Bayerns Ministerpräsidenten:Die Großkopferten

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Günther Beckstein tritt ein schweres Erbe an. Denn Bayerns Ministerpräsidenten waren immer kantige Charaktere, die den Freistaat wie ein Königreich regierten.

Heribert Prantl

Die Historie des bayerischen Landes zeigt immer wieder, dass der Mittelmeerraum kulturell bis zur Donau reicht und die Donau dem Po viel näher liegt als der Elbe. Das erklärt das Unvermögen vieler Menschen im deutschen Norden, sich die Vorgänge in Bayern richtig zu erklären.

Selbst die Zeit, eine an sich respektable Wochenzeitung, die aber in Hamburg erscheint, hat Schwierigkeiten, den bayerischen Zusammenklang von politischer und kultureller Geschichte zu erspüren und die Beziehungen zwischen Altbayern, Franken und Schwaben wenigstens in etwa zu erahnen.

Ein ansonsten grundgescheiter Kollege der Zeit hat also kürzlich geschrieben, am Schluss seiner politischen Analyse über den bayerischen Machtwechsel von der CSU zur CSU, dass Günther Beckstein, der künftige bayerische Ministerpräsident, ein "barocker Mensch" sei.

Das kann wirklich nur jemand behaupten, für den alles barock ist, was südlich des Mains steht und liegt. Wenn man es schon kulturgeschichtlich fassen will, dann verkörpert Beckstein die Renaissance, die Wiedergeburt des Fränkischen in Bayern, nachdem das Land seit nun mehr als 28 Jahren von katholischen Oberbayern regiert wird.

So fränkisch wie künftig, wenn Beckstein mit seiner Franken-Entourage in der Staatskanzlei antritt, war Bayern schon sehr lange nicht mehr. So fränkisch war es zuletzt, als der Bayern-Herzog Tassilo aus dem Geschlecht der Agilolfinger sich im Jahr 787 einem Frankenkönig unterwerfen musste und dann auf dem Reichstag von Ingelheim entwaffnet und festgenommen wurde.

"Vollendung der Integration Frankens"

Der Nürnberger SPD-Oberbürgermeister Ulrich Maly greift nicht ganz so weit zurück in die Geschichte, betont aber auch, was die Regierungsübernahme Becksteins historisch bedeutet: "Das wird nach 200 Jahren endlich die Vollendung der Integration Frankens in das Königreich Bayern."

Zwar ist der Freistaat Bayern nach 1945 schon zweimal von Ministerpräsidenten aus Franken regiert worden: Von Hans Ehard (der vier bayerischen Kabinetten vorstand) und von Hanns Seidel (der zwei Kabinetten präsidierte). Aber diese beiden distinguierten Herren waren katholisch ­und Günther Beckstein, der von sich sagt, dass er ein "nüchterner Mensch" sei, ist ein Protestant.

Nun gibt es gelegentlich auch barocke Protestanten, nehmen wir Peter Gauweiler; aber von dem glaubt eh jeder, er sei katholisch, weil er das altbayerische Wesen so in Reinkultur wie kaum ein anderer verkörpert. Dieses Wesen hat Franz Heubl, ein früherer bayerischer Landtagspräsident, einmal so beschrieben: vital, brutal, sentimental.

Beckstein ­barock? Es gibt wunderbaren Barock in Franken, aber nicht im Fabrikverkauf, wo sich Beckstein seine grauen Anzüge abholt: Das Kloster Banz, in dem die CSU oft ihre Klausuren abhält, ist ein Musterbeispiel für süddeutsch-böhmische Schwelgerei; und die Basilika von Vierzehnheiligen auf der anderen Mainseite ist ein spätbarocker Traum, eine Orgie.

Ein wenig angestaubt

Beckstein hat mit solcher himmlisch-auftrumpfenden Opulenz, mit prächtigem Stuck und geschaukelten Ellipsen nichts zu tun, nicht im Reden, nicht im Denken, nicht im Tun. Er gehört zu der Familie der fränkischen Zwetschgenmännlein, wie sie demnächst wieder in den Buden auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt verkauft werden: Diese Männlein bestehen aus gedörrten Zwetschgen, sie sind zäh und lustig anzuschauen.

Das Exemplar Beckstein ist, um es noch näher zu beschreiben, schon ein wenig angestaubt. Allenfalls dann, wenn man es neben den Hamburger Ole von Beust stellt, könnte man sagen, es sei "relativ barock".

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