Günther Beckstein im Interview:"Neue Wirtschaftsordnung erforderlich"

Lesezeit: 2 min

Auf neuen Wegen: Für Bayerns Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein ist die freie Marktwirtschaft gescheitert. Ein Gespräch des CSU-Politikers mit sueddeutsche.de. über Staatshilfen für Schaeffler, Kanzlerin Merkel und den Ministerstar Guttenberg.

H.-J. Jakobs, B. Kruse

Ein Franke für Franken: Die Zukunft des Unternehmens Schaeffler aus Herzogenaurach liegt dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein, 65, sehr am Herzen. Im Gespräch mit sueddeutsche.de spricht sich der CSU-Politiker für eine Rettung des Konzerns aus - im Zweifel auch mit Hilfe von Staatsgeldern. Sollte Schaeffler scheitern, sieht er eine ganze Region wanken.

Günther Beckstein: "Ich kenne keinen Aktionär, der freiwillig sein Geld wieder rausrücken würde." (Foto: Foto: dpa)

Darüber hinaus fordert er eine neue Wirtschaftsordnung für Deutschland und hält mit seiner Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht hinterm Berg.

sueddeutsche.de: Herr Beckstein, noch immer gibt es keine Lösung für das Unternehmen Schaeffler aus Ihrer fränkischen Heimat. Wie lange wird das Unternehmen die Hängepartie noch aushalten?

Günther Beckstein: Das ist schwer zu sagen. Die Mitarbeiter wollen Klarheit und nicht weiter sorgenvolle Ungewissheit. Ich denke, dass in höchstens sechs Wochen eine Lösung gefunden ist. Ohne die Finanzkrise und den Einbruch der Konjunktur wären die Pläne von Schaeffler ohne jede Unterstützung aufgegangen. So ist Hilfe notwendig.

sueddeutsche.de: Zum Beispiel Hilfe vom Staat?

Beckstein: Ja, unter einer wichtigen Voraussetzung: Auf jeden Fall muss geklärt werden, wie ein tragfähiges Zukunftskonzept für Schaeffler aussehen kann. Dann wäre eine Hilfe - auch mit Steuergeldern - für das Unternehmen zur Überbrückung der aktuellen Krise unproblematisch.

sueddeutsche.de: Die Rückabwicklung der Fusion mit dem Reifenhersteller Continental wäre doch auch eine Option, und zwar ganz ohne Steuergelder.

Beckstein: Sicher? Ich kenne keinen Aktionär, der freiwillig sein Geld wieder rausrücken würde. Damals haben sie 75 Euro pro Aktie bekommen.

sueddeutsche.de: Bei der Frage nach Schaeffler geht es ja nicht nur um ein Unternehmen, es geht auch um die Zukunft einer Region.

Beckstein: Ohne Schaeffler wäre die Region wirtschaftliches Notstandsgebiet. Insgesamt geht es bei der Rettung von Schaeffler um doppelt so viele Arbeitsplätze wie bei Opel.

sueddeutsche.de: Hat die Bundesregierung die richtigen Antworten auf die Krise parat?

Beckstein: Da gibt es zwei Probleme. Zum einen weiß keiner, wie eine neue Ordnung aussehen könnte. Man weiß nur: Die freie Marktwirtschaft ist gescheitert, ebenso wie die staatliche Überregulierung. Zum anderen wagt sich die Politik nicht an die Debatte, wie eine neue Wirtschaftsordnung aussehen könnte. Doch das wäre jetzt dringend erforderlich. Denn eines ist klar: Mit den alten Blaupausen von vor zehn Jahren kommen wir nicht weiter.

sueddeutsche.de: Von Bundeskanzlerin Angela Merkel hört man in der Not wenig Konkretes. Ist der Vorwurf der Führungsschwäche also gerechtfertigt?

Beckstein: Ich kann nicht feststellen, dass sich Frau Merkel im letzten Dreivierteljahr verändert hätte. Auf jeden Fall ist sie eine Politikerin, die ihre Entscheidungen mit Härte durchzusetzen versteht. Und wer da nicht mitmacht, bekommt das zu spüren.

sueddeutsche.de: Sprechen Sie aus eigener Erfahrung?

Beckstein: Ja.

sueddeutsche.de: Welche?

Beckstein: Das werde ich Ihnen sicher nicht verraten.

sueddeutsche.de: In der größten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten soll Karl-Theodor zu Guttenberg, der jüngste Bundeswirtschaftsminister aller Zeiten, die Kohlen aus dem Feuer holen. Ist er der Aufgabe überhaupt gewachsen?

Beckstein: Davon bin ich überzeugt. Guttenberg macht derzeit vieles richtig. Nicht nur, dass er unheimlich präsent ist; es gelingt ihm auch, das unterschiedliche Fachwissen in seinem Ressort zu bündeln. Außerdem: Die noch schwierigeren Zeiten werden noch kommen. Nämlich dann, wenn er Entscheidungen treffen muss, die in der Bevölkerung nicht gut ankommen.

sueddeutsche.de: Mit 37 Jahren ist Guttenberg aber noch sehr jung. Außerdem hat er Jura und nicht Wirtschaftswissenschaften studiert.

Beckstein: Das Alter ist nichts Ungewöhnliches. Auch in der freien Wirtschaft gibt es Geschäftsführer, die zum Teil noch viel jünger sind als Guttenberg. Denken Sie nur an Jochen Zeitz, der mit 30 Jahren Vorstandschef von Puma wurde. Außerdem hängt der Erfolg in der Politik nicht vom Studiengang ab.

sueddeutsche.de: Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem jungen CSU-Kollegen mit auf den Weg geben?

Beckstein: Mit Ratschlägen halte ich mich zurück. Ich bin mir sicher, die würden mehr als Schlag denn als Rat empfunden werden.

© sueddeutsche.de/cmat/jja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: