Franken:Der Hinterzimmer-Favorit

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Mit einem besonders kaltschnäuzigen Akt von Kungelei bringt CSU-Bezirkschef Markus Söder die Nürnberger Basis gegen sich auf.

Olaf Przybilla

Die Szene in der Orangerie in Ansbach ist noch keine zwei Wochen vergangen. Karl-Theodor zu Guttenberg spricht zur rebellierenden fränkischen CSU-Basis und erntet viel Zustimmung. In keinem Moment aber brandet länger Beifall auf als nach jener Passage, in der der neue CSU-General das "gelegentlich grenzwertige Hinterzimmergekungel" in seiner Partei brandmarkt.

Markus Söder (Foto: Foto: Heddergott)

Dieses undurchsichtige Postengeschachere, auf das die Parteibasis im Nachgang nur wahlweise erstaunt oder entsetzt reagieren könne, diese Winkelzüge im demokratisch kaum legitimierten Off müssten sich endlich ändern, schäumt Guttenberg. Wenige Tage später dürfte der Generalsekretär einen Fall in Franken mit Interesse zur Kenntnis nehmen.

Pikanterweise spielt die Causa im CSU-Bezirksverband Nürnberg. Dessen Chef heißt Markus Söder, der nach dem Nürnberger CSU-Debakel bei der Kommunalwahl Günther Beckstein in diesem Amt beerbte. Kurz zuvor war Guttenberg zum CSU-Bezirkschef in Oberfranken gekürt worden.

Der 36 Jahre alte Guttenberg ist nicht nur fünf Jahre jünger als Söder. Er hat seinem Vorvorgänger auch schon einmal einen Brief geschrieben, in dem er sich über das "verstörende" Niveau eines Wortbeitrags von Söder mokierte. Kürzlich wurde Söder gefragt, was er denn vom neuen CSU-General aus Oberfranken halte. Söder sagte: "Wieso? Das ist doch ein guter Mann."

Nun der Fall aus Nürnberg. Dort ist in den vergangenen Jahren kaum ein Amt so heftig in die Diskussion geraten wie das CSU-Bundestagsmandat im Wahlkreis Nürnberg-Süd. Inne hat es momentan die 67 Jahre alte Abgeordnete Renate Blank, die in Nürnberg überwiegend in zwei tragenden politischen Rollen in Erscheinung tritt: als Antipodin zu Nürnbergs CSU-Bürgermeister Klemens Gsell. Und als die vielleicht prononcierteste Gegnerin Markus Söders in der CSU.

In ihrer ersten Rolle machte Blank in den vergangenen Monaten eine etwas kuriose Figur. Dass CSU-Bürgermeister Gsell nicht gegen SPD-Oberbürgermeister Ulrich Maly angetreten war, um als Chef ins Nürnberger Rathaus einzuziehen, war alles andere als ein Geheimnis. Denn Gsell wurden gegen den populären Amtsinhaber von vornherein kaum Chancen eingeräumt. Gsell ging es darum, sich mit einem respektablen Ergebnis für die Nachfolge Blanks zu qualifizieren.

Nach dem Debakel bei der OB-Wahl - Gsell kam auf 27 Prozent der Stimmen - machte sich die Abgeordnete Blank monatelang einen Spaß daraus, mit ihrem Wiederantritt zu kokettieren: Warum sollte nicht eine 68-Jährige nochmals antreten? Blank fragte das so provokant, bis Gsell - der sie gelegentlich öffentlich aufforderte, endlich den Mund zu halten - seine Ambitionen auf das Mandat zurückzog.

Favoriten vor die Nase gesetzt

Nürnbergs CSU-Chef Söder hat seither ein Problem. Denn nachdem Gsell die Waffen streckte, gab Blank ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur bekannt. Im CSU-Kreisverband Nürnberg-Süd begannen muntere Debatten über mögliche Nachfolger. Die von der Basis gehandelten Kandidaten bestanden aber offenbar nicht vor dem Auge Söders.

Der Chef setzte der Basis deswegen kurzerhand den eigenen Favoriten vor die Nase: Söders langjährigen Weggefährten und Vertrauensmann Michael Frieser. Die Wut an der Nürnberger CSU-Basis über diesen besonders kaltschnäuzigen Akt von Hinterzimmerkungelei ist seitdem groß. Denn erstens hatte Frieser, der als Polit-Feuilletonist gilt, das Debakel bei der Kommunalwahl als Vorsitzender der CSU-Stadtratsfraktion offenkundig mitzuverantworten.

Und zweitens stammt er nicht aus dem CSU-Verband Nürnberg-Süd. Der Abgeordneten Blank verhilft all dies noch einmal zu einem unverhofften Auftritt: Die Nürnberger CSU und ihr Chef Söder hätten offenbar überhaupt nichts dazu gelernt, lässt sie sich zitieren. Und: "Demokratie findet anscheinend nicht statt."

© SZ vom 22.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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