Gräfenberg:Gericht lässt Nazis marschieren

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Zum 20. Todestag von Rudolf Heß dürfen Nazis in Gräfenberg demonstrieren. Das hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden. Für den Bürgermeister ein Skandal.

Die rechtsextreme NPD darf an diesem Samstag im oberfränkischen Gräfenberg (Landkreis Forchheim) demonstrieren. Dies entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Eilverfahren. Die geplante Kundgebung ist nach Ansicht der Richter keine Ersatzveranstaltung für den verbotenen Neonazi-Aufmarsch in Wunsiedel zum 20. Todestag des Hitler- Stellvertreters Rudolf Heß. Der Gräfenberger Bürgermeister Werner Wolf von den Freien Wählern übte scharfe Kritik an der Entscheidung."Ich empfinde den Richterspruch als Skandal", sagte er.

(Foto: Foto: ddp)

Wolf rechnet damit, dass mindestens 1000 Neonazis in Gräfenberg aufmarschieren werden. CSU, Freie Wähler und SPD sowie das "Bürgerforum Gräfenberg" riefen zu einer Gegenkundgebung auf, zu der rund 500 Teilnehmer erwartet werden. Außerdem will das ,"Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg" in Gräfenberg demonstrieren.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) wies eine Beschwerde des Landratsamtes Forchheim gegen eine gleichlautende Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth zurück. Dieses hatte die NPD-Kundgebung unter der Bedingung zugelassen, dass Äußerungen zu Rudolf Heß und seinem Todestag zu unterbleiben hätten. Heß, der am 17. August 1987 im Gefängnis Spandau Suizid verübte, ist in Wunsiedel begraben.

Der VGH gelangte zu der Ansicht, "dass hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Umwidmung der angemeldeten Versammlung in eine Heß-Kundgebung nicht vorliegen". Die vom Landratsamt Forchheim angeführten Indizien reichten nicht aus. Durch die Auflagen des Verwaltungsgerichts Bayreuth sei ausgeschlossen, dass Heß zum Thema der Versammlung gemacht werde. Sollte dies doch geschehen, so könne die Veranstaltung sofort aufgelöst werden.

Bürgermeister Wolf zeigte sich erschüttert, dass der Verwaltungsgerichtshof offenbar das Ausmaß der Veranstaltung ignoriere. Der Sprecher des Landratsamtes Forchheim, Wolfgang Spörlein, sagte: "Wir sind maßlos enttäuscht." Das Landratsamt bleibe bei seiner Auffassung, dass die NPD in Gräfenberg eine Ersatzveranstaltung für Wunsiedel plane.

"Die Nazis wuchern wie Schimmelpilze"

Auch die Landtags-Grünen kündigten bereits Protest gegen den Nazi-Aufmarsch an. Die Grünen-Abgeordneten Christine Stahl und Ulrike Gote werden an der Gegendemonstration."Wir müssen mit aller Entschiedenheit deutlich machen, dass wir den braunen Horden nicht die Straße überlassen werden", sagte Christine Stahl, die auch eine der Rednerinnen auf der Kundgebung gegen die NPD-Demo in Gräfenberg sein wird.

Damit wollen sich die beiden grünen Abgeordneten gemeinsam mit der Grünen Jugend auch solidarisch mit den Bürgerinnen und Bürgern der oberfränkischen Stadt erklären, die seit 1999 regelmäßig von Neonazi-Aufmärschen heimgesucht wird. Ebenfalls für den morgigen Samstag haben die grünen Bundestagsabgeordneten Elisabeth Scharfenberg und Monika Lazar ihre Teilnahme am "Tag der Demokratie" in Wunsiedel angekündigt.

Christine Stahl warnte angesichts der Fülle von Veranstaltungen rund um den 20. Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß vor der massiven Ausbreitung der NPD in Bayern: "Die Neonazis wuchern wie die Schimmelpilze und unterwandern mit einem betont bürgerlichen Anstrich den vorpolitischen Raum. Das ist eine schleichende Gefahr für unsere Demokratie." Es sei deswegen unabdingbar, sich den braunen Umtrieben vehement entgegenzustellen.

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