Klöster in Bayern:Franziskaner in Not

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"Nehmt nichts mit auf den Weg und sagt den Leuten: Friede und Heil": Weil dem Bettelorden der Nachwuchs fehlt, müssen immer mehr Klöster ihre Pforten schließen.

Florian Höhne

,,Wenn wir uns Sorgen um die Zukunft machen, dann lockt das auch keine Jugendlichen an'', sagt Pater Benno und sein helles Lachen hallt in dem leeren Speisesaal. Der 66-Jährige steht als Oberer dem Füssener Franziskanerkloster vor. Wieder.

Zwei Franziskaner-Brüder im oberpälzischen Freystadt (Foto: Foto: dpa)

Denn dieses Amt des ,,Guardians'' hatte er schon früher einmal inne. Doch sein jüngerer Nachfolger verließ vergangenen Herbst den Orden. Da musste Benno aus dem fränkischen Kloster Vierzehnheiligen zurück ins Allgäu, um sich wieder um die Gemeinschaft der zehn Brüder im malerischen Franziskanerkloster am Rande der Füssener Altstadt zu kümmern.

Vor einer Stunde saßen die zehn Patres noch bei Schupfnudeln und Sauerkraut zusammen. Der 85-Jährige Pater Rupert erzählte von seiner Zeit als Militärseelsorger. Und auch der 72-jährige Pater Siegfried saß dabei, der Forscher und Künstler unter den Brüdern, dessen farbenfrohe Bilder in fast jedem Winkel des Klosters hängen.

Zu den Franziskanern ging er einst, weil die ihm ermöglichten, seinen Bildungshunger zu stillen. Er studierte Theologie, Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte, wurde in München promoviert und lehrte an der dortigen Franziskaner-Hochschule, bis diese Anfang der siebziger Jahre geschlossen wurde. Zur Gemeinschaft in Füssen gehört auch Pater Hubert, der Offene, Kritische.

Im Kloster hat er ein kleines geistliches Zentrum aufgebaut, gibt Kurse in Zen-Meditation und Yoga. Pater Michael, der mit 28 Jahren seine sichere Stelle als Postbeamter aufgab und zu den Franziskanern ging, arbeitet heute als Pfarrer in Hopfen und als Kurseelsorger. Und dann noch der ruhige Bruder Bertrand: Der 37-jährige Oberschlesier fängt gerade als Altenpfleger an. Beruflich pflegt er alte Menschen und zu Hause lebt er mit älteren Brüdern zusammen. Er höre viel zu, sagt er.

Im Schnitt 61 Jahre

Etwa 61 Jahre beträgt der Altersdurchschnitt der in Bayern ansässigen Franziskaner. In Füssen ist er noch etwas höher, denn Füssen soll Altersruhesitz der Brüder werden. Hinzu kommt, dass schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, kaum mehr junge Brüder nachkommen: 2004 begann ein Mann sein Postulat, die allererste und unverbindlichste Zeit auf dem Weg zum Bruder. 2005 und 2006 waren es jeweils zwei.

Novizen gibt es zur Zeit keine. 92 Brüder in 13 Klöstern zählt zurzeit die bayerische Provinz. Im Jahr 1912 waren es allein im Münchner St. Anna-Kloster noch über 100, 1927 in ganz Bayern fast 600. So fehlen heute junge Führungskräfte und das Geld, das die Brüder durch ihre Arbeit in die Gemeinschaft einbringen. Einige Klöster mussten deshalb schon aufgegeben werden, darunter 2006 auch das bis dato älteste: Ingolstadt. Weitere Schließungen stehen bevor.

Wen es trifft, wird noch verhandelt. Fünf Klöster sollen auf jeden Fall bestehen bleiben: St. Anna München, Füssen, Vierzehnheiligen, Kreuzberg und Dietfurt. Darauf hatte sich im April das Provinzialkapitel geeinigt.

So düster diese Zahlen klingen, so ungern reden die Franziskaner darüber. Lieber erzählen sie von Hilfsprojekten, von ihrem Glauben und über die Vielfalt der Seelsorge, die so typisch sei für die Franziskaner. Beispielsweise Pater Claus Schiefele, der stellvertretende Provinzial der Provinz Bayern.

Er will keine Stimmung aufkommen lassen, wie etwa: ,,Der Letzte macht das Licht aus''. Klöster aufzugeben tue zwar weh, aber: ,,Von den Dingen zu lassen ist für uns selbstverständlich'', sagt er und lächelt gelassen. Hinter ihm an der Wand hängen eine afrikanische Maske und ein Kruzifix, auf dem Regal finden sich Bauhelm, Laptop und Drucker. Lange war der Priester Missionar in Uganda. Seit seinem Eintritt in den Orden im Jahr 1966 lebte er in 17Klöstern und koordiniert jetzt den Umbau von Sankt Anna.

Wenn der 67-Jährige dieses Büro einmal räumen muss, wird er fast alle Dinge dort zurücklassen. ,,Nehmt nichts mit auf den Weg, und sagt den Leuten: Friede und Heil.''

Diese Worte Jesu erklärte Franziskus einst zu seinem Maßstab, als er mit der reichen Kaufmannswelt seines Vaters brach. Schnell wurde der charismatische Franziskus anderen zum Vorbild, die ebenfalls bettelarm und nach dem Gebot des Evangeliums leben wollten. Ein Orden entstand, mit päpstlich anerkannter Regel und eingeteilt in Provinzen. Noch zu Lebzeiten des Heiligen Franziskus von Assisi gab es in Bayern die ersten Minderbrüder.

Heiligen Franz romantisiert

Wieso heute, nach fast 800 Jahren bewegter Geschichte, junge Leute wegbleiben, erklärt jeder Bruder anders. Einer meint, es liege daran, dass die franziskanischen Internate geschlossen wurden: Viele der älteren Brüder hatten ihren Weg in den Orden noch über die Seminare in Landshut oder Freystadt gefunden. Ein anderer meint, die Strukturen seien zu hierarchisch geworden. Pater Claus holt weiter aus: Gut seien die Franziskaner in der Zeit der Hippie-Bewegung angekommen.

Es gab damals sogenannte Schwebefahrten nach Assisi, das Leben des heiligen Franz wurde romantisiert. Die Jugend von heute aber suche kein religiöses Hippietum mehr, sondern Geborgenheit und feste Rollenmuster zur Orientierung, glaubt der Ordensmann.

Bei Franziskanern gebe es nicht das eine Rollenmuster ,,Mönch'', sondern viele Berufe: ,,Ein Franziskaner muss aus sich selbst leben können und Verantwortung übernehmen.'' Auch örtliche Stabilität gibt es nicht: Wer eintritt, wird in die Provinz aufgenommen, nicht in ein Kloster. Pater Benno, der Hobby-Bergsteiger, beschreibt die Lage so: ,,Wir waren schon immer mal wieder in Talsohlen''. Dann lehnt er sich in seiner braunen Kutte entspannt zurück und sagt: ,,Am Ende wird auch jede Talsohle enden.''

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