Hitler-Gefängnis Landsberg:Wo der Teufel Urlaub machte

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Die Haftanstalt Landsberg wird hundert Jahre alt. Einst war hier Adolf Hitler inhaftiert, heute seufzen dort Klatschreporter und Erpresser.

Hans Kratzer

Seit einem halben Jahr ist er wieder auf freiem Fuß. Vorher durfte der Klatschreporter Michael Graeter die Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg geschlagene 239 Tage lang von innen studieren. Er hatte gegen Bewährungsauflagen verstoßen, wurde deshalb zum Landsberger HäftlingNr.10108 und damit für acht Monate aus seinem Leben gerissen. "Ich war lebend tot", klagte er danach.

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In der Tat, wer vor dem mächtigen Riegel an der Hindenburgstraße steht, der versteht schon ein bisschen, warum Graeter die JVA Landsberg das "bayerische Alcatraz" nennt. So trutzig wirken diese Mauern, so uneinnehmbar, als sollten sie alle Bösewichter dieser Welt auf ewig vom braven Teil der Menschheit trennen.

Vor 100 Jahren ist die Anstalt eröffnet worden. Da ahnte noch niemand, dass sie zu einem der berühmtesten Gefängnisse der Neuzeit werden sollte. Das kriegerische 20. Jahrhundert machte aus Landsberg sehr bald einen Brennpunkt der deutschen Justiz- und Rechtsgeschichte.

Als ob der Teufel Urlaub machte

Freilich, so seelentief wie Graeter hat nicht jeder Häftling in Landsberg gelitten. Am allerwenigsten der Verbrecher Adolf Hitler, der 1923 nach dem gescheiterten Putsch hier einpassieren musste. Hitlers Haft zählt zu den unauslöschlichen Kapiteln der Landsberger Gefängnisgeschichte. Es war, als ob der Teufel hier Urlaub machte und sein Gift verträufelte. Hier diktierte Hitler den ersten Band seines Machwerks "Mein Kampf" und bereitete den Boden für die kommende Katastrophe.

Der Wachtmeister, der dem Reporter das Gefängnistor aufschließt, schüttelt den Kopf. "Warum lasst Ihr nicht endlich Gras über die Sache wachsen?", fragt er. Hitler und Landsberg: "Warum muss man das immer wieder hochkochen?" Mürrisch lässt er die Tür ins Schloss fallen. Es hallt noch genauso wie damals anno 1919, als Landsberg den ersten Festungshäftling aufnahm: Anton Graf von Arco auf Valley, der 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner erschossen hatte.

Die Festungshaft war die mildeste Form der Freiheitsstrafe", sagt Harald Eichinger, der stellvertretende Anstaltsleiter. Sie galt als Ehrenhaft. Das Volksgericht München hatte Hitler zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt und ihm eine ehrenhafte Gesinnung attestiert. Am 20. Dezember 1924 wurde er vorzeitig entlassen. Nach der Machtübernahme stilisierten die Nazis die Gefängniszelle Hitlers zum nationalsozialistischen Wallfahrtsort.

"Kriegsverbrechergefängnis Nummer eins"

Die Gefangenenunterkünfte auf dem sechs Hektar großen Areal haben sich seit damals kaum verändert. Nur der Festungsbau, in dem Hitler saß, wurde völlig umgestaltet. Hier verlöten jetzt Gefangene Platinen und Kabelbäume. Die Amerikaner tilgten nach dem Krieg jede Erinnerung an die ehemalige NS-Wallfahrtsstätte und errichteten stattdessen ihr "Kriegsverbrechergefängnis Nummer eins". Nun saßen hier NS-Kriegsverbrecher und ranghohe Nazis. Hunderte wurden bis zum Juni 1951 hingerichtet. Der Rest wurde entlassen, als die US-Verwaltung das Gefängnis 1958 an den bayerischen Staat übergab.

Von der Straße aus fällt der Blick unweigerlich auf einen Friedhof, der mit lauter Holzkreuzen bestückt ist. Dort wurden nach 1945 die hingerichteten Kriegsverbrecher bestattet. Etwa Martin Weiss, der Kommandant des Vernichtungslagers Majdanek und des KZ Dachau. Oder Oswald Pohl, einer der Hauptorganisatoren des Holocaust. Sie ruhen neben Nazi-Opfern. Es gab deshalb Querelen. Doch der Friedhof wurde als Denkmal der Zeitgeschichte belassen. Nur die Namen auf den Kreuzen wurden entfernt, das individuelle Totengedenken wurde damit aufgehoben.

Alle beten gemeinsam das Vaterunser

Heute sitzen in Landsberg vor allem Ersttäter, die länger als drei Monate inhaftiert sind. In den Reihen der 768 Gefangenen sind auch sieben Lebenslängliche. "Wir machen keine Unterschiede, wir trennen sie nicht nach Delikten", sagt Eichinger. Sehr deutlich wird dies beim Gottesdienst in der Anstaltskirche: "Mörder, Bankräuber, Sexualverbrecher und Wirtschaftsdeliktler beten gemeinsam das Vaterunser", beobachtete Graeter.

Auch an Prominenz herrscht selten Mangel. Oetker-Entführer Dieter Zlof, Konzertmanager Marcel Avram, Unternehmer Karl-Heinz Wildmoser jr. sind nur einige aus der Gefangenenliste. Vielleicht ist auch Helg Sgarbi schon eingetroffen, der Erpresser der Milliardärin Susanne Klatten. Die Gefängnisleitung gibt dazu keine Auskunft.

Wer einmal in Landsberg sitzt, der kommt aus eigener Kraft nicht mehr so leicht heraus. Die letzte Flucht datiert vom Mai 2007. "Ausbrüche werden immer seltener", sagt Anstaltsleiter Eichinger. Die Gefängnistechnik hat einen hohen Perfektionsgrad erreicht. Auf dem Weg in die Freiheit bleibt den Häftlingen nur die Geduld. Illusionslos resümiert Graeter: "Die Zeit im ,Hotel Vier Eisenstangen' ünsche ich nicht mal meinem ärgsten Feind."

© SZ vom 31.03.2009/jree - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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