Internetkriminalität:Ideenbörse für Kriminelle

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Die Augsburger Kripo zerschlägt ein Internetplattform, auf der Viren und gestohlene Daten ausgetauscht wurden. Das Erschreckende: Die meisten Täter sind noch nicht einmal volljährig.

Stefan Mayr

Der Weg zum gefälschten Personalausweis war kinderleicht und kostenlos. Nach wenigen Mausklicks war das Dokument fertig - selbstverständlich mit Name, Adresse, Foto und Geburtsdatum nach Wunsch.

Auf der Internetplattform tummelten sich etwa 33.000 Teilnehmer, um zum Teil höchst kriminelle Taten zu diskutieren oder zu begehen. (Foto: Foto: ddp)

Auf der Internetplattform www.hacksector.cc tummelten sich etwa 33.000 Teilnehmer aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, um zum Teil höchst kriminelle Taten zu diskutieren oder zu begehen. In aller Öffentlichkeit wurden ausgespähte Kreditkartendaten, Viren oder Schadprogramme ausgetauscht und Tipps zum Einbruch oder Drogenschmuggel gegeben. Bis die Kriminalpolizei Augsburg im April das Forum nach monatelanger Recherche abschaltete.

"Es ist erschreckend, mit welcher Dreistigkeit und ohne Unrechtsbewusstsein das im Netz abgeht", sagt Klaus Bayerl, der Leiter der Kriminalpolizei. Die Ermittler identifizierten elf Administratoren. Ihnen wird vorgeworfen, Benutzerdaten und Kennwörter ausgespäht und für betrügerische Geschäfte angeboten zu haben.

Im April fand eine Razzia in sechs Bundesländern statt. Dabei wurden 20 Computer, 1000 CD-Roms sowie Waffen, Drogen und durch Betrug erlangte Waren sichergestellt. Die Schadenshöhe kann aufgrund des großen Ausmaßes nicht beziffert werden. Ein Ermittlungsverfahren läuft bereits, etliche weitere werden demnächst ins Rollen kommen.

Enttarnung der Pseudonyme ist aufwändig

Das Erschreckende an den Ermittlungsergebnissen ist: Die meisten Täter sind noch nicht einmal volljährig und werden wohl unerkannt davonkommen. Denn die Enttarnung der Pseudonyme erfordert einen enormen Aufwand, den die zwei Augsburger Sachbearbeiter nicht leisten können. "Wir haben zwar intern umorganisiert und ein Kompetenzteam EDV eingerichtet", berichtet Schwabens Polizeipräsident Klaus Waltrich, aber um alle Computerbetrüger dingfest zu machen, müsste er aus anderen Bereichen zusätzlich Personal abziehen.

Nach Angaben des Landeskriminalamtes ist die Computerkriminalität im Jahr 2007 im Vergleich zu 2006 um 17,5 Prozent gestiegen. Speziell beim Ausspähen, Verändern, Fälschen von Daten sowie der Computersabotage beträgt der Anstieg sogar mehr als 72 Prozent.

"Hier tut sich eine Schleuse auf mit gigantischen Auswirkungen", warnt Polizeipräsident Waltrich, "noch kursiert das Wissen nur unter pfiffigen Schülern, aber wenn erst einmal die Dumpfkriminalität diese Methoden anwendet, dann kann das für viele Bürger sehr belastend werden."

"Das Wissen der Täter explodiert"

Waltrich und Bayerl fordern deshalb ein Umdenken der Bürger und der Politik. "Wir rufen teilweise unsere sensiblen Daten mit dem Megaphon über die Straße", sagt Klaus Waltrich. Er appelliert, mit persönlichen Daten sorgsamer umzugehen und technische Präventionsmittel zu nutzen.

"Zudem harren viele Bereiche noch der Regelung", betont der Polizeipräsident. So seien Rechtshilfeersuchen in vielen Ländern, in denen die Computerserver stehen, nicht möglich. Selbst in den USA dauere ein solches Verfahren mehr als ein Jahr. "Das ist viel zu lange", sagt Kriminalpolizei-Chef Bayerl, "gleichzeitig explodiert das Wissen der Täter."

Das Landeskriminalamt hat angesichts der steigenden Computerkriminalität das Sachgebiet "Netzwerkfahndung" eingerichtet, in dem 13 Beamte "anlassunabhängig" durchs Internet stöbern. In anderen Bundesländern gibt es solche Stellen noch nicht.

Die Freude der Augsburger Ermittler über ihren Erfolg hält sich deshalb in Grenzen. "Es gibt sicherlich schon viele neue Foren, in denen die selben Inhalte weiter ausgetauscht werden", sagt ein Sachbearbeiter. Allerdings werden die Täter nicht nochmals den Fehler machen, ihr Forum der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

© SZ vom 07.05.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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