen, mit alten Aussagen zitiert wurden, die den Anschein erweckten, beide plädierten für die SPD - die Plakate hingen nur wenige Stunden.

Zuletzt forderte der Bundestagsabgeordnete Carl-Christian Dressel den IHK-Präsidenten Stoschek zum Rückzug auf, weil ein Vizepräsident der Kammer in einer IHK-Publikation gefordert hatte, den OB abzuwählen.

Als bessere Alternative wurde in besagtem IHK-Beitrag die CSU-Frau Christine Lochner angepriesen, die auch von FDP und Freien Wählern unterstützt wird - es aber selbst in ihrer Landkreiskommune Grub nicht in den Gemeinderat geschafft hat. Ihr werden ebenso Chancen eingeräumt, den seit 18 Jahren amtierenden Oberbürgermeister in eine Stichwahl zu zwingen, wie dem CSB-Bewerber Gerhard Amend - einem Richter, der bis 2007 den Fraktionsvorsitz der CSU im Coburger Stadtrat inne hatte.

© SZ vom 27.02.2008/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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