Braune Investoren:Zwischen braunem Schein und echter Gefahr

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Bei Grundstückskäufen bluffen Neonazis oft - ihre Erfahrungen haben Polizei, Gemeinden und Vereine beim "Wunsiedler Forum" ausgetauscht.

Max Hägler

Es ist ein Geschäft mit der Angst, das die Neonazis betreiben, und es ist aus ihrer Sicht durchaus lukrativ: Nicht hinter jedem der jüngsten Grundstückskäufe durch Rechtsradikale steckt echtes Immobilieninteresse, oft sind es nur banale Geldschneiderei oder die Lust an der Provokation. "Es werden hier Gespenster an die Wand gemalt, um Profit zu machen", beurteilt Robert Bihler, Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes, viele dieser Vorhaben. "Da steckt deutlich mehr Propaganda als Reales dahinter."

Die Gemeinde Warmensteinach protestierte im Sommer gegen ein geplantes Siedlungsprojekt für "nationale Familien" - mit Erfolg. (Foto: Foto: ddp)

Die Angst vor Neonazis lässt die Preise steigen

Die Masche ist dabei so simpel wie perfide. Sobald Neonazis Interesse an einem Grundstück haben, kann der Eigentümer davon ausgehen, dass sein Grundstück im Wert steigt. Denn zumindest virtuell sind - wie aktuell in Halsbach oder Straubing - zwei Bieter im Spiel: Rechtsextreme, zumeist mit überhöhten Phantasiepreisen. Und die Gemeinde, die mitbietet, weil sie nicht weiß, ob sich nicht vielleicht doch Neonazis ansiedeln wollen. Der Effekt: An meist unverkäuflichen Immobilien verdient der Verkäufer auf Kosten der verängstigten Gemeinde.

Und die Angstmacher verdienen höchstwahrscheinlich ebenfalls - per Provision. Oder per Parteispende, so wie in Jena. Die dortige NPD wirbt ganz offen für diese braune Immobilienspekulation: "Gegen Zahlung einer Parteispende stellen wir Ihnen schriftlich aus, ein gesteigertes Interesse am Erwerb Ihrer Immobilie zu haben", heißt es auf der Internetseite. In diesem Service enthalten sei eine Pressemitteilung an die örtliche Lokalpresse. "Damit haben Sie beste Chancen, dass Ihre Immobilie zu Höchstpreisen von der Stadt Jena aufgekauft wird", verheißt das Angebot.

Andererseits wollen sich die NPD und die 1100 gewaltbereiten Neonazis in Deutschland tatsächlich eigenen Raum schaffen, vor allem in Nordbayern - ihrem sogenannten "Rudolf-Hess-Land", benannt nach der Grabstätte des Hitler-Stellvertreters in Wunsiedel. Und wahrscheinlich will der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger tatsächlich seinen Traum von einer deutschen Wohngemeinschaft mit lauter blauäugigen Blonden verwirklichen.

Brauner Schein oder echte rechte Gefahr?

Weil unklar ist, ob brauner Schein oder echte rechte Gefahr drohen, investieren Gemeinden in Deutschland und auch in Bayern immer wieder hunderttausende Euro, um Häuser und Grundstücke in letzter Minute den Rechtsextremen wegzuschnappen. Jüngst geschehen in Warmensteinach, in den Jahren davor in Cham oder Grafenwöhr. Und bald vielleicht in Halsbach oder Straubing.

Bislang sind die Bürgermeister und Stadträte meist auf sich allein gestellt, agieren völlig unvorbereitet und müssen braunen Immobilienwünschen und Aufmärschen ohne vorbereitete Gegenstrategien begegnen. Dabei ähneln sich etwa Chancen und Probleme bei der Anwendung von Versammlungsrecht und Vorkaufsrecht.

Und es ist wohl nicht nur im niedersächsischen Landkreis Verden von Interesse, wenn der dortige Landrat das Vorgehen gegen das dortige Fruchtbarkeitszentrum Riegers mit klaren Worten beschreibt: "Er kann mit dem Traktor rumfahren und Unterhaltungsmaßnahmen durchführen. Gebaut werden darf da im Außenbereich nichts, das ist durch Paragraph 35 des Baugesetzbuchs klar geregelt."

Welche Grundstücke könnten für Rechte interessant sein?

Vergangen Donnerstag trafen sich 80 Vertreter von Gemeinden, Polizei und Bürgerinitiativen aus ganz Bayern zum "Wunsiedler Forum", um solche Erfahrungen auszutauschen. "Wir wünschen uns, dass präventiv gearbeitet wird, dass die Gemeinden überlegen, welche Grundstücke in der Gemeinde von Interesse sein könnten für Rechte", beschreibt Organisatorin Simone Richter von der Projektstelle gegen Rechtsextremismus ein Hauptmotiv für das Treffen. Doch gerade in der Region selbst scheint es Nachholbedarf zu geben. "Aus der direkten oberfränkischen Umgebung kamen recht wenige Vertreter", beklagt Richter.

Dennoch ist das Forum ein Schritt nach vorne. "Das ist ein Modell, das nicht nur für Bayern sinnvoll ist", lobt Gregor Rosenthal, Geschäftsführer des Bündnisses für Demokratie und Toleranz in Berlin. Entscheidend sei, dass auch die Zivilgesellschaft eingebunden werde, also Vereine, Kirchen und Bürgerinitiativen. Denn hier gebe es in der Praxis oft Probleme, vor allem dann, wenn Rechtsextreme aufmarschieren.

Auch Bürger und Polizei geraten oft aneinander

Nicht nur Gegendemonstranten und Neonazis geraten dann oft aneinander, sondern auch Bürger und Polizei. Entsprechend lobt Rosenthal den Polizei-Workshop auf dem Wunsiedler Forum. "Man hat dort offen geredet und ganz konkrete Vereinbarungen getroffen, wie man Missverständnisse vermeiden kann."

Auch der stellvertretende oberfränkische Polizeichef Wolfgang Sommer hat in dem von ihm geleiteten Workshop Verständigungsprobleme identifiziert: "Oft meinen wir, dass wir über dasselbe sprechen - und reden über etwas ganz anderes", sagt er über die Kommunikation am Rande von Veranstaltungen, wie den Aufmärschen und Gegendemos in Gräfenberg. Allerdings habe die Polizei auch einen umfangreicheren Schutzauftrag, der sie im Endeffekt zur Neutralität verpflichte - und dann muss sie eben auch die genehmigten Aufmärsche von Rechtsradikalen ermöglichen.

© SZ vom 03.11.2008/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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