Gauweiler:Der volkstümliche Feuerkopf

Lesezeit: 2 min

Vom Polizeigeneral zum konservativen Intellektuellen: Peter Gauweiler wird sechzig Jahre alt.

Heribert Prantl

Er könnte der Seehofer sein. Er hätte auch schon Streibl sein können, Stoiber oder Beckstein. Er hätte werden können, was und wie Franz Josef Strauß war: Ministerpräsident, CSU-Chef, ein wortmächtiger, geschichtsbewusster Tribun der weiß-blauen Volkspartei. Es ist bekanntlich anders gekommen.

Streitbar: Peter Gauweiler (Foto: Foto: ddp)

Strauß, dessen Jünger und Meisterschüler Peter Gauweiler war, ist 1988 überraschend gestorben. Damals war Gauweiler 39 Jahre alt und der Star der CSU - dank seinem Redetalent, dank seinen begnadeten populistischen Gaben und dank der Hand, die Franz Josef über ihn hielt.

Gauweiler war für seine Partei damals noch viel wichtiger als heute der Baron Guttenberg; er war viel volkstümlicher und sehr viel streitbarer. Hätte Strauß sein politisches Testament noch machen können, er hätte den "schwarzen Peter" zu seinem Erben eingesetzt.

Edmund Stoiber hat die vorgezeichnete Erbfolge verhindert. Stoiber hat mit Geschick und Machtbewusstsein die Strauß-Ära beendet und, öffentliche Vorwürfe gegen Gauweiler geschickt nutzend, diesen aus dem Kabinett gedrängt. Gauweiler hat sich mächtig aufgebäumt; seine Hohn- und Spottrede im Münchner Pschorr-Keller am Aschermittwoch 1993 gegen Stoiber und seine Polit-Zwerge ist legendär.

Es war dies Gauweilers Generalabrechnung und seine Abschiedspredigt auf dem Weg zum bunten Hund und Außenseiter der CSU. Er warf sich ersatzweise auf die Juristerei, wurde ein höchst erfolgreicher Rechtsanwalt mit Sitz am Münchner Promenadeplatz, wo er erst einmal Neidvernichtungspillen verzehrte.

Von Kreis- und Bezirksverbänden der CSU lässt er sich gerne rufen, wenn die einen Redner brauchen, der Saal und Bierzelt zum Toben bringen kann. Man spürt: Der Mann, jetzt Bundestagsabgeordneter im Haupt- und Rechtsanwalt im Nebenberuf (oder umgekehrt?), ist ein Lustpolitiker, einer, der keine Angst hatte und keine Angst hat - auch nicht vor dem Zeitgeist.

"Saustall Fußgängerzone"

Gauweiler war als Zwanzigjähriger in den Ring Christlich Demokratischer Studenten und in die CSU gegangen, in einer Zeit, als seine Altersgenossen von dort flohen. Unter seinem Mentor Strauß war er erfolgreicher Organisator von Wahlkämpfen, furioser und rabiater Leiter des Münchner Kreisverwaltungsreferats, der mit dem "Saustall Fußgängerzone" und der "Oktoberfest-Mafia" aufräumte.

Als Staatssekretär im Innenministerium war er eine Art Polizeigeneral, er verfocht eine strikte Ausländer- und eine fast brutale Aids-Politik. Als Umweltminister entwickelte er eine Tatkraft, die selbst die Grünen erstaunte.

Die so genannte Kanzleiaffäre störte die Karriere, fragwürdige Nebeneinkünfte wurden Gauweiler vorgeworfen, aus der Verpachtung seines früheren Anwalt-Kundenstammes an eine Anwaltskanzlei. Der Anwaltsgerichtshof stellte freilich später fest, dass alles seine Ordnung gehabt habe. Aber da hatte Gauweilers Isolierung in der Partei schon begonnen, und er selbst war im Stadium der christsozialen Metamorphose.

Aus dem Law-and-Order-Politiker von einst wurde einer der wenigen politischen Intellektuellen, die das konservative Lager zu bieten hat. Er kostet die Freiheit des freien Abgeordneten aus: als strikter Gegner des amerikanischen Irak-Kriegs und des Afghanistan-Einsatzes, als Mahner vor amerikanischen Allmachtsansprüchen und als Kritiker der EU-Politik.

Er hat Freunde in allen politischen Lagern, weil er ein kluger und charmanter Feuerkopf ist. Mit Klagen beim Bundesverfassungsgericht erzwingt er die Klärung europarechtlicher Fundamentalfragen. In der kommenden Woche wird Karlsruhe über Gauweilers Klage gegen den Lissabon-Vertrag entscheiden.

Gauweilers größter Wunsch ist es, dass die Richter eine Volksabstimmung darüber anordnen. Es wäre ihm das tollste Geburtstagsgeschenk. Am heutigen Montag wird Gauweiler sechzig Jahre alt.

© SZ vom 22.6.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: