CSU:Duell der Kronprinzen

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Lange Zeit galt Markus Söder als einzige Nachwuchshoffnung in der CSU. Bis Karl-Theodor zu Guttenberg von sich reden machte. Der Zweikampf ist in vollem Gange.

Birgit Kruse

Markus Söder will sich nichts anmerken lassen. Er lacht, wenn er beim Politikerderblecken auf dem Nockherberg als "Donald Duck der CSU" bezeichnet wird. Er lacht noch ein bisschen mehr, als sein Double als wilder Samurai über die Bühne springt. Aber entspannt ist er nicht.

Die Kronprinzen der CSU: Markus Söder und Karl-Theodor zu Guttenberg. (Foto: Foto: seyboldtpress)

Die Fernsehkameras entlarven ihn, ausgerechnet ihn, den gelernten Fernsehredakteur. Unerbittlich zeigen sie, wie er die Gute-Laune-Maske fallen lässt, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Dann sinkt das Kinn nach unten, die buschig-schwarzen Augenbrauen ziehen sich zusammen, bis sich Falten auf seiner Stirn bilden. Ein paar Plätze weiter vorn sitzt derweil Karl-Theodor zu Guttenberg - die Beine lässig übereinandergeschlagen, locker und fast schon ausgelassen. Wenn er über die Scherze lacht, die auf seine Kosten gehen, wirkt das ungekünstelt. Guttenberg ist der Shootingstar der CSU. Und Söder weiß genau: Der Baron aus Oberfranken ist sein ärgster Konkurrent um die Rolle der künftigen Nummer eins in der Partei.

Lange Zeit galt Söder als die einzige ernstzunehmende Nachwuchshoffnung in der CSU. Als "sehr ehrgeizig" beschreiben ihn Parteifreunde. Eine notwendige Eigenschaft, wenn man in der Politik weiterkommen will. Wie viel Ehrgeiz er besitzt, hat Söder auf seinem Weg nach oben immer wieder bewiesen: ob als Chef der bayerischen Jungen Union, als Generalsekretär der CSU oder als Minister - erst im Europa- und später im Umweltministerium.

Selbst in der Debatte um die Beckstein-Nachfolge für das Amt des Ministerpräsidenten hat es der 42-Jährige sichtlich genossen, als geeigneter Kandidat gehandelt zu werden. In der Welt des Markus Söder schien alles nach Plan zu laufen. Bis zum 30. Oktober 2008.

An diesem Tag ernannte der neue CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer Karl-Theodor zu Guttenberg zu seinem neuen Generalsekretär. Ein junger Bundestagsabgeordneter, der bis dahin mehr durch seine perfekt sitzenden Anzüge und die wohlklingende Adelsbezeichnung denn durch seine politischen Taten aufgefallen war. Mit dieser Wahl gab Seehofer den Startschuss für ein innerparteiliches Duell der Nachwuchstalente, das es in der CSU seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte.

Söder nahm die Witterung sofort auf, ließ keine Gelegenheit aus, in den Gängen des Landtags über den Neuen zu lästern. Doch der erhoffte Erfolg blieb aus. Die anfängliche Skepsis in weiten Teilen der CSU-Fraktion wich rasch höchsten Lobeshymnen auf den heute 37-jährigen Guttenberg: "Ein guter Mann", sagen die einen. "Adelig und nicht eingebildet", finden die anderen. Im tiefsten Inneren, so die Vermutung eines Abgeordneten, tue sich der Bayer halt noch immer schwer, ohne König zu leben. Auf jeden Fall sei Guttenberg einer, der es noch weit bringen könne.

Der Erfolg scheint Guttenberg derzeit einfach in den Schoß zu fallen. Nach nur 99 Tagen im Amt des Generalsekretärs schickte Seehofer ihn als Glos-Nachfolger nach Berlin - als jüngster Bundeswirtschaftsminister soll er Deutschland durch die schwerste Wirtschaftskrise seit Kriegsende führen. Bisher mit Erfolg, wird ihm in der Partei bescheinigt.

Er mache das "eindrucksvoll gut", lobt der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler. Und selbst bei der Kanzlerin steht er in hohem Ansehen. Sie habe ihn "in drei Tagen mehr gelobt als mich in 30 Jahren", scherzte Seehofer beim politischen Aschermittwoch. Für Seehofer ist Guttenberg schon jetzt der "Franck Ribéry der CSU".

Die Basis feiert den frisch ernannten Minister an jenem Aschermittwochsvormittag im Februar mit tosendem Applaus. Die Botschaft ist klar: Aus dem Kometen Guttenberg ist längst ein Fixstern am CSU-Himmel geworden. Söder sitzt neben ihm und hat seine Gute-Laune-Maske auf.

