Caritas: Beerdigung Behinderter:Streit um die letzte Ruhe

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Wer trägt bei behinderten Heimbewohnern die Bestattungskosten? Nach einem brisanten Fall in Augsburg setzt sich die Caritas für eine würdige Bestattung ein.

Dietrich Mittler

Fritz Hofstetter - der Nachname wurde von der Redaktion geändert - war ein fleißiger Mensch. Das wenige Geld, das er in einer der Behindertenwerkstätten der Caritas in Augsburg verdiente, investierte er zum großen Teil dafür, das Grab seiner Mutter zu erhalten. Die hatte ihm zu Lebzeiten gesagt: "Wir beide kommen in dieses Grab, und Du kümmerst Dich darum."

(Foto: Foto: AP)

Als Hofstetter, Bewohner der Caritas-Wohnstätten Augsburg, dann im Alter von 70 Jahren starb, wurde sein Leichnam über etliche Tage hinweg tiefgekühlt im Keller des Augsburger Klinikums gelagert, weil nicht geklärt war, wer die Bestattungskosten trägt: die Stadt Augsburg oder - wo auch immer auffindbar - Angehörige des Verstorbenen.

Kein Einzelfall mehr

Der Fall Hofstetter ist, wie Landescaritas-Direktor Karl-Heinz Zerrle betont, längst kein Einzelfall. Aber so gehe es nicht mehr weiter. "Auch Menschen mit Behinderung in Heimen haben ein Recht auf würdige Bestattung", schrieb der Prälat an Landtagspräsident Alois Glück (CSU).

Selbst jene Behinderten, die vorsorglich Bestattungsgeldversicherungen abgeschlossen hätten, seien vor einem unwürdigen Umgang mit ihren sterblichen Überresten nicht sicher, kritisiert Zerrle. "Die Praxis der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die Bezirke als übergeordnete Sozialhilfe-Träger immer wieder versuchen, diese Gelder als verfügbares Vermögen zu definieren", schreibt er.

Im Klartext heißt das, die Bezirke ziehen das ursprünglich für die Bestattung vorgesehene Geld ein, um auf diese Weise wenigstens einen Teil ihrer Sozialhilfeausgaben wieder hereinzubekommen. Das, so schrieb Manfred Hölzlein als Präsident des Verbandes der bayerischen Bezirke an Zerrle, sei vom Gesetzgeber so vorgegeben.

Die Forderung der Caritas, Bayerns Bezirke sollten künftig die Bestattungskosten für behinderte Sozialhilfeempfänger übernehmen, weist Hölzlein von sich: "Eine generelle Übernahme der Bestattungskosten für verstorbene sozialhilfeleistungsberechtigte Heimbewohner ist mit diesen rechtlichen Vorgaben nicht vereinbar."

Zusage von Alois Glück

Dass behinderte Menschen ohne Angehörige und Vermögen "bis zur Kostenklärung" erst einmal in der Kühlkammer einer Klinik zwischengelagert werden, ist "in Bayern inzwischen die übliche Praxis", sagt Ronald Miller, der Leiter der Caritas Wohnstätten Augsburg.

Für ihn war der Fall Hofstetter letztlich der Anstoß, den Caritas-Landesverband zu bitten, politisch aktiv zu werden. "Schon allein im Sinne der Mitbewohner von Fritz mussten wir das tun", sagt er. Für sie wäre es ein Schock gewesen, wenn sein Leichnam in einem anonymen Armengrab verscharrt worden wäre. Fritz Hofstetter hatte nach der Arbeit seine Zimmernachbarn oft noch mit musikalischen Einlagen erfreut.

Wohnstättenleiter Miller zeigt durchaus Verständnis dafür, dass die Gemeinden nicht auf den Kosten sitzenbleiben wollen. "Die größten Probleme gibt es dort, wo große Behinderteneinrichtungen auf dem Gebiet von relativ kleinen Gemeinden liegen", heißt es aus der Caritas-Zentrale in München. "Das Thema wird in Zukunft angesichts der steigenden Zahl von behinderten Senioren noch viel brisanter werden", befürchtet auch Horst Rau, der Leiter des Sozialreferats vom Bezirk Mittelfranken.

Landtagspräsident Alois Glück hat Zerrle mittlerweile zugesagt, das Problem mit Kollegen der CSU-Landtagsfraktion zu besprechen. Fritz Hofstetter hat nach der Zwischenstation im Krankenhauskeller seine letzte Ruhestätte doch noch im Grab der Mutter gefunden. Das hat sein früherer Wohnstättenleiter erkämpft. "Fast täglich besuchen frühere Mitbewohner und Kollegen das Grab", sagt er.

© SZ vom 23.04.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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