Becksteins Regierungsstil:Führen mit Demut und Mannschaftsgeist

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Weniger sprunghaft und weniger "Bayern ist Spitze-Rhetorik": Günther Beckstein wird sich vor allem durch seinen Regierungsstil von Edmund Stoiber unterscheiden.

Kassian Stroh

Nur wenige Meter trennen den alten vom neuen Günther Beckstein. Eben noch hat der Innenminister vor der Wiesn-Wache den neuen digitalen Polizeifunk präsentiert, jetzt will er als künftiger Ministerpräsident ein Interview im Schottenhamel-Zelt geben.

Und wenn es nur die Hoffnung auf ein bisschen Nestwärme und Behaglichkeit ist nach Stoibers zunehmend autokratischer Regentschaft. (Foto: Foto: ddp)

Nur ein paar Meter wären es bis zum Hintereingang, aber Beckstein geht einmal rund ums Zelt und nimmt den Haupteingang. Die Kapelle intoniert den Defiliermarsch, Beckstein stutzt, dann freut er sich und lässt sich vom Volk feiern.

Noch übt der 63-Jährige als Ministerpräsident, doch die Probeläufe lassen keinen Zweifel: Hier wird einer ab Dienstag ganz schnell in sein neues Amt finden.

Zwar muss sich das Land noch gedulden bis zum 15. November, bis Beckstein in seiner Regierungserklärung ein Arbeitsprogramm vorlegen wird. Doch klar ist schon: Es wird sich einiges ändern.

Auch den Papst wird er treffen

Am wenigsten noch, weil nun erstmals ein Protestant der oberste Bayer wird - die Konfession spielt in Bayerns Politik nicht mehr die Rolle wie in früheren Jahrzehnten. Schließlich haben die Gebirgsschützen, die Speerspitze des katholischen Altbayerns, schon ihr Einverständnis signalisiert und kundgetan, auch für Beckstein böllern zu wollen.

Auch den Papst wird Beckstein noch diesen Monat treffen - womit an der Regierungstauglichkeit des Nürnbergers kein Zweifel mehr erlaubt sein dürfte.

Mit Beckstein aber wird ein ganz anderer Mensch die Staatsgeschäfte führen, als es Stoiber war: Seine Politik wird weniger sprunghaft sein. Beckstein wird auch Stoibers permanente "Bayern ist Spitze"-Rhetorik weniger pflegen, die oft daran hinderte, auch im Freistaat vorhandene Defizite einzugestehen.

Es ist kein Zufall, dass Beckstein beim CSU-Parteitag von "Demut" und "Mannschaftsgeist" sprach. Vor allem die Landtags-CSU hofft, dass er die bisherige Allmacht der Staatskanzlei begrenzt, die Ministerien wieder eigenständiger agieren und die CSU-Parteizentrale nicht nur als Außenposten der Staatskanzlei fungieren lässt.

Und es besteht durchaus Grund zur Annahme, dass Beckstein dies so halten wird. Als erstes Zeichen darf gelten, dass er die Pressestelle der Staatskanzlei neu besetzt. Der bisherige Regierungssprecher Karl-Michael Scheufele geht ins Innenministerium, sein Vertreter Rainer Haselbeck aller Voraussicht nach mit Stoiber in dessen Austragsstüberl-Büro.

Ihre Nachfolger werden Michael Ziegler und Rainer Riedl, bisher Sprecher im Innenministerium.

Becksteins Stärke ist das persönliche Gespräch. So sehr er als Hardliner gilt und so sehr er auch umstrittene Entscheidungen durchgefochten hat - er hat zumindest versucht, sie zu erklären.

Beispiel Polizeireform: Da schickte er nicht etwa seine Ministerialbeamten los, die Reform vor Ort zu erläutern. Im Sommerurlaub klapperte er selbst die Dienststellen ab. Dass wieder mehr miteinander gesprochen wird - das erhoffen sich nun viele von ihm in der CSU.

Und wenn es nur die Hoffnung auf ein bisschen Nestwärme und Behaglichkeit ist nach Stoibers zunehmend autokratischer Regentschaft. Inhaltlich dagegen sind von Beckstein keine großen Kursänderungen zu erwarten, allenfalls andere Akzente: Bei den vielen Baustellen im Schulbereich wird er Druck machen, sich mehr um Klimaschutz und Ausländerintegration kümmern.

Nur eines wird ihm nicht mehr vergönnt sein: Mit Privatisierungserlösen übers Land zu fahren und die Menschen zu beglücken, wie Stoiber es getan hat. Das Tafelsilber ist fast völlig weg. Derzeit bräuchte es Beckstein auch nicht - die Steuereinnahmen sind unerwartet gut. Doch für schlechtere Zeiten hat er keine Reserven mehr.

Zieht er die alte Hardliner-Karte?

In der CSU sind die Erwartungen an Beckstein riesig. Auf dem Parteitag jubelten die Delegierten schon, als er nur die Bühne betrat. Dann nominierten sie ihn in geheimer Abstimmung mit 96,6 Prozent. Sollte Beckstein dieser Erwartungsdruck Angst machen, lässt er es sich nicht anmerken.

Andererseits schafft ihm dieses sozialistisch anmutende Ergebnis auch Freiräume - nicht zuletzt bei strittigen Personalentscheidungen gegenüber der CSU-Fraktion. Beckstein ist für Überraschungen gut. So wird ihm in der Partei sogar zugetraut, dass er dem einst von Stoiber geschassten Justizminister Alfred Sauter zu einem Comeback im Kabinett verhilft.

Die große Zustimmung beruht allerdings auf einer Voraussetzung: Beckstein muss die Landtagswahl 2008 überzeugend gewinnen. Andernfalls wird noch am Wahlabend in der CSU die Diskussion entbrennen, wie lange er es noch machen darf.

Zwar sind die derzeitigen Umfragewerte hervorragend, doch in der CSU sitzt die Angst tief, dass die eigenen Unterstützer den Ärger der vergangenen vier Jahre nicht vergessen haben und am Wahltag zu Hause bleiben. Dieses Mobilisierungsproblem taucht in Umfragen nicht auf und ist ein Grund dafür, warum sich die CSU derzeit so konservativ gibt.

Daran wird sich auch unter Beckstein wenig ändern, der stets die Bedeutung von Werten und Leistungsbereitschaft in einer Gesellschaft betont. Und bei der Opposition mutmaßt man bereits, dass er am Ende des Wahlkampfs die alte Hardliner-Karte ziehen wird, um mit einem emotionalen Thema - etwa in der Ausländerpolitik - die eigenen Reihen zu motivieren.

Sich selbst hat Beckstein als "Übergangslösung" bezeichnet. Ein geschickter Zug - mindert er damit doch besagten Erwartungsdruck. Doch hat er Wahlerfolge, sollte man sich nicht in seinem Willen täuschen, eine Zeit lang zu regieren. Wie lange ein Übergang dauert, hat Beckstein nicht gesagt.

© SZ vom 8.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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