CSU vor der Landtagswahl:Von Giftpfeilen und Sündenböcken

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Eine neue Umfrage sieht die CSU bei nur noch 49 Prozent. Die entscheidende Frage: Würde das Spitzenduo Beckstein/Huber über ein solches Ergebnis stürzen?

Kassian Stroh

Wie schnell sich Analysen doch ändern können. Vor zwei Wochen erst ließ CSU-Fraktionschef Georg Schmid die Welt wissen, nun sei seine Partei "überm Berg". Am Dienstag jedoch hörte sich das ganz anders an: "Die CSU ist auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel", sagte Schmid da. Den Sinneswandel bewirkt hat eine aktuelle, repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GMS.

Alles, nur nicht einig: Günther Beckstein und Erwin Huber (vorne, v. l.) wollen im Amt bleiben, auch wenn die CSU weniger als 50 Prozent der Stimmen holt. Horst Seehofer und Edmund Stoiber (hinten) sehen das offenbar anders. (Foto: Foto: ddp)

Wäre am nächsten Sonntag Wahl, so hat es im Auftrag des Fernsehsenders Sat1 ermittelt, käme die CSU nur noch auf 49 Prozent - zwölf Prozent weniger als vor fünf Jahren. Allerdings könnte sie weiter alleine regieren, da die SPD auf 19 Prozent, die Grünen auf elf, die FDP auf sieben und die Freien Wähler auf fünf Prozent kämen. Die Linkspartei würde mit vier Prozent nicht in den Landtag einziehen.

Zwar pendelt die CSU in allen Umfragen seit Mai zwischen 48 und 50 Prozent. Doch die am Dienstag von GMS veröffentlichte dürfte aus zwei Gründen die christsozialen Wahlkämpfer beunruhigen: Sie ist die erste seit bald sechs Wochen; das deutet darauf hin, dass der Schub, auf den die CSU in der Schlussphase des Wahlkampfes setzt, bisher ausgeblieben ist. Auch ermittelte GMS für die CSU in den vergangenen Monaten eher höhere Werte als die anderen Umfrageinstitute.

Seehofer stichelt

Meinungsforscher warnen zwar davor, Umfragen überzubewerten - schließlich entschieden sich viele Wähler buchstäblich erst in letzter Minute, ob und wen sie wählen gehen. Gleichwohl signalisieren alle bisherigen Umfragen: Wer am 28.September wie abschneidet, ist völlig offen. Dabei hatte doch Ministerpräsident Günther Beckstein die Losung ausgegeben, eine "Zitterpartie" bis zum Schluss unbedingt vermeiden zu wollen.

Mit der Umfrage bekommt auch die Ansicht von CSU-Vize Horst Seehofer ein neues Gewicht, die er am Montag in der Mittelbayerischen Zeitung kundtat: Mit einem Ergebnis von 52 Prozent und mehr bekäme Beckstein "die eigene Legitimation". "Die Führung Beckstein/Huber ist dann vom Wähler bestätigt und hat eine natürliche Autorität."

Im Umkehrschluss heißt das aber, dass mit jedem schlechteren Ergebnis Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber keine Autorität besäßen. Und einen zweiten Giftpfeil schoss Seehofer hinterher: Ein 50-plus-X-Ergebnis nannte er "existentiell" für die CSU. Mithin wäre alles darunter eine Existenzfrage, für die Partei wie für ihre Führung. Das sagte Seehofer zwar nicht, das darf man sich jedoch denken.

Zwar wiegelt der CSU-Vize stets ab, persönliches Interesse an einem schlechten Wahlergebnis zu haben. Gleichwohl wäre er der Profiteur, stürzte Parteichef Huber über ein solches. Dann könnte Seehofer, der Huber 2007 in einer Kampfabstimmung unterlag, doch noch CSU-Chef werden. Schon im Januar sagte Seehofer, Hubers Erfolg als Parteichef hänge allein vom Landtagswahlergebnis ab.

Seehofers Giftpfeile sind ein weiterer Beleg dafür, dass bei den Christsozialen - wenn auch meist hinter vorgehaltener Hand - bereits jetzt die Debatten geführt werden, die am Abend des 28. September unweigerlich laut werden, sollte die CSU unter die 50-Prozent-Marke fallen.

Denn während Seehofer das Stöckchen, über das Huber und Beckstein springen sollen, hochhält, bereitet das CSU-Tandem mit seinen Getreuen seit Wochen den Boden dafür, auch in diesem Fall im Amt bleiben zu können. Als Argumente hört man dann immer wieder: Das Ergebnis von 2003 sei eine einmalige Ausnahme gewesen. Auch die CSU leide unter dem Verschwinden fester Milieus und dem Auftauchen vieler Zuwanderer, insbesondere aus Ostdeutschland, die nicht auf die CSU fixiert seien.

"Enttäuschung über die eigenen Fehler"

Die Enttäuschung über die große Koalition tue ihr Übriges wie auch die eigenen Fehler. So machte jüngst erst Schmid die "gebrochenen Wahlversprechen" als das Problem aus, weshalb man nun nicht bei 60 Prozent liege.

Argumentativ gestützt wird all dies vom Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter, selbst CSU-Mitglied, der erst am Montag in einem Interview sagte, auch 49 Prozent wären eine "ziemlich gute Leistung", weshalb Beckstein "mit tödlicher Sicherheit" im Amt bleiben könne, Huber im Übrigen auch. Noch im April hatte Oberreuter für diesen Fall einen Wechsel im CSU-Vorsitz prophezeit.

Man darf davon ausgehen, dass Edmund Stoiber das alles gar nicht gerne hört - und schon gleich gar nicht, wenn er wegen seines Reformkurses schon im Vorhinein zum Sündenbock gemacht wird. Zwar hält er sich mit Kommentaren weiter vornehm zurück, aber manchmal dringt doch etwas aus seinem Inneren nach außen.

So zum Beispiel, als er im Juli beim Sommerempfang des Landtags seinen Nachfolger Beckstein rüffelte, niemals dürfe er die Worte "50 minus X" in den Mund nehmen. Zuvor hatte dieser über ein solches Ergebnis gesagt: "Es wird weder die Welt untergehen noch werden Beckstein oder andere sterben."

Über ein Ergebnis von 49 Prozent würden alle Parteien in Deutschland jubeln, auch die CDU. Wäre es für die CSU also nur eine Normalisierung oder eher doch "eine Art politischer Himmelssturz", wie die Zeit analysierte? Es ist alles nur eine Frage der Perspektive. Wer die in der CSU am Ende definieren darf, darüber hat der Kampf schon jetzt begonnen.

© SZ vom 10.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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