Guttenberg verkörpere "die neue German Lässigkeit", sagt Peter Gauweiler und versucht damit zu umschreiben, was Guttenberg so populär macht. Er sei in der Lage, "die Partei mit Charme, Witz und Kompetenz zu verkörpern", sagt ein anderer CSU-Mann und schiebt spitz hinterher: Eigenschaften, die "nicht zwangsläufig bei Markus Söder angesiedelt sind".

Guttenberg kann derzeit zwar auf der nationalen und internationalen Bühne punkten: Mit großen Gesten, wie dem Rettungsversuch für Opel bei der amerikanischen Mutter General Motors; mit kleinen Gesten, wenn er seiner Mitarbeiterin die schwere Aktentasche abnehmen will - und dafür sorgt, dass dies publik wird. Guttenberg, der Mann von Welt und Söder, der Mann vom Dorf, lästert ein CSU-Abgeordneter.

Doch Söder lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Auch wenn seine Bühne deutlich kleiner ist - mit aller Kraft kämpft er um die Gunst des Parteichefs und um seine politische Zukunft. Und wie man im politischen Geschäft seine Ziele erreicht, das hat Söder gelernt. Er weiß, wie man sich Mehrheiten beschafft, wie man Seilschaften knüpft, die einmal wichtiger sein können als der Charme eines smarten Adeligen. Auch weiß er, wie man die Gunst der Mächtigen erwirbt.

Für Guttenberg könnte sich sein kurzes Intermezzo in der Parteizentrale als Nachteil erweisen. Denn in keinem anderen Amt kann man so gut Verbindungen knüpfen und sich eine Hausmacht aufbauen wie als Generalsekretär.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Söder seine Auftritte auf der Berliner Bühne plant und wie das Duell der Kronprinzen ausgehen könnte.

Vom sechsten Stock des bayerischen Gesundheitsministeriums aus plant Söder derzeit akribisch seine Auftritte auf der Bundesbühne: Mit scharfen Parolen wettert er gegen den unpopulären Gesundheitsfonds. Mit seinem klaren Nein zum Anbau von Genmais profiliert er sich als nachdenklicher Umweltpolitiker. Das kommt an bei Ärzten und Bauern - und sicherlich auch beim Parteichef.

In Söder hat Seehofer einen Parteisoldaten, der nicht nur über die nötige verbale Schlagkraft verfügt, um sich auch in Berlin für bayerische Interessen starkzumachen. Wenn sich Seehofer mit neuen Positionen auf unsicheres Gelände wagt, wird Söder testen, wie sie ankommen.

Die Parteifreunde beobachten Söder indes mit zwiespältigen Gefühlen. Bei Söder frage man sich, "ob er von seinen Themen wirklich überzeugt ist und sie im Herzen trägt", formuliert es ein CSU-Vorstandsmitglied. Oft wirkten seine Parolen "angelernt und aufgesetzt", sein Auftreten "holzschnittartig". Söder müsse noch dafür sorgen, dass "sein Profil unverwechselbar wird". Vielleicht sei Söder derzeit zu ehrgeizig. "Er muss jetzt noch nicht beweisen, dass er die Nummer eins ist."

Doch Söder wird schon jetzt alles dafür tun, dass er mal als solche wahrgenommen wird. Denn für ihn steht mehr auf dem Spiel als für Guttenberg. Söder hat seine Karriere auf die Politik ausgerichtet. Guttenberg hingegen verkörpere den "Self-made-Man mit Sexappeal", der auch einen gutdotierten Posten in der Wirtschaft bekommen könnte, sollte es in der Politik einmal nicht mehr nach Plan laufen. Bei Söder, so lästert ein Parteifreund, wisse man: "Ihn bringt man nur im Bayerischen Rundfunk unter."

Eines ist indes jetzt schon sicher. "Es tut dem Betrieb der CSU gut, dass es intern Wettbewerb gibt", findet Gauweiler - und spricht damit dem Parteichef aus der Seele. Erst kürzlich sagte Seehofer, er wolle "junge, ambitionierte Politiker" als potentielle Nachfolger aufbauen, "die im Wettbewerb stehen" - und bezeichnete Söder und Guttenberg als das "verdeckte Tandem" der CSU.

Wie das Duell der Kronprinzen ausgeht, bleib indes offen. "Wer einmal wohin kommt, kann man nicht sagen", so ein CSU-Mann. Das sei oft "eine Frage des Glücks". Und im Moment ist das auf der Seite des Barons. Aber was ist in der Politik schon ein Moment?

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