Kabinett 100 Tage im Amt:Die Azubis aus der Staatskanzlei

Lesezeit: 2 min

Da der neue Ministerrat eine Koalitionsregierung ist, sind die Akteure von FDP und CSU gleichermaßen Lernende.

Kassian Stroh

In Bayern gibt es seit vielen Jahren das Projekt "Lernort Staatsregierung". Für einen Tag dürfen interessierte Schüler in ein Ministerium hineinschnuppern und Beamte beobachten. Seit 100 Tagen nun hat das Projekt 18 neue, etwas prominentere Teilnehmer: die Minister und Staatssekretäre von CSU und FDP.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Gespräch mit seinem Stellvertreter Martin Zeil von der FDP (links). (Foto: Foto: dpa)

Als "zwei Lernende" hat Martin Zeil (FDP) die Runde beschrieben, der Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident. "Die eine Seite muss Koalition lernen, die andere Seite muss regieren lernen." Größere Pannen sind den Staatsazubis dabei in ihrer Startphase nicht passiert.

Das liegt vor allem daran, dass die Kabinettsmitglieder einen klaren Rahmen vorfinden, an dem sie sich orientieren müssen: den Koalitionsvertrag. Bei jeder zu entscheidenden Frage geht der erste Griff ins Buchregal zu jenem 71 Seiten starken Werk. Ein Gutteil der Leitentscheidungen wird eben nicht im Kabinett getroffen, sondern fiel längst während der Koalitionsverhandlungen.

Horst Seehofer (CSU), der keinen Zweifel daran lassen will, dass er nicht nur Chef, sondern auch Star des Kabinetts ist, gibt den Ministern nur Leitlinien vor - was auch daran liegen könnte, dass ihn nicht jedes Detail der Landespolitik wirklich so brennend interessiert wie sein Erscheinungsbild auf der bundespolitischen Bühne.

Im Rahmen all dessen können die Minister durchaus selbständig agieren. Vorbei die Zeiten, als ihnen - wie unter Edmund Stoiber - die Staatskanzlei en detail vorschrieb, was sie zu tun und zu lassen haben, was sie wann wie öffentlich verkünden dürfen.

Seehofer greift gleichwohl ein, wenn etwas schief zu laufen droht. Wenn Ärger in der Koalition aufzieht - wie zuletzt beim Thema Uiguren-Flüchtlinge -, versucht er auf dem kurzen Dienstweg mit Zeil, die Fronten zu bereinigen. Und wenn es richtig ernst wird, hat das Kabinett ohnehin nichts mehr zu sagen, sondern jene für die bayerische Landespolitik so unerhörte Einrichtung des Koalitionsausschusses.

Alle heiklen Fragen, personelle zumal, werden in dieser Sechserrunde entscheiden, die CSU und FDP paritätisch besetzen. Seehofer drängt hier auf Diskretion - und ist umso fuchsiger, wenn doch einmal etwas nach außen dringt. Reichlich ungewohnt ist auch noch, dass sich Bayern im Bundesrat inzwischen reihenweise bei wichtigen Entscheidungen enthält, denen die CSU im Bundestag noch zugestimmt hat. Doch wenn die FDP sich quer legt, geht laut Koalitionsvertrag nichts anderes.

Mit erhobener Faust

Seehofer sei schon deshalb der richtige Ministerpräsident, weil er als einstiger Bundespolitiker als einer der wenigen in der CSU "Koalition kann", loben sie ihn in der FDP. Im Gegenzug preist der seine liberalen Staatsazubis stets als professionell. Und als fähig zur Ironie, was bekanntermaßen stilprägendes Element Seehoferscher Äußerungen ist.

Auch im Kabinett, so wird erzählt, sporne er seine Minister schon mal mit erhobener Faust an - als Scherz getarnt steckt in solchen Gesten immer doch ein bisschen Wahrheit und damit Drohung drin. Diesbezüglich sitzt am Kabinettstisch eine Zweiklassen-Gesellschaft, denn die FDP-Minister müssen Sticheleien Seehofers weniger fürchten.

Bei den Sitzungen soll die Atmosphäre gleichwohl gut sein, das kollektive Du hat das Kabinett ja schon bald nach seiner Vereidigung vereinbart. Auf die Frage, ob dort auch Witze auf Kosten des Chefs erlaubt seien, sagt Zeil: "Der Ministerpräsident ist gut im Austeilen, vor allem gegenüber seinen eigenen Leuten, aber auch gut im Nehmen."

© SZ vom 07.02.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: