FJS-Preis für Juncker:Von Spätberufenen und Hungersnöten

Lesezeit: 1 min

Wie sich Edmund Stoiber für seine Trotzigkeit in Sachen Europa entschuldigte - und wie der luxemburgische Premierminister Juncker den Franz-Josef-Strauß-Preis erhält.

R. Deininger

Edmund Stoiber hatte viele gute Dinge zu sagen über Jean-Claude Juncker und dessen Beitrag zum vereinigten Europa. Der luxemburgische Premierminister wurde am Freitagvormittag von der Hanns-Seidel-Stiftung mit dem Franz-Josef-Strauß-Preis ausgezeichnet, und Stoiber war es im Kaisersaal der Münchner Residenz aufgetragen, in einer Laudatio die europäischen Verdienste Junckers zu vermessen.

Der luxemburgische Premierminister Juncker (links) und Bayerns Ex-Ministerpräsident Stoiber. (Foto: Foto: dpa)

Juncker gilt als einer der Väter des Euro, Stoiber dagegen hätte es mit seinem bockigen Widerstand vor zehn Jahren beinahe zum Totengräber der Gemeinschaftswährung gebracht. Viele im erlesenen Publikum erwarteten also, dass der Ministerpräsident und Europa-Skeptiker im Ruhestand kaum darum herum kommen würde, im Zuge der Würdigung Junckers auch bei sich selbst die Messlatte anzulegen. Und recht hatten sie.

Juncker und Stoiber verbindet schließlich eine gemeinsame Geschichte. Als Stoiber im Januar 1998 unentwegt Schreckensbilder von den Nachteilen einer Währungsunion für Bayern zeichnete, reiste Juncker zur Klausur der Bonner CSU-Landesgruppe nach Wildbad Kreuth. Seine Mission: Aufklärung. Nachteile, beschied er den Abgeordneten, seien etwa so wahrscheinlich wie eine Hungersnot in Bayern.

Doch Stoiber blieb zunächst hart. Am Ende musste sein ewiger Parteirivale und Euro-Verfechter Theo Waigel mit dem Rücktritt als Bundesfinanzminister drohen, um ihn an einer Ablehnung des Euro im Bundesrat zu hindern. Waigel saß nun in der freitäglichen Feierstunde in der ersten Reihe, und mancher Zuschauer riskierte ernste Halswirbelverletzungen beim Versuch, seine Reaktion auf Stoibers Rede stets im Auge zu behalten.

Unlängst hatte Waigel nämlich bei einem Konzert in der Wieskirche angekündigt, er werde Stoiber per Zwischenruf an das Zitat mit der Hungersnot erinnern, wenn er es nicht von selbst erwähne. Waigel konnte schweigen.

Stoiber setzte sein schönstes Grinsen auf und bekannte, in Sachen Europa ein "Spätberufener" zu sein. Er versicherte, dass es dem Spätberufenen, inzwischen ja selbst in Diensten der EU, natürlich eine große Ehre sei, einem echten "Herzenseuropäer" wie Juncker gratulieren zu dürfen.

Der dankte im Gegenzug dem "Freund Edmund" und wandte sich dann an Reinhard Marx, den Erzbischof von München und Freising: Die Priesterseminare wären völlig überfüllt, mutmaßte er, "wenn es in der katholischen Kirche genau so viele Spätberufene gäbe wie in Europa".

Beim Stehempfang nach der Verleihung gönnte sich Waigel einen Serviettenknödel. Er habe nicht eingreifen müssen, befand er zufrieden: "Wenn jemand so viel Selbstironie zeigt wie der Edmund, muss man Vergebung walten lassen."

© SZ vom 06.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: