Kassenärztliche Vereinigung:Krieg ums Lebenswerk

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Unerbittlicher Machtkampf: Axel Munte und Wolfgang Hoppenthaller konkurrieren um die Macht in der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Dabeit geht es auch um viel Geld.

Dietrich Mittler

Der Raum ist mit drei Schlössern gesichert. Abends nach 18 Uhr wird er sogar noch versiegelt. Darin: Tausende von Wahlbriefen in stahlgrauen 1,50 Meter hohen Metallbehältern. Mitte dieser Woche, am 24. November, werden die Behälter geöffnet. Dann wird sich entscheiden, wer künftig im Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) das Sagen hat und das Geld für die Ärzte in Bayern verteilt.

Axel Munte und Wolfgang Hoppenthaller konkurrieren um die Macht in der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. (Archiv) (Foto: dpa)

Es geht um fünf Milliarden Euro, 24.000 Ärzte und eine erbitterte Feindschaft zwischen zwei Männern: Wolfgang Hoppenthaller, der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, setzt an zum Sturm auf die Zentrale seines Erzrivalen, den amtierenden KV-Chef Axel Munte. Hoppenthaller ist entschlossen, seinen Widersacher zu entmachten.

Der 70-jährige Facharzt Munte will es ebenfalls wissen: "Ich kämpfe für die Wiederwahl", sagt er. Keine Spur mehr von der tiefen Niedergeschlagenheit, die ihn 2009 auf dem Höhepunkt der Honorarkrise befallen hatte, als er viel Kritik von seinen Ärzten einstecken musste. Munte contra Hoppenthaller - im Internetportal "facharzt.de" sorgt dieses "Männerduell" für leidenschaftliche Diskussionen. "Gerade die beiden Hauptakteure Munte und Hoppenthaller haben durch ihren teilweise offensichtlich persönlich motivierten Krieg die Ärzteschaft in unnachahmlicher Weise der Lächerlichkeit preisgegeben", schreibt ein Blogger. Die Spaltung der Ärzteschaft habe ein nicht mehr zu tolerierendes Ausmaß erreicht.

Diese Interpretation der jüngsten Ereignisse hat zumindest einen wahren Kern: Nie hat Hausarzt-Präsident Hoppenthaller die Demütigung vergessen, die ihm die Fachärzte bei der KV-Wahl im Oktober 2004 zugefügt haben. Sie ließen ihn in Allianz mit den Psychotherapeuten in sieben Wahlgängen durchfallen. "Für Bayerns Hausärzte ist die KVB jetzt als politische Vertretung tot!", wütete er damals. Und das gilt für ihn bis heute. Kürzlich erst geißelte er das KV-System als "korrupt", als "irreparabel kaputt". Deshalb werde er seinen Kollegen am 26. Januar 2011 in der Nürnberger Arena die Rückgabe der Kassenzulassung empfehlen. "Warum setzt der sich dann auf Platz eins der Liste?", fragen sich viele Fachärzte genervt. Sie verstehen nicht, wie einer für ein Amt kandidiert, das er für überflüssig hält. Und der seit seiner Niederlage alles tut, um die KV zu schwächen.

Hoppenthaller war im Sommer 2008 das Husarenstück gelungen, der Politik ein Gesetz abzutrotzen, das dem Hausarztverband - an der KV vorbei - ein Verhandlungsmonopol mit den Kassen zusichert. Plötzlich verdienten Hausärzte sehr viel mehr Geld - ein Zugewinn, der auch bei Fachärzten Begehrlichkeiten weckte. Solchen Träumen bereitete die Honorarreform der Bundesregierung ein jähes Ende, den Fachärzten drohten gar gravierende Einbußen.

Der Sündenbock war schnell gefunden: Munte. Er wurde massiv von seinen Ärztekollegen beleidigt. Warum also will er sich dieses Amt erneut antun? Weil ihn die 244.405 Euro reizen, die er als KVB-Vorsitzender im Jahr verdient? "Wohl kaum", sagen Freunde, "denn hätte er die Zeit, die er für die KV opfert, in seine Praxis gesteckt, dann hätte er mehr verdient - ohne all den Ärger."

Die Motive, die Hoppenthaller und Munte erneut zum Kampf um die Herrschaft über in der Vertreterversammlung der KV antreiben, sind sehr persönlich: Beide kämpfen um ihr Lebenswerk. Munte will seine Qualitätsprogramme retten, die bundesweit vorbildliche Brustkrebs-Untersuchung, das Darmkrebs-Screening oder die qualitätsgesicherten Ultraschall-Untersuchungen für Schwangere. Programme, um deren Überleben er womöglich bangen muss, wenn sein Erzrivale eine Allianz mit den Kollegen vom Bayerischen Facharztverband eingeht, die für Muntes Qualitätsoffensiven nur Spott übrig haben.

Hoppenthaller wiederum hat vor Hausärzten deutlich gemacht, warum seine Hausärzte in der KV regieren sollen: "Wenn wir unser eigenständiges Verhandlungsmandat mit den Kassen verteidigen können, bleiben wir im System." Der derzeitige KV-Vorstand aber nutze all seinen Einfluss, um dagegen zu agitieren, dass die Hausärzte eigenständig mit den Kassen verhandeln können. Daher müsse er weg.

Fast scheint es so, als flamme der alte Hausarzt-Facharzt-Konflikt erneut auf. Über Ärztegenerationen hinweg hatten die zahlenmäßig überlegenen Fachärzte die KV dominiert, was ihnen die Macht verlieh, die ungeheuren Geldströme in Bayerns Gesundheitssystem in ihrem Sinne zu lenken - zum Ärger der Hausärzte. "Wir verloren in den Jahrzehnten zwischen 1985 und der Gegenwart jede wesentliche Abstimmung bezüglich der Honorarverteilung", sagt Hoppenthaller.

Vorwürfe dieser Art schmetterten die Fachärzte in Bayern stets geschlossen ab - doch mittlerweile bröckeln ihre Reihen. Munte macht sich da keine Illusionen: "Jeder schaut jetzt, wie er überlebt. Da kann man keine Einigkeit erwarten", sagt er.

Doch auch Hoppenthaller hat Widersacher, die einmal Verbündete waren. Aus ihren Reihen sickerte die Nachricht, dass mindestens einer seiner Mitstreiter auf der Wahlliste Abrechnungsbetrug begangen hat.

Insgesamt treten elf Ärztelisten zum Kampf um die KV an, plus vier Listen der Psychotherapeuten. Sehr wahrscheinlich bahnt sich ein Generationswechsel an - weg von den alten zornigen Männern. Ein hoffnungsvoller Aspirant ist der Augsburger Internist Andreas Hellmann. Für Hoppenthaller wie für Munte bleibt der Wahlausgang unberechenbar.

© SZ vom 22.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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