Knödel-Ausstellung:Die bayerische Weltkugel

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Mahlzeit, Waffe, Mysterium - eine Ausstellung im Deggendorfer Stadtmuseum widmet sich dem Knödel und zeigt dabei Geschichte zum Anbeißen. Nur eindeutig definieren lässt er sich nicht, der Kloß.

Hans Kratzer

Ob der Knödel ausgerechnet am Einfallstor zum Bayerischen Wald erfunden wurde, ist unter Köchen umstritten. Ungeachtet dessen trägt Deggendorf den Beinamen Knödelstadt mit einem gewissen Recht. Das liegt nicht allein an der Knödelwerferin, eine bronzene Brunnenfigur, die in der Altstadt viele Blicke auf sich zieht.

Auch nicht am Knödelexpress, der ab und zu in den Bahnhof einrollt. Es liegt an der Raffinesse, mit der die Deggendorfer das Kulturgut Knödel nach allen Regeln der Kunst vermarkten, nicht nur als herkömmliches teigiges Nationalgericht, sondern auch hemmungslos als Biskuitspeise und Praliné.

Knödel-Geschichte ohne Grenzen

Dabei hat der gemütliche Ruf als Knödelstadt den Deggendorfern lange Zeit gestunken. Ein dahergelaufener Fremder hatte ihnen den Beinamen verpasst, weil ihn die am Rathaus zur Schau gestellten Prangerkugeln sofort an Knödel erinnert hatten. Als die Hänseleien eine gewisse Eigendynamik entwickelten, behalfen sich die Deggendorfer, indem sie die Folterkugeln tatsächlich in Knödel umdeuteten und sich dazu eine passende Volkssage ausdachten.

Diese schildert einen böhmischen Kriegshaufen, der einst die Stadt belagerte. Nachdem einige Kundschafter beim Überqueren der Stadtmauer mit Knödeln beworfen wurden, berichteten sie ihren Kriegern, dass die Bevölkerung über so viel Essen verfüge, dass sie mit Knödeln werfen könne. Daraufhin seien die böhmischen Truppen frustriert abgezogen. Heißt es.

Die Deggendorfer Knödelsage wird in fast ebenso vielen Varianten erzählt wie es Knödel gibt. Wer sie in allen Details kennenlernen möchte, sollte jetzt das Stadtmuseum von Deggendorf aufsuchen. Dort wird die Kulturgeschichte des Knödels nach dem Motto "Geschichte zum Anbeißen" in einer bisher nicht gekannten thematischen Fülle serviert.

Das Schöne ist, dass der Betrachter nicht nur in bayerische Knödeltöpfe schaut, sondern ebenso in fränkische und böhmische. Denn die Geschichte des Knödels ist nicht an Grenzen gebunden, wo seine Wurzeln liegen, das vermag niemand mehr zu sagen.

"Der Kloß entzieht sich jeder eindeutigen Definition", erklärt Birgitta Petschek-Sommer, die findige Leiterin des Deggendorfer Stadtmuseums. Zwar begegne man ihm in der Kochliteratur ständig, ohne dass wirklich klar sei, wovon die Rede ist. Allerdings ist die Frage der nationalen Identität vielerorts nicht vom Knödel zu trennen.

Herkunft und Wesen umstritten

In Altbayern wurde der Knödel schon früh als bayerische Weltkugel definiert, Knödel und Schweinsbraten wurden ebenso wie die Weißwurst im 19. Jahrhundert zum Nationalgericht erklärt. Im Gegensatz zur Weißwurst aber wurden Knödel, Kloß und Knedlik beispielsweise auch von Tirolern, Franken, Vogtländern, Thüringern und Böhmen als Traditionsspeise vereinnahmt, sei es als Kartoffelknödel, Serviettenknödel, Germknödel, Zwetschgenknödel, Leberknödel oder Semmelknödel.

Bei Letzterem ist ja nicht einmal die richtige Benennung geklärt, ob es jetzt Semmelknödel, Semmelnknödel oder Semmelnknödeln heißt, darüber zerbrach sich schon Karl Valentin den Kopf.

Letzte Fragen über Herkunft und Wesen des Knödels kann zwar auch die Ausstellung in Deggendorf nicht lüften. Aber dafür öffnet sie den Blick auf ein ungeahntes kulinarisches Universum und auf Speisen, die einen unglaublichen Variantenreichtum aufweisen. Das liegt auch insofern nahe, als Knödel beim Esser positive Gefühle hervorrufen, denn mit ihrer runden Form ist ihnen ein stark sinnlicher Aspekt zu eigen.

Nicht nur der fränkische Liedermacher Wolfgang Buck verzehre aus diesem Grunde grundsätzlich immer zwei Klöße, weiß Birgitta Petschek-Sommer. Grundsätzlich rangiert bei vielen Völkern die Größe des Knödels vor dem Geschmack, auch hat die Zahl der verzehrten Knödel literarische Bedeutung. Erich Kästner dichtete: "Als man einmal vom Essen sprach, da dachte Peter lange nach. Dann sagte er mit stiller Größe: Ich esse manchmal dreißig Klöße ... Nach fünfzehn Klößen endlich sank er stöhnend von der Küchenbank." Der Knödel hat außerdem eine ganze Industrie zu Höchstleistungen angespornt.

Knödeltöpfe, Kochlöffel, Kartoffelpressen, Schneidmaschinen für Knödelbrot, Knödelschüsseln und Kochbücher haben viele Menschen aus dem Zulieferhandwerk in Lohn und Brot gebracht. Und wie angeblich in Deggendorf wurden Knödel einmal auch in München-Pasing zu kriegerischen Zwecken eingesetzt. Mit einer Knödelschussmaschine feuerte der Graphiker Helmut Winter im Jahr 1967 auf landende Starfighter, die über seinem Haus für höllischen Lärm sorgten. Über den Pasinger Knödelschützen berichtete seinerzeit die gesamte Weltpresse.

Kloß-Knödel-Knedlik, Stadtmuseum Deggendorf, bis 21.Oktober, Telefon 0991-2960555.

© SZ vom 03.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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